Aussitzen und hinauszögern sind in der Politik erprobte Mittel. Beim Vergesellschaftungsrahmengesetz bedient sich der Berliner Senat ihrer ausgiebig.
Alles schien klar: Nach dem erfolgreichen Volksentscheid vom September 2021 zur Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen großer Immobilienunternehmen hatte eine Prüfkommision unter Leitung von Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) Ende Juni 2023 erklärt, dass eine Vergesellschaftung verfassungsrechtlich möglich wäre. Damit gab es also grünes Licht für die Vorgabe des Volksentscheids an den Senat, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes erforderlich sind“.
Doch nun hat Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner wieder kräftig auf die Bremse getreten, und eine Umsetzung in seiner Amtszeit abgelehnt. Vielmehr soll nach dem Willen des Senats ein externes Rechtsgutachten erstellt werden, „das verfassungsrechtliche Fragen eines Rahmengesetzes beantworten und grundlegende Überlegungen zur weiteren Umsetzung umfassen soll“.
Vorliegen soll das Gutachten „möglichst bis zum dritten Quartal 2024“. Eine offenbar “bewusste Verzögerung des demokratischen Willens einer Mehrheit der Wahlberechtigten“, vermutet Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, hinter dieser Entwicklung. Der Kommentar von Justus Henze, Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen: „Wegners Demokratiefeindlichkeit äußert sich in der klaren Missachtung gegenüber dem eindeutigen Votum der Berliner:innen.” Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion im Berliner Abgeordentenhaus: „Es ist ein Skandal, dass CDU und SPD die Umsetzung des Volksentscheids blockieren.”
Bei den Aktiven der Volksentscheid-Initiative haben die andauernden Bremsversuche des Senats gleichfalls Wirkung gezeigt: „Seit Monaten arbeiten wir mit Unterstützung hochkarätiger verfassungsrechtlicher Expertise an einer eigenen Ausarbeitung des Vergesellschaftungsgesetzes“, so Justus Henze. Dieses soll dann den Berliner:innen in einem erneuten Volksentscheid zur Wahl gestellt werden.
Stefan Klein
29.05.2024