Das Geschäft mit der Vermietung von Wohnungen an Touristen brummt. Ein vor zwei Jahren erlassenes Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum sollte das grundsätzlich unterbinden. Doch seinen Zweck erfüllt das Verbot nicht. Eine Studie zeigt auf, dass es in etlichen Bezirken mehr Ferienapartment- als Wohnungsangebote gibt. Eine weitere belegt: In keiner anderen Stadt in Deutschland gibt es so viele inoffizielle Übernachtungsangebote im Verhältnis zur Bewohnerzahl. Wohnungssuchende konkurrieren also nicht mehr nur mit anderen Wohnungssuchenden, sondern mit Berlins Besuchern. Angekurbelt wird das Geschäft von Internetplattformen wie „airbnb“, dem Marktführer für die unkomplizierte Vermittlung von Übernachtungsgästen.
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
„Ben´s Rooftop“, eine noble Dachetage in der Görlitzer Straße in Kreuzberg mit Parkblick, kann der Berlinbesucher für 139 Euro pro Nacht buchen. Hinzu kommen die Kosten für die Reinigung und eine „Servicegebühr“. Die fließt an den Vermittler, das weltweit tätige Internet-Unternehmen „airbnb“, das auf seiner Plattform Touristen mit Anbietern von Übernachtungsquartieren zusammenbringt. Die einen suchen die preiswerte, stimmungsvolle, kiez-authentische und city-nahe Unterkunft, die anderen einen schnellen Verdienst. An beidem verdient airbnb: Um die 10 Prozent des Gesamtbetrags macht die Vermittlungscourtage aus. Dafür hat das Unternehmen nach eigenen Angaben auf seinem Portal weltweit eine Million Übernachtungsangebote in 190 Ländern – von „ganzen Unterkünften“ bis „Gemeinschaftszimmer“, abrufbar nach gewünschtem Aufenthaltstermin, Ausstattung, Größe, Umgebung, Preispanne und anderem mehr.
Ein Berlin-Besucher, der knapp bei Kasse ist, findet auch schon mal ein 20-Quadratmeter-Apartment mit zwei Doppelstockbetten für 39 Euro die Nacht. Es liegt nur einen Steinwurf von Ben`s Rooftop entfernt, allerdings: erste Etage im Hinterhof. Richtig Luxus verspricht das 200 Quadratmeter große Loft in Kottbusser-Damm-Nähe für 1600 Euro pro Nacht. Und wer dort eincheckt, hat noch längst nicht die teuerste Bleibe gewählt: 2525 Euro kostet es, sein Haupt in der ehemaligen Direktorenvilla der früheren Schultheißbrauerei am Victoriapark zu betten – Kategorie der Unterkunft: „Schloss“. Angebote im drei-, gar vierstelligen Euro-Bereich sind zwar eher selten, aber deutlich häufiger als Angebote unter 40 Euro.
Ein studentisches Projekt im Fachbereich Design der Fachhochschule Potsdam („airbnb vs. Berlin“) hat 11.701 Wohneinheiten mit 34.418 Schlafplätzen in Berlin im Angebot von airbnb ermittelt. Zählt man angebotene Zimmer nicht mit, sondern nur komplette Wohnungen, so liegt deren Zahl immer noch bei 7714. Von der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlichte aktuellere Zahlen, die das Vermittlungsportal selbst genannt haben soll, nennen für Berlin sogar 13.802 Unterkünfte, davon 9467 komplette Wohnungen. Demnach ist jede 200ste der knapp 1,9 Millionen Berliner Wohnungen auf airbnb gelistet – ein halbes Prozent des Bestands. Klingt nach wenig, ist es aber nicht. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild: „Gemessen an den im Jahr 2014 neu gebauten 5200 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern – und das war ein Rekordjahr – sind knapp 9500 illegale Ferienquartiere eine beachtliche Zahl.“ Und diese wachse, so Wild, nach wie vor rasant.
Spitzenreiter Reuterkiez
Ebenso zu denken gibt ihm die lokale Verteilung der Übernachtungsquartiere. Die Potsdamer Studierenden, die auch dieses Phänomen untersucht haben, kamen zu dem Ergebnis: Schwerpunkte sind die hippen Viertel von Friedrichshain, Kreuzberg, Neukölln und Prenzlauer Berg. Den Spitzenreiter stellt der Neuköllner Reuterkiez mit 467 Wohnungen und Zimmern dar, die sich in nur wenigen Straßen konzentrieren. Ganz vorn im Geschäft sind auch der Kreuzberger Graefekiez und der Helmholtzkiez im Ortsteil Prenzlauer Berg. In all diesen Vierteln kommen 16 bis 17 Gastquartiere auf 1000 Einwohner. BMV-Chef Reiner Wild: Gerade in den innerstädtischen Quartieren, wo die Mietpreisentwicklung in den letzten Jahren ohnehin jede Bodenhaftung verloren hat, wird das Angebot durch die Ferienwohnungen zusätzlich verknappt.“ Das treibt nicht nur die Mietpreise nach oben, sondern bringt die Wohnungssuchenden in die Situation, nun auch noch mit den Gästen der Hauptstadt konkurrieren zu müssen.
Wie sehr das Berliner Ferienwohnungsangebot zu Lasten Wohnungssuchender geht, untermauert eine im Frühjahr veröffentlichte Studie des Kautionsbürgschaftsanbieters „plusForta“. In der ersten Märzwoche zählte man die Mietwohnungsangebote des Marktführers „Immobilienscout“ für die Ortsteile Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg – wohl auch hier nicht zufällig die auf dem Wohnungsmarkt besonders nachgefragten Viertel – und stellte sie in Relation zu den Ferienwohnungsangeboten zur gleichen Zeit an den gleichen Orten bei airbnb. Ergebnis: In Kreuzberg gab es mit 631 Touristen-Unterkünften fast dreimal so viele wie freie Wohnungen (235). Das Übergewicht bestand auch in zwei weiteren untersuchten Gebieten. Im Bezirk Mitte war das Ferienwohnungsangebot (512 Wohnungen) geringfügig kleiner als die Anzahl der vermietbaren Wohnungen (596).
102 zu 1
Die Berliner Designerin Alice Bodnar hat in einer Infografik dargestellt, wo überall sich im Kreuzberger Wrangelkiez, dem Standort der eingangs erwähnten Touristen-Unterkunft „Ben‘s Rooftop“, Ferienwohnungen befinden. Sie liegen in der Karte dicht an dicht: 102 an der Zahl. Ihnen gegenüber steht ein einziges Wohnungsangebot. Ein neuer Begriff macht die Runde: Touristification – eine Verdrängung der angestammten Bevölkerung analog zur Gentrification. Allerdings sind in diesem Fall nicht wohlhabende Wohnungsnachfrager die Verdränger, sondern die Internationale der Rollkoffer-Reisenden.
Aufgerüttelt von einer zunehmenden Vermietung von Wohnraum als Urlaubsquartiere bei gleichzeitig galoppierender Wohnungsnot hat der Berliner Senat 2013 ein Zweckentfremdungsverbot erlassen, das dem unkontrollierten Treiben ein Ende bescheren sollte. Die Vermietung von Wohnungen für touristische und andere als Wohnzwecke ist seither nur noch in einem engen Rahmen möglich. Bisherigen Anbietern von Touristenquartieren wird noch eine Frist bis Mai 2016 eingeräumt, vorausgesetzt, sie haben die Fremdnutzung ihren Bezirksämtern angezeigt und eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Bis Ende 2014 gingen in den Behörden 6114 Meldungen ein – die niedrigste Schätzung geht allerdings von 12.000 bis dahin als Ferienobjekte vermieteten Wohnungen aus. Die Vermutung liegt nahe, dass das Geschäft unbeirrt weiterläuft – nun aber im illegalen Bereich.
Ein besonderes Ärgernis ist der Geschäftserfolg von Plattformen wie aribnb, Wimdu und 9flats dem professionellen hauptstädtischen Herbergs-Gewerbe. Durchschnittlich 55 Euro legt der Besucher in Berlin für ein airbnb-Bett auf den Tisch, Hotels und Pensionen berechnen im Schnitt knapp 80 Euro für die Nacht. Würden alle Angebote der Internetplattform airbnb in Berlin gleichzeitig in Anspruch genommen, käme ein Umsatz von 645.000 Euro zustande und eine Einnahme von rund 60.000 Euro für den Internet-Vermittler allein aus der deutschen Hauptstadt – und zwar täglich. Geschätzter jährlicher Umsatzverlust der Berliner Hoteliers: über 300 Millionen Euro.
Wie hoch der Umsatz des Branchen-Primus airbnb tatsächlich ist, ist nicht zu erfahren. Die für Deutschland zuständige Unternehmenssprecherin Jana Nörenberg zum MieterMagazin: „Wir veröffentlichen keine Umsatz- und Übernachtungszahlen.“ Wie viele unerlaubte Frermdnutzungen über airbnb und andere Anbieter mit gleichem Geschäftsmodell vermittelt werden, weiß ebenfalls keiner. Doch es liegt nahe, dass die Internetplattformen wegen des einfachen Marktzugangs für die Betten-Anbieter auch die Hauptvermittler im illegalen Geschäft sind. Für welche der angebotenen Wohnungen eine Beherbergungsgenehmigung vorliegt und für welche nicht, ist für die Behörden auf den Internet-Seiten nicht erkennbar, denn die genauen Adressen der Objekte werden ebenso wenig genannt wie die Klarnamen der Anbieter.
Kommerzielle Anbieter am Werk
Gleichfalls im Dunkeln bleibt, wer das Business gewerblich betreibt und für wen es eher ein gelegentliches „Mitnahmegeschäft“ ist. Die Potsdamer Fachhochschüler sehen etliche „große Fische“ am Werk. Ein Indiz für die professionelle Vermietung ist für sie, wenn der Inserent mehr als nur ein Zimmer oder eine Wohnung vermietet: Das sind rund 10 Prozent der Anbieter auf airbnb. Ein Anbieter hat in Berlin 44 Wohnungen im Angebot. Die Potsdamer: „Es ist offensichtlich, dass hinter einer solchen Anzahl ein kommerzielles Gewerbe steht.“
Aufschlussreich ist auch, dass die „Top Ten“ der Berliner Anbieter ihre Übernachtungsangebote nicht in den Touristen-Hot-Spots haben, sondern in zentrumsferneren Quartieren, in denen sich Wohnraum zurzeit noch einigermaßen preiswert erwerben lässt. Da hat womöglich mancher Immobilienkäufer auf Schnäppchentrip von vornherein die illegale Wohnungsvermietung an Touristen im Geschäfts-Blick.
Anders verhält es sich bei Carlos*. Er offeriert sein kleines Apartment am Mehringplatz, den er in seiner Internet-Beschreibung zu „Kreuz-Mitte“ adelt, für 35 Euro pro Nacht vorzugsweise an „party-people“. Er ist ein kleiner Fisch, der sich auf diesem Weg ein Zubrot verdient, aber gleichfalls gegen das kommunale Verbot der Zweckentfremdung verstößt. Carlos riskiert die fristlose Kündigung (siehe Kasten). Doch bange ist ihm offensichtlich nicht. Die ins Netz gestellten Fotos lassen recht gut erkennen, wo man klingeln muss, um bei ihm vorstellig zu werden. Aber vorstellig wurde bei ihm noch keiner, auch nicht das städtische Wohnungsunternehmen, an das er seine Miete überweist. Das ist allerdings formal für die Ermittlungen von zweckfremden Nutzungen auch gar nicht zuständig.
Der Pressesprecher der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen, David Eberhart: „Das Auffinden von Ferienwohnungen ist nicht unsere Aufgabe, sondern Sache der Bezirksbehörden.“ Die Sprecherin des Wohnungsunternehmens Gewobag, Gabriele Mittag, in deren Bestand Carlos seine Partygänger-Herberge betreibt: „Wenn wir von einer Zweckentfremdung erfahren, werden die Mieter natürlich abgemahnt.“ Ob oder wie häufig das schon der Fall war, ist der Sprecherin aber nicht bekannt.
Es bedürfte allerdings auch einer gewissen detektivischen Energie, wollte man aus angegebener Lage, Objektbeschreibung und Bildmaterial die konkrete Adresse des Angebots ermitteln. Und da winken die meisten der für die Verfolgung der Zweckentfremdung verantwortlichen Stellen ab: zu aufwendig bei der derzeitigen Personalausstattung. Stephan von Dassel, Bezirksstadtrat für Soziales und Bürgerdienste in Mitte hat jetzt „mit viel Mühe“ sechs Mitarbeiter für die Verfolgung von Zweckentfremdungen abgestellt, nötig wären acht. Das amtliche Vorgehen sei langwierig, abgeschlossene Verfahren sind noch keine zu vermelden. Eine „normale Recherche“ im Internet führe zu nichts. Und die „professionelle Auslesung“ – die Zusammensetzung von Hinweisspuren im Internet durch spezielle Computer-Software, die die kompletten Internetseiten der Vermittler durchkämmt – versagt ihm bislang der Datenschutz. Der lässt eine Recherche im Netz zwar zu, es muss aber ein „Anfangsverdacht“ für eine Ordnungswidrigkeit vorliegen.
Veto des Datenschützers
Doch weil das elektronische Fahndungsraster die Speicherung und Abgleichung des beständig wechselnden Angebots auf den Vermittler-Seiten erfordern würde, spricht Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix ein Veto aus: „Die Speicherung personenbezogener Daten aller angebotenen Ferienwohnungen auf Vorrat ist unzulässig, weil nicht alle im Internet angebotenen Wohnungen unter das Verbot fallen.“ Stephan von Dassel will hartnäckig bleiben: „Unser Ziel ist es, dass wir diese im Prinzip einzige Vermarktungsplattform auswerten können.“ Welches Potenzial in den zweckfremd genutzten Gästebetten liegt, weiß der Stadtrat auch: „Allein die 1500 Wohnungen, für die es offiziell bis zum April 2016 einen Bestandsschutz als Ferienwohnung gibt, würden theoretisch ausreichen, um allen in Notunterkünften in Mitte untergebrachten Obdachlosen und Flüchtlingen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.“
Angesprochen auf die mögliche Zweckmäßigkeit einer Internet-Recherche winkt der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing währenddessen ab: „Wir springen nicht auf jedes Pferd auf.“ In seiner Behörde gehen monatlich durchschnittlich 44 Zweckentfremdungsanzeigen von außerhalb ein, doch Blesing gibt sich wenig kämpferisch: „Die Verordnung hat eine Reihe von Schlupflöchern gelassen – wer es darauf anlegt, findet die auch.“ Seit Oktober 2014 wurden in seinem Haus neun Verfahren abgeschlossen. In fünf Fällen hat keine Zweckentfremdung vorgelegen. In den vier Fällen, wo eine solche nachgewiesen werden konnte, haben die Eigentümer eine nachträgliche Genehmigung auf eine Ausnahmeerlaubnis gestellt. Und wurde sie ihnen erteilt? „Ist noch nicht entschieden“, sagt der Neuköllner Stadtrat.
Falls ja, wäre das allerdings fatal. Der anonym bleiben wollende Behördenmitarbeiter eines anderen Bezirks ist der Meinung, dass die flächendeckende Auskundschaftung unerlaubter Wohnungsnutzungen nicht nur organisatorisch unmöglich ist, sondern vor allem auch fragwürdige überwachungsstaatliche Mechanismen in Gang setzen würde. Er hält Überzeugungsarbeit für den richtigen Weg: Viele Anbieter illegaler Ferienwohnungen hätten keinerlei Unrechtsbewusstsein. Um das zu schärfen, brauche es aber auch ein erzieherisches Signal: Wer erwischt wird, soll zur Rechenschaft gezogen werden.
Udo Hildenstab
* Name von der Redaktion geändert
Auf der Luftmatratze zum Global Player
„airbed and breakfast“ („Luftmatratze und Frühstück“) nannte sich das klassische Start-up, dass von drei Jungunternehmern im kalifornischen San Francisco 2008 gegründet und dessen Markenname im Jahr darauf auf „airbnb“ verkürzt wurde. Die anfänglich der gemeinsinnigen „shared economy“, dem Teilen von Gütern, verpflichtete Idee entwickelte sich schnell zum profitablen Geschäft.
Während aus dem Unternehmen keinerlei Finanzinformationen nach außen dringen, schätzen Experten seine Einnahmen auf 250 Millionen US-Dollar im Jahr 2013. Den Wert des vor einem Börsengang stehenden Unternehmens bezifferten Investoren im März 2015 auf 20 Milliarden Euro. Die drei Gründer Gebbia, Chesky und Blecharczyk (Foto rechts) stehen mit einem Vermögen von jeweils 1,9 Milliarden Euro auf Platz 54 der reichsten Leute der Welt („Forbes-Liste“).
Airbnb hat in diversen Ländern Ärger mit den Behörden. Der Vorwurf: Das Angebot provoziere Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, das Steuerrecht und das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – das es übrigens nicht nur in Berlin und anderen deutschen Städten gibt, sondern in ähnlicher Form auch in New York, Barcelona, Paris und anderswo.
In Berlin versuchte airbnb jüngst mit einer bei dem Wohnungsmarktforschungsinstitut Gewos in Auftrag gegebenen Studie Stimmung gegen das Verbot der Zweckentfremdung zu machen. Tenor: Die Verordnung kriminalisiere eine kleine Schar von Leuten, die sich ein bescheidenes Zubrot mit ihrer Wohnung verdienen würden. Der geringe Umfang der Vermietungsaktivitäten würde den Berliner Wohnungsmarkt in keiner Weise tangieren.
uh
Die bestehenden Regelungen reichen nicht
MieterMagazin: Das Zweckentfremdungsverbot erweist sich beim Vorgehen der Ämter gegen die Anbieter von illegalen Ferienwohnungen als Papiertiger. Der Mieterverein kritisiert, dass damit auch Leerstand und andere Zweckentfremdungen nicht wirksam bekämpft werden. Was tun?
Reiner Wild: Das Verbot der Zweckentfremdung greift bislang nicht – nicht weil es keine Zweckentfremdung gibt, sondern weil sie nicht konsequent verfolgt wird oder verfolgt werden kann. Die Rechtsregelungen müssen geschärft werden wie zum Beispiel in Hamburg, wo schon die Werbung im Internet ein Hinweis auf zweckfremde Nutzung ist. Auch muss die Zeit, ab der ein Leerstand untersagt werden kann, auf drei Monate reduziert werden. Im Übrigen ist Abriss dann zu verbieten, wenn die Neubaumieten die bisherigen Mieten um mehr als eine durchschnittliche Modernisierungsmieterhöhung übersteigen.
MieterMagazin: Sozialstadtrat Stephan von Dassel vom Bezirksamt Mitte hat im vergangenen Jahr den anderen Bezirken angeboten, die Verfolgung des Zweckentfremdungsverbots zentral in seiner Behörde zu organisieren. Die Bezirke haben abgelehnt. Wäre eine Zentralisierung die richtige Lösung gewesen?
Reiner Wild: Ich meine ja, denn in einer Behörde hätte man mehr höher qualifiziertes Personal mitfinanzieren können. Zudem wäre der Austausch unter den Mitarbeitern unkomplizierter, die Verstöße gegen das Verbot vermutlich rascher und koordinierter zu verfolgen.
Bei immer weitergehenden Anforderungen an die Verwaltung zur Bearbeitung der Wohnungsmarktprobleme sollte auch die erneute Einrichtung eines Landesamtes für Wohnungswesen überlegt werden.
MieterMagazin: Gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten, die Aktivitäten der Vermittlungsportale zu beschränken – schließlich leisten sie einem Gesetzesverstoß Vorschub?
Reiner Wild: Doch, nur nicht in den bestehenden Rechtsregelungen zum Verbot der Zweckentfremdung in Berlin. Man müsste eine Art Beihilferegelung aufnehmen, wie wir es etwa bei der Rolle der Vermieter im neugeschaffenen Bestellerprinzip bei der Maklerprovision haben. Demnach wäre auch die Beihilfe für Verstöße gegen das Verbot der Zweckentfremdung bußgeldbewehrt.
Interview: Udo Hildenstab
Ihr Recht: Was geht und was nicht
Wer als Mieter seine Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters an Touristen weitervermietet, geht ein hohes Risiko ein. Dem Landgericht Berlin genügte bereits, dass ein Mieter seine Wohnung fortgesetzt nach Abmahnung durch den Vermieter auf einer Internetplattform annoncierte, um dem Vermieter das Recht auf eine fristlose Kündigung zuzubilligen (AZ 67 T 29/15, MieterMagazin 4/2015, Seite 30).
In Berlin kann ein Eigentümer dem Mieter auch nicht erlauben, seine Wohnung an Touristen weiterzuvermieten, denn dann würde er eine Nutzung dulden, die ihm nach der Zweckentfremdungsverbotsverordnung untersagt ist. Nicht nur er selbst darf seinen Wohnraum nicht als Touristenunterkunft anbieten, er darf es auch keinem anderen erlauben. Ob Mieter oder Eigentümer: Ein Zimmer oder einen Teil der Wohnung an Touristen zu vermieten ist wiederum erlaubt, solange die vermietete Fläche nicht mehr als die Hälfte der Wohnung ausmacht. Mieter brauchen aber auch für eine Teilvermietung die Zustimmung des Eigentümers.
Liegt eine Zweckentfremdung vor, gilt das als Ordnungswidrigkeit und kann bis zu 50 000 Euro teuer werden. Das droht gegebenenfalls nicht nur dem Vermieter, sondern auch einem Mieter, der Übernachtungen gegen Bares anbietet. Von einer – in Berlin unerlaubten – „touristischen Überlassung“ geht man bis zu einem Zeitraum von zwei Monaten aus. Was darüber liegt, betrachtet man als von der Zweckentfremdungsverbotsverordnung unberührtes Miet- beziehungsweise Untermietverhältnis. Für ein Untermietverhältnis braucht der Mieter bekanntlich auch das schriftliche Einverständnis des Vermieters.
uh
16.07.2018