Berlins rot-schwarze Senatskoalition hat beschlossen, dass die sechs städtischen Wohnungsunternehmen 15.000 Wohnungen bauen und dafür 600 Millionen Euro neue Schulden machen sollen. Die Reaktionen der Unternehmen auf diese Maßgabe sind unterschiedlich.
In der Koalitionsvereinbarung haben SPD und CDU 6000 Wohnungen pro Jahr als Ziel ausgegeben, mittlerweile ist aber klar, dass jährlich mindestens 10.000 neue Wohnungen nötig sind. Auch wenn man die durch Um- und Ausbauten hinzugewonnenen Wohnungen dazuzählt, kam Berlin 2012 nur zu einem Plus von 5417 Wohnungen. Der Bau der für den Mietwohnungsmarkt besonders wichtigen Mehrfamilienhäuser hinkt außerdem hinterher. Fast 2000 der neugebauten Wohnungen befinden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern.
Um den Mietwohnungsbau in Gang zu bringen, nimmt der Senat nun die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in die Pflicht. Im Mai wurde beschlossen, dass sie bis 2018 mindestens 775 Millionen Euro für den Wohnungsbau mobilisieren sollen, davon 175 Millionen Euro in Form von Eigenkapital und 600 Millionen Euro durch Kredite.
Der Wohnungsbaugesellschaft Degewo passt die Neuverschuldung nicht ins Konzept. In den vergangenen zehn Jahren hat sie positive Geschäftsergebnisse erwirtschaftet und 600 Millionen Euro Verbindlichkeiten abgebaut, doch ihr Schuldenberg beläuft sich immer noch auf fast zwei Milliarden Euro. Eine neue Kreditaufnahme würde dem Unternehmen zufolge auch daran scheitern, dass die Banken höchstens die Hälfte der Baukosten finanzieren. Die Degewo plant bereits aus eigenen Mitteln den Bau von 3500 neuen Wohnungen bis 2020. Degewo-Vorstand Bielka: „Was wir zum Neubau jetzt brauchen, sind Grundstücke, hier sind die Abläufe noch zu langsam.“
Die wirtschaftliche Aufstellung der Unternehmen ermögliche in einem begrenzten Rahmen auch die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten, erklärt David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, in dem auch die sechs städtischen Gesellschaften organisiert sind. Jedes Unternehmen sollte die Freiheit haben, unter Fortsetzung der eigenen strategischen Aufstellung zu entscheiden, wie etwaige Zielquoten im Neubau zu erfüllen sind, so Eberhart.
Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die den Bau von 3000 neuen Wohnungen beschlossen hat, sieht eine Neuverschuldung weniger kritisch als die Degewo. „Neubau ist ein nachhaltiges Wachstum: Wir schaffen Werte, deshalb kann man sich auch entsprechend neu verschulden“, sagt der Gewobag-Aufsichtsratsvorsitzende Lutz Freitag. Ephraim Gothe, Staatssekretär bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ergänzt: „Das Zinsniveau ist so tief, dass man das nutzen muss, sonst würde man sich später Vorwürfe machen.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 7+8/13
Degewo-Chef Frank Bielka will Grundstücke – keine Schulden
Foto: Nils Richter
16.08.2013