Das Bundesverwaltungsgericht hat am 24. Mai die so genannten Mietobergrenzen in den Sanierungsgebieten in letzter Instanz für unzulässig erklärt. „Der behutsamen Stadterneuerung wird damit ein schwerer Schlag versetzt“, kritisiert Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV).
Das höchste deutsche Verwaltungsgericht wies die Revision des Landes Berlin – vertreten durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin zurück. Das OVG hatte im Januar 2004 entschieden, dass im Rahmen der Stadterneuerung zwar soziale Ziele verfolgt werden dürfen, diese sich aber dem Ziel der baulichen Erneuerung unterzuordnen haben. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun dieses Urteil im Wesentlichen. Für Mietobergrenzen gebe es im Städtebaurecht keine Grundlage (BVerwG 4 C 9.04). Zur Verhandlung stand der Fall der Eigentümerin eines Hauses im Friedrichshainer Sanierungsgebiet Samariterviertel, die 1999 die Auflage des Bezirks, nach der Sanierung die Mieten nicht über die festgesetzten Obergrenzen steigen zu lassen, nicht akzeptieren wollte.
Das Urteil hat bundesweite Bedeutung. Allein in den Berliner Sanierungsgebieten sind über 10.000 Haushalte in unsanierten Häusern betroffen. Das Aus der Mietobergrenze erschüttert das Fundament der Berliner Sanierungspolitik, die seit Ende der 80er Jahre nicht nur die Erneuerung der Gebäude, sondern auch den Schutz der Bewohner vor Verdrängung als gleichrangige Ziele verfolgt. Das soziale Standbein der Stadterneuerung wurde nun nachhaltig geschwächt.
„Das Urteil ist auch eine Ohrfeige für den Bundesgesetzgeber“, erklärt Reiner Wild vom BMV. Das Baugesetzbuch wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert, doch dabei wurde versäumt, Mietbeschränkungen zum Verdrängungsschutz gerichtsfest zu verankern. Der BMV fordert daher Bundesbauminister Tiefensee auf, das Sanierungsrecht rasch zu novellieren.
Der vom Bundesverwaltungsgericht angedeutete Weg, die Mietsteigerungen auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, indem der Modernisierungsstandard beschränkt wird, dürfte nicht so einfach zu gehen sein: Schon die Herstellung eines „zeitgemäßen Ausstattungszustandes“, auf dessen Genehmigung die Eigentümer einen Anspruch haben, lässt über die Modernisierungsumlage die Mieten so hoch steigen, dass sie für viele einkommensschwache Mieter nicht mehr tragbar sind.
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/06
‚Schwerer Schlag für die Stadterneuerung‘:
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Mietobergrenzen für unzulässig erklärt
Foto: Jens Sethmann
29.07.2013