Am 13. Februar 2011 stimmten knapp 666.000 Berliner für die „vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“. 27,5 Prozent der Hauptstadt-Bevölkerung nahm an dem Volksentscheid teil, 98,2 Prozent von ihnen stimmten mit Ja.
„Jetzt geht die Arbeit erst richtig los“, sagt Ulrike von Wiesenau aus dem Sprecherteam des Berliner Wassertischs. Dem Netzwerk sind der Volksentscheid und seine erfolgreiche Durchführung zu verdanken. „Wir sind bereits dabei, die offengelegten Verträge und Vereinbarungen Stück für Stück zu prüfen.“
1999 hatte die damalige schwarz-rote Koalition die Berliner Wasserbetriebe (BWB) teilweise an private Investoren verkauft: 49,9 Prozent der BWB-Anteile hält seitdem ein Konsortium aus RWE Aqua und Veolia Wasser. Die Verträge blieben geheim. Bekannt – und nach der Offenlegung bestätigt – wurde allerdings, dass das Land Berlin RWE und Veolia auf Dauer einen Ausgleich zahlen muss, wenn die Wasserbetriebe nicht genug Geld erwirtschaften, um den beiden Unternehmen einen garantierten Gewinn auszuzahlen. „Diese Gewinnausschüttung wurde von den Berlinern mit um 35 Prozent gestiegenen Wasserpreisen und mit Verlusten bei den öffentlichen Einnahmen bezahlt“, so von Wiesenau. RWE und Veolia seien in zehn Jahren 1,3 Milliarden, dem Land Berlin als Mehrheitseigner dagegen nur 0,7 Milliarden Euro als Gewinne ausgezahlt worden.
Derzeit verhandelt die Senatswirtschaftsverwaltung mit RWE über den Rückkauf der Anteile „mit dem Ziel einer Senkung der überhöhten Wasserpreise“, so deren Sprecherin Brigitte Schmidt. Der Berliner Wassertisch befürchtet allerdings, dass die privaten Eigner sich ihren Ausstieg aus den Wasserbetrieben vergolden lassen und in der Folge die Wasserpreise weiter steigen werden. Auch der Landesrechnungshof warnt vor „erheblichen finanziellen Risiken“ durch einen Rückkauf der BWB. Im April soll RWE 800 Millionen Euro für seine Anteile verlangt haben. Veolia hingegen ist bislang gar nicht zum Verkauf bereit. Deshalb verhandelt das Land mit dem Unternehmen über eine „Anpassung“ des Konsortialvertrags: „Ziel dieser Gespräche ist es, den Einfluss des Landes auf die BWB zu erhöhen, die Wasserpreise zu senken und die erfolgsunabhängigen Gewinngarantien zugunsten des privaten Investors aufzuheben“, betont Schmidt.
Dem Berliner Wassertisch geht es nach wie vor darum, dass die Verträge für nichtig erklärt werden. Nur so könnten die Wasserbetriebe kostengünstig und bürgernah rekommunalisiert werden. Deshalb lehnt das Netzwerk Rückkauf-Verhandlungen vor einer genauen Prüfung der Verträge ab.
Rekommunalisierung durch Rückabwicklung?
Um die kümmert sich nun die vom Wassertisch gegründete Arbeitsgruppe „Klärwerk“: Sie geht derzeit alle veröffentlichten Verträge und Vereinbarungen ab 1999 Paragraf für Paragraf durch. Der Berliner Senat selbst erkenne keine juristisch haltbaren Ansatzpunkte für die Nichtigkeit des Konsortialvertrages, so Schmidt.
Dagegen sieht der Berliner Wassertisch Anzeichen dafür, dass schon beim Bieterverfahren nicht alles korrekt verlaufen ist. Das Netzwerk vermutet zudem, dass noch immer nicht alle vertragsrelevanten Unterlagen öffentlich gemacht wurden. Man wolle keine Rekommunalisierung um jeden Preis, so Wassertisch-Sprecherin von Wiesenau. „Deshalb bereiten wir derzeit eine Klage für die Rückabwicklung der Verträge vor dem Berliner Verfassungsgericht vor.“
Dafür will das Netzwerk Berliner Wassertisch möglichst viele Berliner Abgeordnete gewinnen: Um die Klage einzureichen, bedarf es mindestens 25 Prozent der Parlamentsmitglieder. Wassertisch-Sprecherin von Wiesenau appelliert deshalb auch an die Bürger, ihre Wahlkreisabgeordneten zur Beteiligung an der Klage aufzufordern.
Kristina Simons
MieterMagazin 7+8/11
Transparenz und Klarheit zeichnete die Politik um das Berliner Wasser in der Vergangenheit nicht aus
Foto: Juliane Koch
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Bundeskartellamt prüft Wasserpreise
Das Bundeskartellamt hält die Berliner Wasserpreise im Vergleich zu denen anderer Großstädte für zu hoch und prüft, ob ein Preismissbrauch vorliegt. Ein Kubikmeter (1000 Liter) Trinkwasser kostet in Berlin derzeit 2,17 Euro. Hinzu kommt ein monatlicher Grundpreis, der sich nach der Größe des Wasserzählers und der jährlich verbrauchten Menge richtet. Preissenkungen um bis zu 50 Cent je Kubikmeter seien möglich, so das Bundeskartellamt. Die Berliner Wasserbetriebe bezweifeln die Zuständigkeit der Wettbewerbshüter und haben Klage gegen die Anwendbarkeit des Kartellrechts eingereicht.
ks
01.04.2013