Dieser Artikel behandelt folgende Themen:
- Muellentsorgung – einst und heute
- Hauptstadt des Mülls –
Die Berliner verursachen zu viel Müll und trennen ihn zu wenig - Kunststoff ist Krisenstoff –
Plastikabfälle haben sich bis in die entlegendsten Gebiete der Erde ausgebreitet - Treibstoff- und Kompostlieferant –
Biomüll hat Potenzial, wenn Staat und Verbraucher mitmachen - Gefahr in Verzug –
Sondermüll braucht eine gesonderte Erfassung und besondere Behandlung - Vandalen am Werk –
Illegale Müllablagerung ist rücksichtslos zu Mitmensch und Umwelt
Müllentsorgung einst und heute
Im 19. Jahrhundert wurde die Müllabfuhr in Berlin noch von rund 60 privaten Fuhrunternehmern erledigt. Den größten Teil des eingesammelten Abfalls verkauften sie als Dünger, den Rest kippten sie in die Spree oder in die Landschaft. 1887 begann die Stadt, Müllabladeplätze einzurichten.
Alternativen zur Mülldeponie hat man in Berlin schon früh gesucht. Experimente zur Müllverbrennung scheiterten 1894 noch, weil der Berliner Müll zur Hälfte aus Asche und Staub bestand und nahezu unbrennbar war. Funktionierende Müllverbrennungsanlagen gingen erst 1967 in Ruhleben und 1974 an der Rhinstraße in Betrieb.
In Sachen Mülltrennung war die Stadt Charlottenburg 1903 Vorreiter. Erstmalig in Deutschland wurden Küchenabfälle, Asche und Gerümpel getrennt gesammelt und verwertet. Ab 1971 wurde in der DDR ein ausgefeiltes Recyclingsystem zur Sammlung von sogenannten Sekundärrohstoffen („SERO“) aufgebaut.
Die 1992 eingeführte Mülltrennung im „Dualen System“ beendete das Monopol der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Für den Verpackungsmüll war die Firma Duales System Deutschland (DSD) zuständig, die mit der Abholung der gelben Tonnen die private Alba beauftragt hat. Das Altglas entsorgt im DSD-Auftrag die BSR-Tochter Berlin Recycling (BR). Um das Altpapier konkurriert die BR mit Alba und anderen privaten Firmen. Die Biotonnen leert die BSR.
Biotonnen sind bundesweit eigentlich schon seit 2015 Pflicht, in Berlin werden sie aber erst Anfang 2019 flächendeckend eingeführt.
Die Europäische Union spielt in Sachen Müll eine große Rolle. So hat der Rat der EU im Mai neue verpflichtende Recyclingziele verkündet: Ab 2025 müssen mindestens 55 Prozent des Siedlungsabfalls recycelt werden.
Müllvermeidung ist hingegen weiter Privatsache. Immer mehr Menschen versuchen nach dem Prinzip „Zero Waste“ („Null Müll“), möglichst gar keinen Abfall mehr zu produzieren – also keine abgepackten Dinge zu kaufen, immer mit Stoffbeutel einzukaufen, den Kaffee to go im eigenen Becher mitzunehmen und vieles mehr.
Im Mai forderte das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat auf, Strategien zur Abfallvermeidung zu entwickeln, die sich am „Zero Waste“-Leitbild orientieren. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop erklärt, im Haushalt sei rund eine Million Euro für Aktivitäten zur Müllvermeidung eingestellt worden.
Jens Sethmann
Hauptstadt des Mülls –
Die Berliner verursachen zu viel Müll und trennen ihn zu wenig
Jeder Berliner produziert pro Jahr 380 Kilogramm Müll. Mitte der 80er Jahre waren es in West-Berlin noch 450 Kilogramm pro Kopf. Im Osten war das Müllaufkommen mit 270 Kilogramm pro Einwohner deutlich geringer, glich sich aber nach dem Fall der Mauer schnell an das West-Niveau an. Obwohl die Berliner in Sachen Abfallvermeidung Fortschritte machen, gehören sie im Bundesvergleich immer noch zu den größten Müllverursachern.
Bei der Mülltrennung schneiden die Berliner besonders schlecht ab. Während der durchschnittliche Bundesbürger im Jahr 148 Kilo an Wertstoffen sammelt, sind es beim Hauptstädter nur 90 Kilo – 47 Kilo Altpapier, 25 Kilo Verpackungen und Kunststoffe sowie 18 Kilo Altglas. Bei Biomüll sind es in Berlin sogar nur 37 Kilo pro Kopf gegenüber 123 Kilo im Bundesmittel. Und so kommt es auch, dass jeder Berliner im Jahr 231 Kilo in die Restmülltonne wirft – 45 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt.
Die gesammelten Abfälle lassen sich mal mehr, mal weniger gut verwerten. Am aufwendigsten ist das Recycling der Abfälle aus der Wertstofftonne. In Sortieranlagen werden die Materialien getrennt. Metalle wie Weißblech und Aluminium lassen sich relativ leicht herauslösen und können wieder in die Stahl- und Aluminiumproduktion eingebracht werden. Kunststoffe müssen schon aufwendiger behandelt werden, um als Granulat wieder in der Kunststoffproduktion Verwendung zu finden („Kunststoff ist Krisenstoff“ auf Seite 29).
Getränkekartons werden gehäckselt und in Wasser aufgeweicht, bis sich die Aluminium- und Plastikschichten ablösen. Die Folienbestandteile werden bei der Zementherstellung verwendet, die Pappe wird in der Papierindustrie recycelt.
Das in der blauen Tonne gesammelte Altpapier wird gepresst und zu einem Faserbrei verarbeitet, der direkt zu neuem Papier verarbeitet wird. Bei jedem Recyclingvorgang müssen durchschnittlich 20 Prozent frische Holzfasern hinzugefügt werden.
Glas lässt sich ohne Qualitätsverlust zu 100 Prozent recyceln. Das gesammelte Altglas wird in einer Aufbereitungsanlage zerkleinert, von Deckeln, Etiketten und anderen Fremdstoffen gereinigt und dann in der Glasfabrik eingeschmolzen. Es muss dafür aber möglichst farbenrein sein. Im Schnitt bestehen 60 Prozent der neuen Flaschen aus wiederverwertetem Glas.
Den größten Teil des Berliner Restmülls verbrennt die BSR in ihrem Müllheizkraftwerk Ruhleben. So werden 63.000 Haushalte mit Strom und 31.000 Haushalte mit Heizwärme versorgt.
Besser als jedes Recycling ist natürlich, Müll gar nicht erst entstehen zu lassen. Nahezu alle Getränke lassen sich in Mehrwegflaschen kaufen. Ware mit aufwendiger Verpackung sollte man beim Einkauf meiden. Umverpackungen kann man nach dem Einkauf gleich im Laden lassen. Dafür gibt es an den Packtischen der Supermärkte Abfallbehälter für Plastik und Papier/Pappe.
Ohne Einwegverpackungen kommt der Laden „Original Unverpackt“ in Kreuzberg aus, wo man Lebensmittel in mitgebrachte Gefäße füllen kann.
Mit einer konsequenten Mülltrennung kann man die Betriebskosten merklich senken. Wenn eine 240-Liter-Restmülltonne weniger benötigt wird, sinken die Müllbeseitigungskosten bei wöchentlicher Abholung um 316 Euro im Jahr. In einem Haus mit zehn gleich großen Wohnungen spart also jeder Haushalt über 30 Euro.
Das Kostenargument sollte auch die Mülltrennungsmuffel unter den Mietern überzeugen. Zwingen kann man seine Nachbarn nicht. Und ein Klima der gegenseitigen Kontrolle wäre für die zwischenmenschliche Atmosphäre im Haus auch sicher nicht dienlich.
Jens Sethmann
https://trenntstadt-berlin.de/
Was gehört in welche Tonne?
Wertstofftonne (gelb oder orange): Verpackungen aus Kunststoff wie Plastikflaschen ohne Pfand, Joghurtbecher, Folien, Plastiktüten, Styropor, Verpackungen aus Metall wie Konservendosen, Getränkedosen ohne Pfand, Alufolie, Verbundmaterialien wie Getränkekartons und Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff und Metall
Biotonne (braun): Essensreste, Eierschalen, Obst- und Gemüsereste, Kaffeesatz, Teebeutel, Blumen, Gartenabfälle
Papiertonne (blau): Zeitungen, Zeitschriften, Kataloge, Bücher ohne Kunststoffeinband, Verpackungen aus Papier und Pappe. Nicht hinein gehören Getränkekartons, verschmutzte Verpackungen, Taschentücher und Küchenkrepp, Tapeten und Fotos
Altglastonne (grün): Einwegflaschen aus Glas, Marmeladen- und Konservengläser, die zusätzlich nach den Farben weiß, braun und grün sortiert werden, alles auch mit Deckel. Nicht hinein gehören Fensterscheiben, Spiegel, Trinkgläser, Glühlampen und Keramikflaschen
Restmülltonne (grau): Alle Haushaltsabfälle, die nicht in den anderen Tonnen entsorgt werden. Nicht hinein gehören außerdem Sperrmüll, Elektrogeräte, Bauabfälle und Schadstoffe, die zum BSR-Recyclinghof gebracht werden müssen oder von der BSR abgeholt werden. Alte Elektrogeräte können auch im Einzelhandel zurückgegeben werden.
js
Zu schade zum wegwerfen?
Ausgelesene Bücher, zu klein gewordene Pullover, ungenutzte Küchenutensilien und sonstige Dinge, die man nicht mehr haben will, kann man verschenken, spenden oder verkaufen. Geräte mit kleinen Defekten lassen sich vielleicht reparieren.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat Berliner Spendenannahmestellen, soziale Second-Hand-Läden, Tauschläden und Repair-Cafés auf einer Karte im Internet verzeichnet.
js
Kostenloser Abfallcheck zu Hause
Wer wissen möchte, wie man noch mehr Müll vermeiden und Entsorgungskosten sparen kann, sollte sich den kostenlosen Berliner Abfallcheck nach Hause einladen. Die Abfallberater vom BUND kommen in die Wohnung und geben Tipps, wie sich die Abfallmenge reduzieren lässt, und klären Fragen zur richtigen Müllsortierung – individuell auf die Wohnsituation abgestimmt. Anmeldung unter
http://www.berliner-abfallcheck.de/
js
Alte Klamotten nicht in den Restmüll
Gebrauchte Kleidung und Schuhe, Taschen sowie Tischdecken und Bettwäsche gehören nicht in den Hausmüll. Sie werden in Containern auf öffentlichen Plätzen oder den Recyclinghöfen gesammelt, um gespendet oder recycelt zu werden. 21 Prozent der Deutschen nutzen dennoch die Restmülltonne auch zur Entsorgung von Alttextilien.
Die Sortierung der gesammelten Textilien erfolgt in drei Kategorien: 63 Prozent der Altkleider sind noch tragbar und werden ins Ausland verschifft. Dort erhalten Bedürftige die Kleiderspenden – oder sie werden auf Märkten verkauft. Diese Praxis ruiniert jedoch die Textilindustrie dieser Länder. 30 Prozent der gesammelten Alttextilien werden in deutschen Recyclinganlagen zu Dämm- und Isolierstoffen und Industrieputzlappen verarbeitet, 7 Prozent werden verbrannt. Berliner Unternehmen wie RECON-T und Papierfritze sowie Second-Hand-Läden kaufen Alttextilien an.
rb
Altpapier sammeln und verkaufen?
Man kann Altpapier auch selber sammeln und an Händler verkaufen. Es gibt in Berlin diverse Aufkäufer, die für angeliefertes Papier zurzeit 0,08 bis 0,11 Euro pro Kilogramm zahlen. Das lohnt sich also nur bei größeren Mengen, für deren Transport man ein Auto oder zumindest ein Lastenfahrrad braucht.
js
Kunststoff ist Krisenstoff –
Plastikabfälle haben sich bis in die entlegendsten Gebiete der Erde ausgebreitet
Die EU-Kommission reagiert mit ihrem Vorschlag für eine Plastik-Richtlinie auf die zunehmende Vermüllung der Weltmeere. Sie möchte Einweg-Kunststoffartikel wie Plastikgeschirr und Trinkhalme ganz verbieten und für andere, wie Fast-food-Verpackungen, Reduktionsziele formulieren. Denn der Plastikmüllberg wächst weltweit unaufhörlich.
In seinem Dokumentarfilm „Plastic Planet“ bittet Dokumentarfilmer Werner Boote Menschen aus verschiedenen Ländern, alle Kunststoffgegenstände in ihrem Haushalt vor die Tür zu räumen. Die Wohnräume sind danach – egal auf welchem Kontinent – gespenstisch leer.
Kunststoff ist aus unserem Alltag nur noch schwer wegzudenken. Kein Wunder, denn das Material, das seit Mitte des letzten Jahrhunderts massenhaft Einzug in unsere Haushalte gehalten hat, ist leicht, robust und sehr billig.
Plastik macht das Leben scheinbar einfach: Erdbeeren in der Plastikschale oder der morgendliche Coffee to go gehören für viele zum Alltag. Zwar kamen in Deutschland 2017 ein Drittel weniger Plastiktüten zum Einsatz als im Vorjahr – doch die Einwegverpackungen nehmen zu. Den größten Anteil am Kunststoffmüll-Berg bilden mit beinahe 64 Prozent Verpackungen (2015). Das Problem dabei: Kunststoff benötigt Jahrhunderte, bis er abgebaut ist.
2015 hat jeder Deutsche im Schnitt 37 Kilo Plastikmüll entsorgt. Damit liegen wir über dem europäischen Durchschnitt von 31 Kilo. Experten führen das unter anderem darauf zurück, dass es Deutschland in den letzten Jahren wirtschaftlich sehr gut ging, wir immer mehr im Internet bestellen – was zusätzliches Verpackungsmaterial erfordert – und wir immer öfter in Single-Haushalten leben, wo kleinere Portionen einen relativ höheren Verpackungsanteil haben. Immerhin: Was die Recyclingquote von Plastikverpackungsmüll angeht, liegen die Deutschen mit 49 Prozent über den meisten der europäischen Nachbarn mit durchschnittlich 40 Prozent.
Mit der 1991 in Deutschland in Kraft getretenen Verpackungsverordnung wurde die Wirtschaft verpflichtet, Verpackungen nach dem Gebrauch zurückzunehmen und sich an der Verwertung zu beteiligen. Privatwirtschaftliche Rücknahmesysteme entstanden – sogenannte Duale Systeme. Das wohl bekannteste: der Grüne Punkt. In Berlin gibt es seit 2013 eine gemeinsame Wertstofftonne, Gelbe Tonne und Orange Box sind somit eins. Alba und BSR teilen sich die Leerung der Tonne, in die Kunststoffe, Metalle und Verbundstoffe wie Getränkekartons gehören.
Rund 90 Prozent unseres Plastikabfalls wird auf diese Weise wieder eingesammelt. Ein Teil davon wandert auf Recyclinghöfe, wo er nach Plastikarten sortiert, gereinigt und zu feinem Granulat verarbeitet wird. Aus diesem entstehen dann neue, allerdings nur einfache Gebrauchsgegenstände, beispielsweise Getränkekästen, Eimer oder Bodenbeläge. Aus PET-Flaschen, auf die in Deutschland ein Pfandgeld von 25 Cent gilt – und die deswegen eine Rückgabequote von 96 Prozent erreichen – werden Fleece-Decken oder Polyester-Kleidung gefertigt.
Da keine 100-prozentige Sortenreinheit erreicht wird, kommt der recycelte Kunststoff qualitativ nicht an den Ausgangsstoff heran – man spricht von „Downcycling“.
Problematisch: Es gibt zu wenig Abnehmer für diesen Sekundärrohstoff. Experten fordern eine Quote, damit sich das Plastik-Recycling auch lohnt.
Allerdings kann auch nicht jede Kunststoffsorte recycelt werden – mitunter sprechen ökologische Gründe dagegen. Zudem tobt ein harter Preiskampf, bei dem die Müllverbrennung meist das Rennen macht.
2015 wurden 53 Prozent unseres Plastikmülls der sogenannten thermischen Verwertung zugeführt. Rund zwei Drittel davon landeten in einer der rund 70 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland, etwa ein Drittel wurde in Zementwerken oder Kraftwerken als Ersatz für fossile Brennstoffe genutzt. Umweltfreundlicher wäre es jedoch, mehr Kunststoff werkstofflich zu recyceln. Das setzt aber auch korrekte Mülltrennung auf Verbraucherseite voraus. Besonders häufig scheitern automatische Trennmaschinen an Abfall, der aus mehreren Kunststoffarten besteht oder mit Pappe verbunden ist.
Bislang hat Deutschland auch große Mengen an Plastikmüll ins Ausland exportiert. So gingen lange Zeit 56 Prozent des weltweiten Plastikmülls per Schiff in die Volksrepublik China, darunter jedes Jahr auch Hunderttausende Tonnen aus Deutschland. Seit dem 1. Januar gilt dort ein Importstopp für diesen Abfall. Ob das zu einem Umdenken in der deutschen Industrie führen wird?
Wissenschaftler haben 2016 ein Bakterium entdeckt, das PET abbauen kann – eine kleine Sensation. Forscher haben außerdem in unterschiedlichen Verfahren sogenanntes „Bio-Plastik“ entwickelt, das entweder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais besteht oder biologisch abbaubar ist. Unter Experten sind die neuen Materialien aber umstritten, weil sie nicht zwangsläufig eine bessere Ökobilanz aufweisen als herkömmliche Plastiktüten.
Auch politisch will man dem Problem beikommen: Neben ihrem Vorstoß zu Einweggeschirr diskutiert die EU-Kommission momentan eine Steuer auf Plastik. Und: Anfang 2019 tritt das Verpackungsgesetz in Kraft, das eine stufenweise Erhöhung der Recyclingquote auf 63 Prozent bis 2022 vorsieht – aktuell ist es nur rund ein Drittel der Gesamtmenge.
Am Ende liegt es aber vor allem in den Händen der Verbraucher selbst, ob sich etwas ändert. Jeder Einzelne von uns kann – und muss – etwas tun: indem er oder sie mithilft, Plastikmüll zu reduzieren.
Katharina Buri
www.kueste-gegen-plastik.de/unterstuetzen
Nachweisliche Krankmacher
Einigen Kunststoffen wurde eine gesundheitsschädigende Wirkung nachgewiesen. Sie enthalten Weichmacher (Phthalate), die in den menschlichen Hormonhaushalt eingreifen und beispielsweise die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern beeinträchtigen können. Auch Bisphenol A (BPA) ist hormonell wirksam und kann in die Entwicklung von Kindern eingreifen. Bestimmte Kunststoffsorten stehen sogar im Verdacht, Krebs auszulösen. Als besonders problematisch gelten PVC, Teflon sowie Polycarbonat und Epoxidharze. Aufschluss darüber, welchen Kunststoff man gerade in Händen hält, geben die aufgedruckten Recyclingcodes.
kb
Abfall to go
Rund 170 Millionen Einwegbecher werden im Ballungsraum Berlin jährlich weggeworfen. Die meisten Pappbecher sind innen mit Polyethylen beschichtet, damit sie die heiße Flüssigkeit halten. Gegen das Überlaufen hilft ein Deckel aus Polystyrol. Die Becher sind nach einer Gebrauchsdauer von durchschnittlich 15 Minuten Müll – und landen oft nicht in dafür vorgesehenen Müllbehältern, sondern auf der Straße oder in der nächsten Grünfläche.
Viele Berliner Cafés haben das wachsende Umweltproblem inzwischen erkannt und bieten kleine Rabatte für Kunden an, die einen eigenen Mehrwegbecher mitbringen. Solche umweltfreundlichen, wiederverwendbaren Becher, etwa aus Metall oder Bambus, gibt es schon für wenige Euro.
kb
Müllkippe Ozean
Möglicherweise wird es im Jahr 2050 mehr Kunststoff im Meer geben als Fische, warnen Forscher. In gigantischen Müllstrudeln treiben Plastikflaschen, -tüten & Co. durch die Weltmeere. Der größte von ihnen ist fast fünfmal so groß wie Deutschland. Das Plastik gelangt über weggeworfenen Müll ins Meer, verwittert dort langsam und zerfällt dabei in immer kleinere Teile. Schiffe verklappen illegal Müll auf See, und beim Fischfang landen sogenannte Geisternetze im Meer.
Aber auch unser Abwasser trägt viel zur Problematik bei. Eine besondere Belastung für die Meere ist das sogenannte Mikroplastik: kleinste Plastikteilchen werden vielen Kosmetikprodukten beigesetzt. In Zahnpasta, Peelings und Duschgels findet sich Mikroplastik häufig in Form feiner Kügelchen, in vielen anderen Produkten als Füllstoff. Kläranlagen können die winzigen Plastikteilchen nicht aus dem Abwasser filtern, sie gelangen in den Wasserkreislauf und schließlich in die Meere.
Mikroplastik zieht durch seine Oberflächeneigenschaften Umweltgifte an wie ein Magnet. Je kleiner das Teilchen, desto eher wird es von einem Tier als Nahrung aufgenommen. Die Gifte wandern in den Körper der Meeresbewohner – und von dort über die Nahrungskette auch zum Menschen. Welche Auswirkungen die winzigen Plastikteilchen auf den menschlichen Organismus haben, ist noch unklar.
Wer beim Kauf von Kosmetik auf Nummer sicher gehen will, kann mithilfe der App „CodeCheck“ herausfinden, welche Produkte Mikroplastik enthalten. Das Berliner Start-up Guppyfriend hat einen Waschbeutel entwickelt, der verhindert, dass Kunstfasern beim Waschen in der Maschine ins Abwasser gelangen.
kb
Treibstoff- und Kompostlieferant –
Biomüll hat Potenzial, wenn Staat und Verbraucher mitmachen
Trotz anderweitiger Bundesvorschrift sind in der Berliner Innenstadt nur rund 80 Prozent der Haushalte an das Biomüll-Sammelsystem angeschlossen. In den Siedlungen am Stadtrand sind es noch nicht einmal 25 Prozent. Ab April 2019 wird die Bio-Tonne aber flächendeckend und verbindlich in Berlin eingeführt werden.
Während 102 Kilogramm der organischen Abfälle im Hausmüll landen, werden pro Kopf und Jahr 19,5 Kilogramm in Berliner Bio-Tonnen entsorgt. Deutschlandweit sind es immerhin 59 Kilogramm.
In die Tonne mit dem braunen Deckel gehören vor allem Obst- und Gemüsereste, Essensreste, alte Lebensmittel, Kaffeesatz, Kaffeefilter, Tee, Teebeutel, Eierschalen, Küchenpapier, Blumen und Topfpflanzen. Auch Grün- und Strauchschnitt und Laub in kleineren Mengen können hier entsorgt werden, größere Mengen nehmen die Recyclinghöfe der BSR entgegen. Nicht in die Bio-Tonne gehören Verpackungen, Folien, Tüten, Hygieneartikel, Windeln, Staubsaugerbeutel, Katzen- und Kleintierstreu, Holz, Asche, Erde, Sand und Steine. Immer wieder wird der gesammelte Biomüll zusammen mit dem Plastikbeutel entsorgt. Häufen sich solche Fehlwürfe, kann der Entsorger die Leerung der Tonnen verweigern.
Die Kosten der Bio-Tonne – im Quartal je nach Volumen (60, 120 und 240 Liter) 13,01 bis 15,17 Euro bei vierzehntäglicher Leerung – werden vom Vermieter auf die Mieter umgelegt.
Hin und wieder gibt es Beschwerden von Mietern über eine Geruchsbelästigung durch die Tonnen. Die BSR empfiehlt: Tonne mit Zeitungspapier auslegen, feuchtes Biogut in Zeitungspapier wickeln und die Tonne möglichst an einem schattigen Platz aufstellen.
Problematisch ist noch immer das Sammeln der Abfälle im Haushalt. Komposteimer mit Deckel kosten je nach Hersteller zwischen 18 und 24 Euro, aber auch die preiswerteren Windeleimer sind geeignet. Die BSR bietet einen durchlüfteten Vorsortierbehälter als Starterset mit 26 abbaubaren Beuteln aus Maisstärke für 5,30 Euro an. Eine Rolle mit 26 Beuteln kostet 1,93 Euro. Der volle Beutel kann in die Bio-Tonne entsorgt werden.
In der Biogasanlage der BSR in Ruhleben werden zurzeit jährlich circa 60.000 Tonnen Biomüll zu klimaneutralem Biogas vergärt. Damit können 2,5 Millionen Liter Diesel pro Jahr eingespart werden. Mit dem Biogas fahren rund 150 Müllfahrzeuge – die Hälfte der BSR-Flotte. Insgesamt werden durch die Aufbereitung des Bioabfalls in Berlin jährlich mehr als 9000 Tonnen CO2 eingespart. Aber die Kapazität der Anlage reicht nicht mehr aus – spätestens 2019 wird eine zweite Anlage erforderlich sein. Die bei der Vergärung anfallenden Reste dienen in der Landwirtschaft als Kompost und Dünger.
Rainer Bratfisch
Lebensmitteleinkauf: Die Hälfte für die Tonne?
Elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland pro Jahr weggeworfen – pro Familie im Wert von rund 1000 Euro. Vom gekauften Obst und Gemüse landen 44 Prozent im Abfall. Bei Backwaren sind es 15 Prozent, bei Milchprodukten acht Prozent. Eine bessere Planung der Einkäufe schont das Portemonnaie und verringert die Menge des organischen Abfalls.
Zu beachten: Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt lediglich an, bis wann das ungeöffnete Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften mindestens behält – es ist nicht identisch mit dem Verfalls- oder Ablaufdatum. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bietet mit der kostenfreien App beziehungsweise der Homepage „Zu gut für die Tonne“ Tipps zur besseren Nutzung von Lebensmitteln. Die Verbraucherzentralen fordern, dass Supermärkte unverkaufte Lebensmittel nicht mehr wegwerfen dürfen, sondern den Tafeln spenden. Und: Noch immer werden zahlreiche Lebensmittel in zu großen Packungen angeboten.
rb
Gefahr in Verzug –
Sondermüll braucht eine gesonderte Erfassung und besondere Behandlung
Für Müll, der nicht in den Tonnen auf dem Hof oder vor dem Haus entsorgt werden kann, bestehen gesonderte Recycling-Systeme. Auch hier gilt: Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht. Aber die Zunahme von elektrischen Haushalts- und elektronischen Kommunikationshilfen gepaart mit steigenden Einkommen lassen die Müllberge wachsen. Und oft werden Batterien, Medikamente, CDs und andere „Kleinigkeiten“ noch immer achtlos in der Restmülltonne entsorgt – ungeachtet der immensen Umweltschäden und des Verlustes wertvoller Rohstoffe.
Nicht alle Abfälle lösen sich in den Müllverbrennungsanlagen, Ersatzbrennstoffkraftwerken und Zementwerken einfach in Energie, Wärme und Metalle auf. Schlacke und Asche belasten nach der Verbrennung die Umwelt. Stäube und Salze aus der Rauchgasreinigung müssen als teilweise hochgiftige Sonderabfälle in Untertagedeponien, meist Salzbergwerken, gelagert werden – eine tickende Zeitbombe, denn es besteht die Gefahr, dass sie ins Grundwasser gelangen und Böden mit Blei, Arsen, Cadmium, Zink und Chrom belasten.
Auch wenn jeder denkt, dass eine Batterie, ein Akku, ein paar CDs, ein Smartphone, eine Druckerpatrone oder ein Röntgenbild, achtlos in den Hausmüll geworfen, ein „Kavaliersdelikt“ seien – die Masse macht’s: Jährlich werden in Deutschland rund 1,5 Milliarden Batterien und Akkus verkauft. Nicht einmal die Hälfte davon wird ordnungsgemäß entsorgt. Dabei ist das System denkbar einfach: Das Gemeinsame Rücknahmesystem „GRS Batterien“ stellt dem Handel, aber auch Kommunen, Recyclinghöfen und öffentlichen Einrichtungen flächendeckend und unentgeltlich Sammel- und Transportbehälter zur Verfügung.
In den Sortieranlagen des „GRS Batterien“ erfolgt die Sortierung der Batterien in die verschiedenen elektrochemischen Gattungen, die dann an die Verwertungsanlagen weitergegeben werden. Aus dem fraktionierten Mangan können neue Motorblöcke hergestellt werden, Zink wird als Rostschutz für Autokarossen eingesetzt, und Nickel geht in die Edelstahlindustrie.
Die Abgabe von Batterien und Akkus auf den Recyclinghöfen der BSR ist bis zu einer Menge von 20 Kilogramm pro Tag kostenfrei. Das gilt auch für andere Abfälle, die Schadstoffe enthalten – Bremsflüssigkeit, Chemikalien, Reinigungsmittel und Säuren. Auch Abfälle, die beim Renovieren anfallen – Farben, Lacke und Lösungsmittel – nehmen die Recyclinghöfe kostenlos an. Schadstofffreie Produkte, gekennzeichnet mit dem „Blauen Engel“, können, wenn sie eingetrocknet sind, in der Restmülltonne entsorgt werden.
Leuchtstoffröhren und Lampen, die nach dem März 2006 gekauft wurden, enthalten Quecksilber und müssen getrennt entsorgt werden – auf den Recyclinghöfen oder in speziellen Sammelstellen.
Das Umweltbundesamt rät, auch alte Medikamente unbedingt zu den Recyclinghöfen der BSR zu bringen, da nur so gewährleistet ist, dass sie rückstandslos verbrannt werden. Ebenso nehmen zahlreiche Apotheken nicht mehr benötigte Medikamente zurück. Keinesfalls sollten Medikamente in der Toilette oder im Ausguss entsorgt werden.
Ausgediente Kühlschränke und -truhen, Waschmaschinen, Fernsehgeräte, Spielekonsolen, Computer und so weiter enthalten wertvolle Metalle und andere Stoffe, die wiederverwendet werden können. Daher werden auch Elektroaltgeräte getrennt gesammelt. Jährlich fallen in Deutschland circa 1,7 Millionen Tonnen Elektroschrott an, aber nur etwa 40 Prozent werden von den Händlern zurückgenommen, obwohl Elektrofachmärkte, Warenhäuser, Möbelhäuser und Baumärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern dazu verpflichtet sind. Online-Shops müssen eine kostenlose Rücknahme des Altgerätes ermöglichen. Verwertbare Komponenten können so recycelt werden, der restliche Schrott und die Schadstoffe werden fachgerecht entsorgt. Verweigern Händler die Annahme von Elektroaltgeräten, können sich die Kunden an das zuständige Ordnungsamt wenden. Nach wie vor können alte Elektro- und Elektronikgeräte auch unentgeltlich in den 15 Recyclinghöfen der BSR abgegeben werden.
Kostenfrei ist auf den Recyclinghöfen auch die Entsorgung von Altholz, Altmetall, Naturkork, alten Teppichen, CDs und DVDs, Druckerpatronen und Tonerkartuschen. In einem Beutel beziehungsweise Behälter kann alles gesammelt werden, was auf den Recyclinghof gehört. Auch Altreifen, Sanitärkeramik und mineralischer Bauschutt wie Beton-, Zement-, Mörtel-, Putz- und Estrichabfälle, Fliesen, Gasbeton, Keramik, Steine und Ziegel gehören nicht in die graue Tonne, sondern müssen auf dem Recyclinghof entsorgt werden – gegen ein geringes Entgelt.
Rainer Bratfisch
Der Mülltourismus
Wie Plastikmüll werden auch Elektro- und Elektronikaltgeräte, insbesondere Computer, Monitore, Fernsehgeräte und Kühlschränke, in großem Stil in Schwellen- oder Entwicklungsländer verschifft – offiziell „zur weiteren Verwendung“. Viele dieser Geräte erweisen sich als Schrott, der auf afrikanischen oder asiatischen Deponien landet.
Jeden Tag kommen allein im nigerianischen Lagos rund fünfzig Container mit gebrauchten elektronischen Artikeln an. In Ghana ist Agbogbloshie, ein Vorort der Hauptstadt Accra, Zentrum einer umwelt- und gesundheitsschädlichen Müllverwertung. Die Geräte werden auf einfachste Weise von Hand zerlegt. Metall wird beispielsweise gewonnen, indem man die Kunststoffummantelung von Elektrokabeln abfackelt – eine Arbeit, die von Kindern und Jugendlichen verrichtet wird, die dann die Rohstoffe für ein paar Cent an professionelle Händler abgeben.
rb
Vandalen am Werk –
Illegale Müllablagerung ist rücksichtslos zu Mitmensch und Umwelt
Durchschnittlich 30.000 Kubikmeter Sperrmüll und Elektroschrott werden unerlaubterweise in jedem Jahr an Berliner Straßenrändern, in Sackgassen und auf Plätzen abgekippt. Dazu kommen illegal entsorgter Bauschutt und widerrechtlich abgestellte Autowracks. Zuständig für solche Verstöße gegen das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz im öffentlichen Raum sind die Berliner Ordnungsämter. Sie müssen der Sache nachgehen, die Schuldigen finden und Sanktionen – etwa Bußgelder – verhängen. Auf dem Portal Ordnungsamt-Online gehen inzwischen immer mehr Anzeigen ein: Allein zu illegal abgelagertem Sperrmüll waren das im vergangenen Jahr 57.341 Meldungen. Gegenüber 2016 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt, was auch damit zu erklären ist, dass inzwischen alle Bezirke eine Online-Meldung anbieten.
Die Sperrmüll-Vandalen werden trotzdem kaum ermittelt, die Kommune muss die Müllberge entsorgen und bleibt auf gewaltigen Kosten sitzen. Im Schnitt 4,5 Millionen Euro jährlich schlagen nur für die Beseitigung von Sperrmüll und Elektroschrott zu Buche. Während Bauschutt und Autowracks von Spezialfirmen abgeholt und fachgerecht entsorgt werden, übernimmt die BSR die Abholung von Regalen, Sesseln, TV-Geräten und Kühlschränken. Die Männer in Orange fahren dann mit Ladekran-Lkws und gelegentlich auch mit Pressmüllfahrzeugen und Spezialtransportern für Elektroschrott vor, oft an immer wieder dieselben Adressen: illegale Abstellplätze, die sich gewissermaßen schon „etabliert“ haben.
Die Wiedereinführung von „Sperrmülltagen“, wie es sie bis in die 1970er Jahre in West-Berlin gab und an denen kostenlos mehrmals im Jahr der Müll am Straßenrand abgeholt wurde, lehnt die BSR ab. „Herkömmliche Straßen-Sperrmüllsammlungen lösen das Problem nicht, sondern verschärfen es sogar. Für Trittbrettfahrer – etwa unseriöse Gewerbetreibende – sind solche Sammlungen eine ideale Gelegenheit, ihren Müll auf Kosten von Umwelt und Allgemeinheit zu entsorgen“, befürchtet BSR-Sprecher Harnisch. Außerdem sei damit zu rechnen, dass auch verstärkt Sondermüll mit Schadstoffen an der Straße abgestellt würde.
Harnisch verweist auf die vielen Möglichkeiten, die es gibt, alte Einrichtungsgegenstände und Elektrogeräte loszuwerden: Von der kostenfreien Abgabe (bis zu drei Kubikmeter täglich) auf einem der Berliner Recyclinghöfe bis zur Abholung durch die BSR direkt aus der Wohnung (bis fünf Kubikmeter für 50 Euro).
„Es lassen sich viele pragmatische Lösungen finden, um alte Sachen loszuwerden“, so der BSR-Mitarbeiter. „In Berlin muss niemand seinen Müll an der Straße abladen.“ Es sei in doppelter Hinsicht rücksichtslos: Es verschmutze die Umwelt, und zahlen müssen alle dafür.
Auch den oft angebrachten Hinweis „Zu verschenken“ an Gegenständen auf der Straße hält Harnisch für Augenwischerei: „Das ist oft einfach Bequemlichkeit, getarnt als soziales Engagement.“
Dass aber ein erhobener Zeigefinger nichts bringt, moralische Appelle häufig nur die Verantwortungsbewussten erreichen und selbst die witzigen Kampagnen der BSR nicht wirklich zu mehr Sauberkeit führen, haben er und seine Kollegen längst erkannt. Und so fordert er mehr Kontrollen und deutliche Sanktionen mit Bußgeldern. Um zumindest die Kontrollen zu verstärken, plant die Stadt eine Offensive gegen Müllsünder, für die auch zusätzliche Mitarbeiter künftig die Ordnungsämter verstärken sollen.
Für eine solche Offensive gegen Vermüllung steht seit Juni dieses Jahres auch ein erweitertes Pilotprojekt der BSR. Es ist auf die Parks, Wälder und Spielplätze der Stadt gerichtet. „Berlin wächst, und zugleich hat sich unser Freizeitverhalten verändert. Das Leben findet heute viel mehr draußen statt“, sagt Harnisch. Sichtbare Folge: Vor allem wo gegrillt wird, kommt es oft zur Vermüllung der Flächen. Partygeschirr bleibt auf der Wiese stehen, Kleinmüll wird achtlos neben die Papierkörbe geworfen, Essensreste gammeln vor sich hin und ziehen Ungeziefer an.
Eine regelmäßige Säuberung gerade der Hotspots wie etwa dem Görlitzer Park in Friedrichshain-Kreuzberg oder dem Spreebogenpark in Mitte habe die ursprünglich dafür zuständigen Berliner Grünflächenämter an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Denn die sind für die gärtnerische Pflege und Reinigung von immerhin fast 2700 städtischen Anlagen verantwortlich. In den Projektparks können sie sich nun auf das Gärtnern konzentrieren, und die BSR kümmert sich ums Reinemachen. So hat das Unternehmen seit diesem Sommer zu den bisher 12 Objekten noch 34 weitere Parks und Spielplätze sowie zwei Forste übernommen. Dort soll – nach Bedarf, wie es heißt – sauber gemacht werden.
Und das bringt schon mal was: 2017, gut ein Jahr nach dem Projekt-Start in den ersten Anlagen, zeigten sich laut Umfragen 90 Prozent der Anwohner wieder zufrieden mit der Sauberkeit dieser Flächen.
Rosemarie Mieder
Hundekot: Ohne Kontrollen nützen auch schärfere Strafen nichts
Beim Kampf gegen Hundehaufen sind der Berliner Senat und die Bezirke bislang gescheitert. Es gibt so gut wie keine Kontrollen von Hundehaltern, kaum Verwarnungen, nur äußerst selten werden Bußgelder verhängt. Und so dürften sich – trotz Tütenpflicht seit 2016 – die über 50 Tonnen Hundekot, die noch vor einigen Jahren täglich auf Berlins Straßen liegen blieben, kaum verringert haben. Mit dem Aktionsprogramm „Sauberes Berlin“ soll nun ein neuer Anlauf genommen werden. Das Programm sieht erst einmal höhere Bußgelder vor. Statt der bisher 35 Euro soll künftig doppelt soviel fällig werden, wenn Hundeführer keinen Kotbeutel benutzen. Die Frage bleibt aber dennoch: Wer wird das kontrollieren und durchsetzen?
rm
Müll-Sheriffs: mehr und weniger erfolgreich
Die Idee stammt aus Wien, wo im Jahr 2008 mit dem Reinhaltegesetz eine rechtliche Grundlage für die sogenannten Waste-Watcher, eine „Müll-Polizei“ geschaffen wurde. Das Gesetz befugt die Waste-Watcher, Verursacher von Müll im öffentlichen Raum abzumahnen und Strafen zu kassieren.
Neukölln führte in einem Pilotprojekt als erster Berliner Bezirk solche Zivilstreifen ein, die Täter auf frischer Tat ertappen sollen. Und das auch mit ersten Erfolgen: So stiegen verhängte Bußgelder von lediglich 1000 Euro im Jahr 2016 auf immerhin 7000 Euro im Jahr 2017. Im Bezirk Mitte war man weniger erfolgreich. Es sei nicht gelungen, auf diese Weise Umwelt-Täter dingfest zu machen, heißt aus dem dortigen Rathaus.
rm
07.10.2020