Wenn Andreas Berndt auf seinen Balkon will, muss er aufpassen, dass er nicht im Türrahmen hängen bleibt. Das liegt nicht etwa daran, dass er korpulent wäre. Die extrem schmale Balkontür hat er einer Sanierung zu verdanken, die nicht nur er als „Frechheit“ bezeichnet.
Die 255 Wohnungen rund um die Alboinstraße in Tempelhof werden seit Frühjahr 2008 von der Wohnungsbaugesellschaft Degewo umfassend modernisiert. Neben einer kompletten Erneuerung der Elektrik werden Küchen und Bäder neu verfliest, außerdem soll die Fassade wärmegedämmt und eine Solaranlage gebaut werden. „Was mich am meisten ärgert, ist der Umgang mit den Mietern. Es gibt keinerlei Absprachen, und auf individuelle Wünsche wird gar nicht eingegangen“, sagt Barbara Liebig-Gleibs. Sie wohnt seit 1971 in dem Haus und hat viel in die Ausstattung der Wohnung investiert: neue Fliesen, eine moderne Duschkabine und ein Handtuchtrockner im Bad. Jetzt soll alles herausgerissen werden. „Uns geht es um einen einheitlichen Standard, wir müssen schließlich an die Weitervermietbarkeit denken“, sagt dazu die Sprecherin der Degewo, Erika Kröber.
Die angekündigte Modernisierungsumlage von 140 Euro hält Volker Hegemann, Rechtsberater beim Berliner Mieterverein, für überhöht, allenfalls 60 Euro seien anzusetzen. Andere Bewohner sind wegen der drastischen Mieterhöhungen ausgezogen.
Verärgert sind viele Mieter auch über die neuen Fenster, die erheblich kleiner sind als die alten. Wenn dann noch die Wärmedämmschicht den Wanddurchmesser erhöht, werden die Mieter durch die Fenster wie durch Bullaugen auf einem Schiff blicken. Das sei technisch nicht anders machbar gewesen, heißt es bei der Degewo. Ebenso begründet man die Verkleinerung der Balkontüren – im Extremfall haben diese eine Durchgangsbreite von 0,43 Meter. Mehrere Mieter haben dagegen von der ausführenden Fensterfirma gehört, dass es andere Möglichkeiten gegeben hätte. Vorwürfe, wonach die Mieter nur unzureichend informiert werden und dass es nicht einmal eine Mieterversammlung gegeben hat, weist die Unternehmenssprecherin Erika Krö-ber zurück: „Wir haben mit allen Mietern Einzelgespräche geführt, zudem gibt es ein Baubüro vor Ort.“
Heftige Kritik gibt es auch am Umgang mit den vielen älteren Bewohnern. „Wie hier mit alten und schwerbehinderten Mietern umgesprungen wird, ist eine Unverschämtheit“, sagt Andreas Berndt. Seine 79-jährige gehbehinderte Mutter, die seit 48 Jahren in der Alboinstraße wohnt, wollte im Zuge der Sanierung ihre Wohnung im zweiten Stock gegen eine tiefer gelegene tauschen. Das wurde ihr auch zugesagt – allerdings soll die neue, sanierte Wohnung 6,50 Euro pro Quadratmeter kosten. Verbleibt sie in ihrer alten Wohnung, müssen mietereigene Investitionen von der Modernisierungsumlage abgezogen werden, so dass es nicht ganz so teuer wird. „Die Degewo versucht hier in schamloser Weise die Situation meiner Mutter finanziell für sich auszunutzen“, empört sich Andreas Berndt.
Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/08
Durch seine neue Balkontür muss sich Andreas Berndt hindurchzwängen
Foto: Kerstin Zillmer
13.04.2013