Die Private-Equity-Fonds wirbeln den Wohnungsmarkt kräftig durcheinander. Während einige „Heuschrecken“ weiterhin munter Wohnungen dazukaufen und den Börsengang planen oder bereits vollzogen haben, ziehen sich andere schon nach wenigen Jahren wieder aus ihrem Wohnungsengagement zurück. Generell ist das Interesse ausländischer Investoren an Berliner Wohnimmobilien ungebremst. Die Zeit, in der fast alles gekauft wurde, was vier Wände und ein Dach hatte, scheint aber vorbei. Stattdessen picken sich vor allem skandinavische Finanzinvestoren die Rosinen heraus – allerdings mit den gleichen preistreibenden Folgen für die Mieter.
Die Finanzinvestoren, die als Großeinkäufer auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt auftraten, waren meistens US-amerikanische und britische Pensionsfonds – Kapitalsammelstellen, die das Geld reicher Bürger anlegen. Vor allem auf die Wohnungsbestände der klammen Kommunen hatten sie es abgesehen. Die Stadt Dresden verkaufte im März 2006 die Wohnungsbaugesellschaft Woba und damit ihren gesamten Bestand von 48.000 Wohnungen an den Finanzinvestor Fortress. Die Stadt war durch diese umstrittene Transaktion mit einem Streich schuldenfrei. In Freiburg wurde hingegen der Totalausverkauf städtischer Wohnungen durch einen Bürgerentscheid gestoppt.
Als energischer Privatisierer tut sich derzeit die nordrhein-westfälische CDU-FDP-Regierung hervor. Sie will die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG NRW) mit ihren 100.000 Wohnungen verkaufen. Zudem plant die dortige Landesregierung auch noch, die Kündigungssperrfrist auf drei Jahre zu verkürzen. Zurzeit sind die Mieter bei einer Umwandlung in Eigentumswohnungen noch acht Jahre lang vor einer Kündigung geschützt. Nordrhein-westfälische Mieter waren schon durch den Verkauf der einst bundeseigenen Gagfah an Fortress und der Viterra an Terra Firma (Deutsche Annington) überdurchschnittlich betroffen. Die Deutsche Annington, mit 230.000 Wohnungen schon das größte Wohnungsunternehmen in Deutschland, gilt auch als aussichtsreicher Kandidat für die Übernahme der LEG.
Der Schwund geht weiter
In Berlin geht derweil trotz eines offiziellen Verkaufsstopps der schleichende Schwund des landeseigenen Wohnungsbestandes weiter. Nur noch 267403 Wohnungen gehörten Ende 2006 den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Mit dem Verkauf von 1347 Wohnungen der Bewoge (WBM-Gruppe) an die Kölner Vivacon AG schmolz der Bestand im Februar dieses Jahres weiter ab. Vor fünf Jahren besaß Berlin noch über 385.000 Wohnungen.
Die von den Finanzinvestoren ersehnte Einführung der steuerbegünstigten sogenannten Real Estate Investment Trusts (REITs) ist von der Bundesregierung beschlossen worden – allerdings unter dem weitgehenden Ausschluss von Wohnimmobilien (das MieterMagazin berichtete in seiner Ausgabe 5/07, Seite 13: „Kein Börsenhandel mit Wohnungen“). Bestände mit überwiegender Wohnnutzung dürfen nur dann in eine solche Immobilien-Aktiengesellschaft eingebracht werden, wenn sie nach 2006 gebaut wurden.
Stück für Stück vergoldet
Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Wohnungen nicht an der Börse gehandelt werden können. Sie können nur nicht die für REITs vorgesehenen Steuerbefreiungen in Anspruch nehmen. Der Fonds Fortress hat die von ihm gekauften Wohnungsunternehmen bereits im Oktober 2006 an die Börse gebracht. Dafür wurden die rund 160.000 Wohnungen der Gagfah, der Dresdner Woba und der niedersächsischen Nileg zu einer Holding zusammengefasst. Diese neu gebildete „Gagfah Group“ ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Für Fonds ist der Börsengang eine mögliche Strategie, um das aufgekaufte Unternehmen mit Gewinn wieder abzustoßen („Exit“): Es wird in Aktienpaketen Stück für Stück an der Börse zu Geld gemacht.
Fortress hält zurzeit noch 68 Prozent an der Gagfah Group. Der Einstieg in den Exit kam selbst für Heuschreckenverhältnisse früh. Gleichzeitig expandiert Fortress weiter: Durch die Gagfah ließ sie im Januar 4900 Berliner Wohnungen der Apellas kaufen. In Berlin besitzt die Gagfah jetzt 27.000 Wohnungen.
Die Fondsgesellschaft Apellas, gegründet vom bekannten Finanzjongleur George Soros, hatte in den vergangenen Jahren die Hüttenwegsiedlung in Dahlem, einen Teil der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg und den Wohnungsbestand der Bundesbank gekauft – insgesamt rund 6000 Wohnungen. Apellas steigt aus dem Wohnungsgeschäft weitgehend aus und will sich in Zukunft vorrangig um Gewerbeimmobilien kümmern. Auch der Fonds Blackstone hat sich zurückgezogen und verkaufte im März seine 31.000 deutschen Wohnungen.
Derweil überraschte Terra Firma die Öffentlichkeit mit der Absicht, die Deutsche Annington zu verkaufen. Wunschpartner sei die Gagfah. Mit dieser Elefantenhochzeit der Heuschrecken würde Europas größtes Wohnungsunternehmen mit knapp 400.000 Wohnungen entstehen. Begleitet wird die immer schnellere Abfolge des Kaufens und Verkaufens von fliegenden Wechseln in den Vorstandsetagen der Unternehmen.
Spielräume ausgenutzt
Um die überzogenen Renditeerwartungen zu erfüllen, werden alle Mieterhöhungsspielräume ausgenutzt und ausgewählte Bestände teuer modernisiert. Bei anderen Häusern wird an der – auf kurze Sicht unrentablen – Instandhaltung gespart. Wenn der Fonds sich nach einigen Jahren zurückzieht, hinterlässt er einerseits teuer sanierte Wohnungen und andererseits heruntergewirtschaftete Bestände. Selbst der ehemalige CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm regt sich über diese Vorgehensweise auf: „Die haben nichts anderes mehr im Hirn als Kurswerte“, sagte er im Fernsehsender „Phoenix“. „Die sind an Wertschöpfung und realen Gütern gar nicht interessiert. Das ist ein reines Wettbüro.“
Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Gutachten über den Berliner Wohnimmobilienmarkt erscheinen. Meist sind sie von Immobilienunternehmen oder Verbänden in Auftrag gegeben, und das Ergebnis ist denn auch in deren Sinne. Die vom Fonds Cerberus aufgekaufte ehemals städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW hat zum Beispiel vom Immobilienmaklerunternehmen Jones Lang LaSalle eine Studie erstellen lassen, in der für acht der zwölf Berliner Bezirke ein „beschleunigtes Kaufpreiswachstum“ für Wohneigentum festgestellt wird. Dieser Schluss dürfte allerdings von dem Interesse geleitet sein, bei Kaufinteressenten eine Torschlusspanik auszulösen und so den Markt in Bewegung zu bringen. Unabhängige Beobachter wie der vom Senat eingesetzte Gutachterausschuss gehen eher von einer weiterhin stagnierenden Preisentwicklung aus. Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, warnt vor einer „Immobilienblase“, die irgendwann platze.
Die Zeit, in der große Pakete oder ganze Wohnungsbaugesellschaften verkauft werden, scheint in Berlin zunächst einmal vorbei zu sein. Finanzinvestoren ließen sich in den vergangenen Jahren selbst durch hohen Leerstand, schlechten Bauzustand und problematische Lagen nicht in ihrer Kauflust beirren. Heute dagegen ist zu beobachten, dass Anleger sich die Immobilien genauer ansehen und sich die Sahnestücke herausgreifen. Sie suchen vor allem Altbauten in Bezirken, in denen sie die Möglichkeit sehen, die Mieten deutlich zu erhöhen: Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Pankow stehen hoch im Kurs. Ihre Absicht, die Mieten inner-halb von fünf bis sieben Jahren zu verdoppeln, lässt allerdings auf mangelnde Kenntnis des Berliner Wohnungsmarktes und des deutschen Mietrechts schließen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/07
Jetzt sind bei Investoren die „Sahnestücke“ in Friedrichshain und Prenzlauer Berg gefragt
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Viele ehemals städtische Wohnsiedlungen – wie hier am Grazer Damm – haben mittlerweile schon mehrmals den Besitzer gewechselt
Zu den mietrechtlichen Fragen der Wohnungsprivatisierung ist beim Berliner Mieterverein das Infoblatt Nr. 25 „Privatisierung“ erhältlich.
Exit und hopp
Private-Equity-Fonds haben nur einen kurzen Anlagehorizont von wenigen Jahren und nicht selten Renditeerwartungen von über 20 Prozent. Nach dem fulminanten Einstieg suchen die ersten Fonds schon wieder den Ausstieg. Für diesen „Exit“ gibt es drei Strategien: Von der ersten Möglichkeit, dem Weiterverkauf kleinerer Teilbestände an Zwischenhändler, wird schon von Anfang an reichlich Gebrauch gemacht. Der zweite Weg ist der Einzelverkauf der Wohnungen an Mieter und private Kleinanleger. Das ist sehr aufwändig und in Berlin auch wenig erfolgversprechend. Die dritte Möglichkeit ist der Börsengang. Durch den Verkauf von Aktien holt sich der Fonds seine Rendite von den Aktionären. Fortress hat bereits Gagfah-Anteile an die Börse gebracht. Auch der Fonds Oaktree plant, die ehemals dem Land Berlin gehörende Gehag mit 27.000 Wohnungen an die Börse zu bringen.
js
16.07.2013