Der Eigentümer der Wilhelmstraße 56-59 in Mitte macht Druck, um den geplanten Abriss voranzutreiben. Mehr als ein Dutzend Mieter beharren auf ihren Mietverträgen und wollen nicht weichen. Vom Senat, der das Abriss- und Neubauvorhaben bisher befürwortete, bekamen sie jetzt ungeahnte Schützenhilfe.
Im April begannen Bauarbeiter damit, an der Rückseite des 25 Jahre alten Plattenbaus Fassadenplatten abzuschlagen – zur Gefahrenabwehr, behauptet der Eigentümer. Die Keramikplatten hätten sich gelockert. Die Bürgerinitiative Wilhelmstraße wirft dem Eigentümer jedoch vor, illegal mit dem Abriss begonnen zu haben. An der Fassade habe es keine Schäden gegeben.
36 von einst knapp 100 Mietparteien wohnen noch in dem Haus. Mit 23 von ihnen hat sich der Eigentümer angeblich auf einen Auszug gegen Zahlung einer Prämie geeinigt. Die übrigen Mieter wollen aber bleiben. Und ihre Chancen stehen gut. Ihre Mietverträge sind unanfechtbar und bei der Privatisierung der ehemaligen WBM-Wohnanlage erhielten sie darüber hinaus einen weitreichenden Mieterschutz. So lange sie auf der Erfüllung ihres Mietvertrages bestehen, kann das Haus nicht abgerissen werden.
Der Eigentümer, der das Haus erst im vergangenen Jahr gekauft hatte, möchte aber schon im August den Bagger anrollen lassen. Geplant ist der Neubau eines „Palais Berlin“ mit 166 Luxuswohnungen, Nettokaltmiete: 20 Euro pro Quadratmeter. Um den engen Zeitplan einzuhalten, wollte der Eigentümer sogar beim Senat die Aufhebung der Mietverträge beantragen. Weil die Wohnanlage im Entwicklungsbereich „Parlaments- und Regierungsviertel“ liegt, wäre das theoretisch möglich. Doch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel erteilte dem eine Absage, denn das Entwicklungsziel Wohnen sei durch das bestehende Gebäude erfüllt. Die Bürgerinitiative warnt den Eigentümer vor weiteren Demolierungen am Haus und bekräftigt: „Kein Mieter muss ausziehen. Kein Haus wird abgerissen.“
Ein Abriss der Wilhelmstraße 56-59 wäre für das bezahlbare Wohnen in der Innenstadt ein fatales Signal. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Eigentümer der übrigen Plattenbauten an der Wilhelmstraße diese rund 1000 Wohnungen ebenfalls über kurz oder lang abreißen möchte, um die Filetgrundstücke weit profitabler zu verwerten.
Jens Sethmann
30.03.2024