Berlin ist stolz darauf, eine grüne Großstadt zu sein. In keiner anderen europäischen Metropole gibt es so viel innerstädtische Wälder, historische Schlossgärten, Volksparks und Straßenbäume. Das wissen nicht nur die Touristen zu schätzen, sondern auch die Berliner, die – das belegen immer wieder Umfragen – quer durch alle Bevölkerungsschichten ihre Parks und Grünanlagen lieben. Doch Berlin ist dabei, sich seinen Ruf zu verspielen. Immer mehr grüne Nischen werden zugebaut, Hunderte von Kleingärten müssen einem umstrittenen Autobahnbau weichen und selbst Naturschutzgebiete sind nicht sicher vor den Begehrlichkeiten der Investoren.
Betreibt man nüchterne Zahlenanalyse, dann ist in der Hauptstadt noch alles im grünen Bereich. Der Grünanteil ist in den letzten 20 Jahren sogar gestiegen. Gleichzeitig stehen den Bezirken aber immer weniger Mittel für die Pflege zur Verfügung – bei zunehmendem Vandalismus. „Dieses Dilemma von immer mehr zu pflegenden Flächen und immer weniger Geld wird sich in Zukunft noch verstärken“, erklärt Beate Profé, Referatsleiterin für Freiraumplanung und Stadtgrün bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Durch die Schließung des Flughafens Tempelhof ist eine riesige Freifläche hinzugekommen, der Airport Tegel wird demnächst folgen. Zudem werden viele Friedhöfe nicht mehr für Bestattungen gebraucht, über kurz oder lang sollen sie in die Bewirtschaftung der Bezirke übergehen. „Nicht die Schaffung neuer Grünanlagen ist das Problem, sondern ihre Pflege und ihr Erhalt“, so Profé. Die zweite Herausforderung, vor der die Grünplaner stehen, ist der demografische Wandel: Es gibt immer mehr ältere Menschen – die Grünanlagen müssen für deren Ansprüche fit gemacht werden.
Ausgeprägtes Bürgerengagement
Vor diesem Hintergrund setzt der Senat auch auf ehrenamtliches Engagement. Nicht nur Bürger, auch Vereine, Unternehmen und Verbände seien gefordert, ihren Beitrag für das Stadtgrün zu leisten. So sollen Wohnungsbaugesellschaften zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um das Wohnumfeld in einem attraktiven Zustand zu halten. Schließlich profitieren sie von gut gepflegten Grünflächen vor der Haustür. Die Nähe zu einem Park oder auch nur der Blick auf Grün ist für viele Mieter ein wichtiger Pluspunkt, gerade Familien hält das in der Stadt. „Doch die Bereitschaft, eine größere Verantwortung für die Pflege des Grüns zu übernehmen, ist selbst bei den finanziell leistungsfähigeren Unternehmen nicht genügend ausgeprägt“, so Beate Profé. Eines der wenigen Positivbeispiele ist der kürzlich eingeweihte „Diplomatenpark“ in Mitte. Für seine Luxuswohnungen am Rande des Tiergartens wollte der Investor eine anspruchsvolle Straßenbegrünung haben – und finanzierte die Baumpflanzung aus der eigenen Tasche.
Von den Bewohnern dagegen ist laut Umfragen über ein Drittel bereit, sich zu engagieren, etwa Baumscheiben zu begrünen, bei Müllsammelaktionen mitzumachen oder sich in anderer Weise für das Stadtgrün einzusetzen. In der Grünberger Straße in Friedrichshain gibt es sogar eine öffentliche Grünfläche samt Spielplatz, die von den Mietern der angrenzenden Häuser gepflegt wird. Sie gießen im Sommer die Pflanzen, fegen Laub, sammeln Zigarettenkippen auf und melden kaputte Spielgeräte an das Grünflächenamt. Nachts wird die Eingangstür verschlossen, so dass sich der Vandalismus in Grenzen hält. Im Bezirk war das vor drei Jahren die erste Spielplatzpatenschaft, die Erfahrungen sind ausgesprochen gut. Dennoch, so betonen die Spielplatzpaten, könne es keine Lösung sein, solche Pflichten auf die Bürger abzuwälzen, um noch mehr Gelder zu sparen.
Auch der Krausnickpark in Mitte wird von einem sehr engagierten Bürgerverein betreut. Die kleine Oase im Blockinnenbereich zwischen Oranienburger Straße, Große Hamburger Straße und Krausnickstraße wurde 2007 zur öffentlichen Grünanlage umgestaltet. Schon vorher kümmerten sich die Anwohner um die 8000 Quadratmeter große Fläche – und setzen sich vehement dafür ein, dass diese Idylle mitten in der City nicht zugebaut wird. Immer wieder war die Fläche durch Investoren bedroht, zuletzt wollte ausgerechnet die den Grünen nahe stehende Heinrich-Böll-Stiftung direkt neben den Park einen Neubau hinsetzen.
Initiativen mit Erfolg
Doch allzu viel Eigeninitiative der Bürger ist dann von Seiten der Öffentlichen Hand auch wieder nicht erwünscht. Vor allem die Grünflächenämter tun sich schwer mit der Naturliebe der Berliner: Um jeden Baum, der gefällt werden muss, gebe es eine Auseinandersetzung – weswegen man die Anwohner am liebsten gar nicht informiert. Eher zufällig, durch entsprechend markierte Baumstämme, erfuhr man beispielsweise in Prenzlauer Berg, dass mehr als 20 Traubenkirschen gefällt werden sollten. Standardargument: Die Bäume seien krank, aus Gründen der Standsicherheit müssten sie weg. „Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass für Neupflanzungen kein Geld da ist“, erzählt Wolf Sasse. Mit 70 weiteren Bewohnern der Genossenschaft „Bremer Höhe“ gründete er im Herbst 2007 die Bürgerinitiative „Rettet die Straßenbäume“. Gemeinsam mit dem Bürgerverein Gleimviertel beauftragte man einen Gutachter und konnte erreichen, dass zumindest ein Teil der Bäume gerettet wurde. Ende 2008 beschloss der Bezirk Pankow eine Baumleitplanung. Seitdem hat die Bürgerinitiative mit Unterstützung der Genossenschaft zahlreiche Baumpflanzaktionen auf die Beine gestellt.
Für einen Aufschrei der Empörung sorgte im Sommer 2007 der vorgesehene Kahlschlag entlang des Landwehrkanals. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin wollte bei der Sanierung der maroden Uferanlagen 200 zum Teil sehr alte Bäume fällen. Bei 38 kam – unter Polizeischutz – die Kettensäge zum Einsatz. Mittlerweile läuft ein Mediationsverfahren, bei dem Naturschützer, Initiativen, Reedereien, Bezirk und Senat versuchen, eine Lösung zu finden.
Dabei ist Baumschutz Klimaschutz. Straßenbäume reduzieren die Feinstaubbelastung und produzieren Sauerstoff. Doch allein zwischen 2005 und 2007 ist der Baumbestand um rund 6000 Bäume geschrumpft, hat der Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) errechnet. Gegen den massiven Schwund hat der BUND eine Kampagne gestartet. Das Ziel: 10000 neue Bäume. Gesucht werden Menschen, die das mit Ideen, Aktionen oder Spenden unterstützen.
„Das Engagement der Bürger für die Grünflächen ihrer Stadt ist groß und nimmt seit Jahren zu“, sagt Herbert Lohner, Referent für Naturschutz beim BUND. „Auf der anderen Seite steigt allerdings auch der Druck privater Investoren, die Freiflächen wirtschaftlich zu nutzen.“
In Schöneberg steht sogar eine öffentliche Grünfläche teilweise zur Disposition. Am Barbarossaplatz wird anstelle eines Wohnhauses aus den 60er Jahren ein Neubau errichtet. „Die Baumasse wird deutlich vergrößert“, so Ulrike Kielhorn, Naturschutzreferentin beim Landesverband Berlin des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). „Was aber in diesem dicht bebauten Stadtviertel mit wenig Grün noch gravierender ist: Der Bezirk hat vor, dem Investor für dieses Vorhaben auch einen Streifen des angrenzenden Alice-Salomon-Parks zu verkaufen.“
Insbesondere die sogenannten Townhouses sieht Kielhorn mit kritischen Augen: „Solche Stadtvillen mit großem Flächenverbrauch und privatem Grün nehmen ausgerechnet in der Innenstadt die wenigen noch verbleibenden öffentlichen Grünflächen in Anspruch.“
Mit Zahlen belegen lässt sich die Verdichtung in der Innenstadt nicht. „Es werden ja nicht gewidmete Grünflächen bebaut, sondern freie Flächen“, erklärt Beate Profé von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Die Brachen verschwinden
Fest steht: Gerade in den dicht besiedelten Innenstadtbezirken Friedrichshain und Prenzlauer Berg sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Brachen verschwunden. Diese „inoffiziellen“ Freiräume haben zuvor für Anwohner eine wichtige Rolle gespielt, einige waren zugewuchert und dienten Kindern als Abenteuerspielplatz, andere wurden liebevoll bepflanzt und gehegt. So wurde für die Townhouse-Anlage „Schweizer Garten“ im Bötzowviertel ein verwildertes Grundstück mit dichtem Baumbestand komplett gerodet. Vor einigen Jahren sollte sogar ein Teil des Friedhofs an der Prenzlauer Allee als Bauland verkauft werden. Erst der Widerstand der Anwohner sorgte dafür, dass die Kirche ihre Pläne zurückzog.
Aktuell soll das „Cantiandreieck“ an der Schönhauser Allee 173 verkauft werden. Das Grundstück zählte früher zu den schönsten bepflanzten Flächen in Prenzlauer Berg, mittlerweile wirkt es allerdings arg heruntergekommen.
In vielen anderen Fällen fiel eine zunächst geplante Grünanlage dann doch einer umfänglichen Wohnbebauung zum Opfer oder ein Park fiel kleiner aus als vorgesehen. So auch beim sogenannten Mauerpark: Der soll zwar zum Wedding hin erweitert werden, allerdings wird ein Teil der dafür vorgesehenen Fläche mit Wohnhäusern bebaut. Auch hier wehren sich die Anwohner gegen eine Reduzierung der ursprünglich geplanten Grünfläche.
Andererseits: Selbst da, wo viel Geld in Freiflächen investiert wird, kann das aber ökologisch bedenkliche Konsequenzen haben. Beispiel Gleisdreieck: Mit über zehn Millionen Euro wird dort ein Park angelegt – eine ökologische Ausgleichsmaßnahme für die Bebauung des Potsdamer Platzes. Das verwilderte Gleisdreieck bot wild lebenden Tier- und Pflanzenarten bislang wichtige Rückzugsgebiete. „Die vorhandene Vegetation ist aber fast komplett vernichtet worden, um einen Park nach Designer-Art zu gestalten“, kritisiert Kielhorn. „Dabei hätten extensiv gepflegte Parks und Wildnisflächen den Vorteil, dass ihre Unterhaltung erheblich weniger Geld kostet als die von aufwändig gestalteten Anlagen.“ Mit der artenreichen Vegetation sind auch die bislang dort beheimateten, seltenen Tier- und Pflanzenarten verschwunden. „Was hier als naturschutzrechtliche Ersatzmaßnahme deklariert wurde, war im wahrsten Wortsinn eine Bestandsvernichtung“, so Lohner. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält dagegen, dass es in dem dicht besiedelten Gebiet eben auch an Sport- und Freizeitmöglichkeiten mangelt.
Grünplanung zur Klimapflege
Fest steht: Angesichts des Klimawandels wird die Grünplanung der Stadt an Bedeutung gewinnen. Grünflächen wirken als Frischluftschneisen – wobei gerade auch die kleinen Parks eine wichtige Rolle spielen. Ein Netzwerk aus großen sowie mittleren und kleinen Grünflächen sei für das Klima in der Großstadt am besten, so Klimatologe Dieter Scherer von der Technischen Universität Berlin (TUB). Verteilen sich kleine Parks über eine Metropole, können sie die warme Luft tropischer Sommernächte nämlich viel besser abkühlen als wenige große, stellte der Forscher fest. Während Freiflächen gerade einmal fünf Prozent der von der Sonne eingestrahlten Energie speichern, halten dicht bebaute Städte am Morgen erst einmal die Hälfte der Wärme fest, später sinkt dieser Wert auf 25 bis 30 Prozent. Nachts aber strahlen die Wände die am Tag gespeicherte Energie wieder ab und verhindern so eine kräftige Abkühlung nach Sonnenuntergang. „In extremen Situationen sind die Nächte im Stadtzentrum elf Grad wärmer als im Umland“, erklärt Dieter Scherer. Großstädte bilden daher Wärmeinseln in der sonst kühleren Nacht.
Birgit Leiß/Lars Klaaßen
40 Prozent des Berliner Stadtgebiets sind Grünflächen und Gewässer. Es gibt mehr als 2500 öffentliche Parks und Grünanlagen, über 76.000 Kleingärten und rund 400.000 Straßenbäume. Seit der Wiedervereinigung haben die Grünflächen sogar kräftig zugelegt: von 4200 Hektar im Jahre 1992 auf 6400 Hektar. Dieser Zuwachs geht allerdings größtenteils auf die Übernahme der zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen am nördlichen Stadtrand zurück. Gleichzeitig sind die finanziellen Mittel dramatisch zurückgegangen. Die bezirklichen Grünflächenämter müssen mittlerweile mit insgesamt 1825 Personalstellen auskommen, 1996 waren es noch 5067 Stellen. Die Sachmittel sind im gleichen Zeitraum von 33 Millionen auf 19 Millionen Euro geschrumpft. Standen 1991 noch rund 20 Millionen Euro für Neu- und Umbau von Grünanlagen zur Verfügung, waren es 2001 nur noch 8,6 Millionen. Mittlerweile wird diese Zahl erst gar nicht mehr erhoben. Größere Investitionen sind praktisch nur noch durch die Verwendung von Mitteln aus Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu finanzieren. Nach dem Berliner Naturschutzgesetz sind für unvermeidliche Eingriffe in die Natur durch Straßenneubau oder durch Bauvorhaben von den Investoren Ausgleichsabgaben zu leisten. Diese Gelder werden eingesetzt, um an anderer Stelle in der Stadt Biotope zu verbessern, Flächen zu entsiegeln oder Pflanzungen vorzunehmen. Auch Naturschutzverbände werden damit unterstützt.
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Gemeinschaftsgartenprojekte sorgen nicht nur für Zucchini und Tomaten mitten im Häusermeer, sondern beleben auch die Nachbarschaft. Eines von vielen in Berlin ist „Rosa Rose“. Die Friedrichshainer Aktivisten haben in diesem Frühjahr wieder einmal voller Elan neu angefangen. Auf einem Grundstück im Karree Frankfurter Allee/Jessnerstraße wollen sie den Gemeinschaftsgarten Rosa Rose aufbauen. Es ist nicht ihr erster Start: Schon im Mai 2004 hatten einige Bewohner der Kinzigstraße zur Aktion Nachbarschaftsgarten aufgerufen. Viele Jahre lagen in ihrem Wohnviertel drei nebeneinander liegende Grundstücke brach. Ideen für die 2000 Quadratmeter in einem an Grünflächen armen Stadtteil waren schnell gesammelt. Material dafür wurde gespendet: Mutterboden, Sa-men, kleine Bäume, Sträucher und vieles mehr. Doch 2007 und 2008 wurden die aufblühenden Grundstücke an zwei Investoren verkauft. Dort entstehen jetzt zwei Wohnhäuser mit 17 Eigentumswohnungen samt privatem Garten und Badeteich. Im vergangenen Sommer verließ die Gartengruppe von Rosa Rose den letzten verbliebenen grünen Rest mit einem großen Umzugs-Pflanzenfahrradkorso.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat den Gärtnern eine neue Fläche zur Verfügung gestellt. „Die Zusammenarbeit funktioniert bislang gut, aber in den Anfangsjahren hätten wir uns mehr konkrete Unterstützung statt schöner Worte gewünscht“, sagt Frauke Hehl, die sich schon seit Jahren bei Rosa Rose engagiert. Im Unterschied zu anderen Projekten – wie dem Bethanien, dem Wriezener Freiraumlabor oder den Bäumen am Landwehrkanal – zeichne sich bei Rosa Rose immerhin eine befriedigende Perspektive ab. „Wie der Garten durch die Immobilienprojekte verdrängt wurde, hat dennoch viele Nachbarn schwer getroffen.“ Die älteste der Beteiligten ist 81 Jahre alt. Der alte Garten lag vor ihrem Fenster. Nun muss sie 15 Minuten laufen, um die neue Fläche zu besuchen.
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Der erste Berliner Park war der Große Tiergarten. Einst kurfürstliches Jagdrevier, wurde er vom königlichen Gartendirektor Peter Joseph Lenné von 1832 bis 1840 zu einem Landschaftspark umgestaltet. Von Lenné, der fast ein halbes Jahrhundert lang die Gartenkunst in Preußen prägte, stammen auch die Anlagen von Glienicke und der Pfaueninsel. Diese kunstvoll gestalteten Gärten dienten vor allem als Schmuck und Repräsentation für die Adelsschicht. Erst mit der Ernennung von Gustav Meyer zum ersten städtischen Gartendirektor im Jahre 1870 übernahm das städtische Grün allmählich andere Funktionen. Angesichts der hygienischen und sozialen Missstände im Wohnungswesen wurde die Planung von Grünflächen zu einer sozialen Frage. Es entstanden Volksparks für die breite Bevölkerung, etwa der Friedrichshain oder der Humboldthain. Diese „Volksgärten“ sollten „Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredlung der Sitten“ sein.
Eine stadtgestalterische Spezialität in Berlin sind die Schmuckplätze, etwa der Savignyplatz oder der Viktoria-Luise-Platz. Sie wurden in der Phase der explosionsartig ansteigenden Bautätigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt. Durch ihren dekorativen Charakter sollten sie den Wohnwert des Stadtteils erhöhen und gleichzeitig der Bevölkerung als kleine Oasen der Ruhe dienen. Tagsüber galten strenge Regeln, so durfte der Rasen nicht betreten werden, nachts wurden die Anlagen zum Schutz vor „Gesindel“ abgeschlossen.
Erst in den 20er Jahren entstand eine ganze Reihe großer Volksparks, die eine aktivere Nutzung ermöglichten. Statt „Zierwert“ boten diese Grünanlagen, etwa die Jungfernheide oder die Wuhlheide, vielfältige Spiel- und Sportmöglichkeiten. Aber auch kleinere, wohnortnahe Grünflächen wie der Lietzenseepark oder die Begrünung entlang des Luisenstädtischen Kanals entstanden in dieser Zeit. Viele dieser Parks stammen von Erwin Barth, dem wohl wichtigsten Gartengestalter Berlins im 20. Jahrhundert. Ihm war vor allem daran gelegen, die „kleinen Leute“, die in dicht besiedelten Stadtteilen ohne eigenen Garten lebten, mit Grünflächen zu versorgen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg richteten sich die Bemühungen in beiden Stadthälften auf die Wiederherstellung und Neugestaltung zerstörter Grünanlagen. In West-Berlin wurden über ein Notstandsprogramm der Große Tiergarten und der Humboldthain instand gesetzt. In den 60er und 70er Jahren fielen zahlreiche Kleingärten und landwirtschaftlich genutzte Flächen dem Straßen- und Wohnungsneubau zum Opfer. Erst mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) gewann das städtische Grün in West-Berlin wieder an Bedeutung. Zur Verbesserung des Wohnumfeldes wurden gerade in den dicht bebauten Altbauquartieren Höfe, Dächer und Fassaden begrünt.
Nach dem Mauerfall wurde das Konzept der zwei Parkringe entwickelt, einem inneren und einem äußeren Parkring. Die vorhandenen Volksparks, Kleingärten und Friedhöfe wurden durch neue Anlagen wie dem Mauerpark oder dem Park am Gleisdreieck ergänzt. Auch der zweite Ring am Rande der Stadt wurde durch neue Anlagen wie dem Landschaftspark Rudow-Altglienicke oder den Volkspark Johannisthal ergänzt. Durch Grünverbindungen entlang der Flüsse, Kanäle und entlang von Bahnlinien werden die Parks und Grünanlagen miteinander vernetzt und die Innenstadt mit dem Umland verbunden.
bl
MieterMagazin 7+8/10
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Infos zur Kampagne des BUND
„10000 neue Bäume für Berlin“
unter www.baeume-fuer-berlin.de
Der Tiergarten ist der älteste der Berliner Parks (Plan aus dem Jahr 1793)
Illustration: Wikimedia
27.11.2016