Dem Märkischen Viertel laufen die Bewohner davon. Seit Jahresbeginn sind die Mieten so drastisch gestiegen, dass viele nur noch einen Ausweg sehen: den Wegzug.
Zuerst erhöhte die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau wegen Wegfalls der Sozialbindung die Grundmieten um 14 bis 18 Prozent. Eine 65 Quadratmeter große Wohnung beispielsweise verteuerte sich zum 1. Januar 2007 um rund 42 Euro. Zum 1. Juni kletterte die Monatsmiete für besagte Wohnung um weitere 90 Euro. Grund: gestiegene Nebenkosten. 565 Euro warm kostet jetzt diese Wohnung – trotz undichter Fenster, bröckelndem Putz und maroder Balkone, wie Peter Thesenwitz vom Mieterbeirat sagt: „Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt einfach nicht mehr.“ Betroffen sind 630 Wohnungen im Block Finsterwalder Straße/ Wilhelmsruher Damm. „Das größte Problem sind die Nichtselbstzahler“, so der Mieterbeirat. Fast die Hälfte bekommt die Miete vom Amt bezahlt – doch die neuen Mieten übersteigen die zulässigen Höchstgrenzen. „Für diese Fälle muss eine Regelung gefunden werden“, fordert Thesenwitz.
Die Preissprünge bei den Nebenkosten haben mehrere Ursachen. Zum einen trifft die Mieter eine generelle Erhöhung der Grundsteuer, die der Senat zum 1. Januar 2007 beschlossen hat. Ein weiterer Aufschlag wurde fällig, weil die betroffenen Wohnungen nicht mehr der Sozialbindung unterliegen. Die Folge ist eine Erhöhung der Grundsteuer von 22 Cent auf 46 Cent pro Quadratmeter im Monat.
Weitaus dramatischer sind aber die extrem hohen Kosten für Heizung und Warmwasser. Hier spielt – neben dem schlechten Dämmzustand der Häuser – ein auf die Dauer von 99 Jahren geschlossener Wärmeliefervertrag eine unrühmliche Rolle. Seit 2004 sind die Kosten für die Wärmelieferung nach Angaben der Gesobau um 67 Prozent gestiegen. „Mit diesen horrenden Nebenkosten ist das Märkische Viertel auf Dauer nicht zu bewirtschaften“, meint der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild. Der BMV fordert daher einen Ausstieg aus dem Vertrag. „Wir sind derzeit in Verhandlungen mit Vattenfall“, erklärt der Sprecher der Gesobau, Matthias Gaenzer. Auch wolle man die Heiztage reduzieren. Die Rücknahme der regulären Mieterhöhung, wie vom BMV gefordert, lehnt die Gesobau ab.
Bis zum Jahre 2010 werden weitere 40.000 Berliner Sozialwohnungen aus der Bindung fallen. Auch auf sie kommen dann saftige Mieterhöhungen wegen der höheren Grundsteuer zu. „Es kann nicht sein, dass Sozialbauten wie das Märkische Viertel in dieser Weise bewertet werden, hier muss eine Korrektur vorgenommen werden“, meint Reiner Wild. Zwar ist die Bemessung der Grundsteuer Sache des Bundes, die konkrete Bewertung der Bestände nimmt aber das Land Berlin vor. Die Senatsverwaltung für Finanzen sieht dennoch keinen Spielraum. „Es gibt feste, bundeseinheitliche Bewertungsvorschriften“, so Sprecher Clemens Teschendorff. Der Finanzsenator setze sich aber seit langem für eine gerechtere Bewertung der Grundsteuer ein.
Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/07
Die Kosten laufen davon, die Mieter auch: Märkisches Viertel
Foto: Christian Muhrbeck
09.05.2017