Zum neuen Job wird nicht selten auch eine Wohnung gebraucht. Wenn sich nichts findet, kann es sein, dass die Arbeitsstelle unbesetzt bleibt. So greifen erste Arbeitgeber beim Kampf um gute Mitarbeiter auf ein altbekanntes Mittel zurück: Sie locken mit Werkswohnungen. Das ist für beide Seiten von Vorteil – und entlastet dazu den Wohnungsmarkt.
Der Arbeitstag eines Bäckers beginnt in den späten Nacht- oder sehr frühen Morgenstunden. „Wer nimmt denn dazu noch eine weite Anfahrt in Kauf?“ fragt Arnt von Bodelschwingh, Geschäftsführer des Berliner Forschungsinstituts RegioKontext. In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung stellen er und seine Mitarbeiter auch die Lösung vor, die die Bäckerei Märkisches Landbrot für das Problem fand. Um Fachkräfte für den mittelständischen Handwerksbetrieb zu finden, erwarb der Geschäftsführer zusammen mit zwei Partnern bereits 2007 ein Mietshaus in Neukölln, ganz in der Nähe des Firmensitzes. Wenn eine der 33 Wohnungen frei wird, bietet er sie bevorzugt und vergleichsweise preisgünstig den eigenen Mitarbeitern an.
So wie die traditionsreiche Bäckerei stellen derzeit auch andere Unternehmen Überlegungen an, wie dem Fachkräftemangel zu begegnen ist. Vor allem in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin greifen sie dabei nach und nach wieder auf ein Instrumentarium zurück, das bereits vor über 100 Jahren eingesetzt wurde, um Arbeitskräfte zu finden und ans Unternehmen zu binden: Werkswohnungen.
Arbeitsmarkt bestimmt den Wohnungsmarkt
Von Bodelschwingh: „Menschen zieht es ja aus ganz unterschiedlichen Gründen in bestimmte Regionen oder Ballungsgebiete. Aber an vorderer Stelle stehen der Job oder ein Studienplatz. So bestimmt der Arbeitsmarkt ganz entscheidend den Wohnungsmarkt mit.“
Auf dem machen sich heute nicht nur fehlende Sozialwohnungen bemerkbar, sondern auch der Verkauf Tausender Werkswohnungen zumeist an private Immobilienunternehmen in den zurückliegenden 30 Jahren. Bis zu 450.000 Werks-Unterkünfte hatte es noch gegen Ende der 1970er Jahre in der alten Bundesrepublik und West-Berlin gegeben. Die gehörten zuallererst der Deutschen Post, der Deutschen Bahn, aber auch anderen Wirtschaftsunternehmen.
Die Untersuchung „Wirtschaft macht Wohnen“, die RegioKontext im Auftrag eines Bündnisses von Verbänden der Bauwirtschaft, des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der IG Bau und des Deutschen Mieterbundes erarbeitet hat, macht den aktuellen Bedarf deutlich: „Mitarbeiterwohnungen sind heute wieder ein Thema“, so Bodelschwingh. Sowohl für den kleineren Bäckereibetrieb als auch für den großen Flughafen.
„Dabei entstehen auch neue Formen der Kooperation“, so Bodelschwingh. Da der Bau von Werkswohnungen nicht gerade zur Kernkompetenz vieler Unternehmen gehört und die wenigsten über Bauland verfügen, realisieren die ihren Bedarf beispielsweise in Zusammenarbeit mit einem kommunalen Wohnungsbauunternehmen oder einer Genossenschaft. Auf jeden Fall, so das Fazit der Untersuchung, zeige das Engagement eine entgegenkommende Haltung zur den eigenen Mitarbeitern, es führe nicht zuletzt auch zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance, wie Christoph Deinert aus der Geschäftsführung des Bäckereibetriebes Märkisches Landbrot betont.
Rosemarie Mieder
Stromanbieter baut Wohnraum
Die Stadtwerke München (SWM) haben sich immer ihr Kontingent von 550 unternehmenseigenen Werks-Unterkünften erhalten. Bei der dramatischen Marktlage und dem enormen Preisanstieg in der Stadt liegt eine lange Warteliste für die wenigen frei werdenden Wohnungen auf deren Tisch. Da das Unternehmen über eigene Grundstücke verfügt, wurde beschlossen, neu zu bauen. Für die Gewinnung von Arbeitskräften sei es „elementar“, Wohnraum anzubieten, erklärte dazu die Geschäftsführung.
rm
„Wirtschaft macht Wohnen“-Studie unter: www.regiokontext.de
23.12.2018