Im letzten Jahr haben 8280 Berliner bei den Jobcentern einen Antrag auf darlehensweise Übernahme ihrer Miet- und Energieschulden gestellt. Dazu kommen 754 Anträge bei den bezirklichen Sozialämtern. Ob man damit Erfolg hat, hängt ganz wesentlich davon ab, in welchem Bezirk man wohnt.
Spitzenreiter bei den Antragszahlen ist mit Abstand Lichtenberg, wie eine Anfrage im Abgeordnetenhaus ergab. Hier wurden im Jahre 2014 über 1800 Anträge beim Jobcenter gestellt. 960 davon wurden abgelehnt. Auch Treptow-Köpenick verzeichnete mit 1237 Anträgen auffällig viele Anträge. Zum Vergleich: In Friedrichshain-Kreuzberg waren es lediglich 224 Haushalte, die sich hilfesuchend an das Jobcenter wandten. Insgesamt wurden bei den Sozialämtern zwei Drittel aller Anträge positiv beschieden, bei den Jobcentern dagegen nur die Hälfte. Besonders restriktiv ist die Bewilligungspraxis in Reinickendorf. Von 647 Anträgen wurden 482 abgelehnt. Die Folge ist in vielen Fällen der Verlust der Wohnung – und die wesentlich teurere Unterbringung in Obdachlosenunterkünften.
„Es ist völlig unverständlich, warum es keine einheitlichen Standards für die Übernahme von Miet- und Energieschulden gibt“, kritisiert der sozialpolitische Sprecher der Piratenfraktion, Alexander Spies, der die Anfrage einbrachte. Er spricht von Willkür und knallharten Sparvorgaben bei den Jobcentern: „Die Gesetze werden unterschiedlich, teilweise willkürlich und zu Ungunsten der Leistungsbeziehenden ausgelegt.“ Nur so sei zu erklären, warum die Chancen auf Übernahme der Schulden beispielsweise in Neukölln deutlich schlechter stehen als in Pankow.
Dass in Lichtenberg ungleich mehr Anträge als im armen Bezirk Neukölln eingehen, hat seinen besonderen Grund. In Lichtenberg gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Jobcenter, Bezirksamt, freien Trägern und der Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Wer Mietrückstände hat, wird an ein Spezialteam überwiesen – und ausführlich über die Möglichkeit eines Darlehens informiert. Ziel ist die Vermeidung der Wohnungslosigkeit beziehungsweise einer Stromsperre.
Eine Lösung für das grundsätzliche Problem ist das aber nicht. Die Darlehen müssen vom Regelsatz abgestottert werden, so dass immer mehr Leistungsbezieher in die Armutsspirale abrutschen. Langfristig helfen nur Hartz-IV-Regelsätze, die die steigenden Energie- und Mietkosten abdecken.
Birgit Leiß
01.07.2015