Fast 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestimmt. Während der Senat eine Expertenkommission eingesetzt hat, die ein Jahr lang über die Umsetzung des Volksentscheids beraten soll, sprach die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ auf einer dreitägigen Konferenz mit über 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern darüber, wie man den Forderungen mehr Nachdruck verleiht, und vernetzte sich mit Wohnaktivisten aus dem In- und Ausland.
Zum Auftakt der Konferenz war der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Wohnen, Balakrishnan Rajagopal, per Video zugeschaltet. Er zeigte sich besorgt über die Entwicklung in Deutschland: „Die Wohnkosten sind enorm angestiegen, und der Wohnungsbesitz konzentriert sich in den Händen Weniger.“ Er wünscht sich, dass das Recht auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum in das Grundgesetz aufgenommen wird und hofft auf einen Erfolg des Referendums zur Vergesellschaftung.
Der Volksentscheid hat weltweit ein großes Echo gefunden. Enge Verbindungen gibt es zu Aktiven in Barcelona und Amsterdam. „Wenn die das können, können wir das auch“, gibt Melissa Koutouzis von der Amsterdamer Initiative Woonprotest die Reaktion in den Niederlanden wieder. „Wir brauchen Strategien, um Finanzinvestoren wie Blackstone rauszuschmeißen“, sagt sie. „Dazu benötigen wir ein breites Bündnis.“ Im belgischen Gent bereiten Aktivisten gerade ein Volksbegehren gegen die Privatisierung öffentlicher Wohnungen vor.
„Der Volksentscheid kann einen Vorbildcharakter haben, weil die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt gestellt wird“, sagt Stadtsoziologe Andrej Holm. „Wichtig ist, dass wir dranbleiben und uns nicht von der vom Senat eingerichteten Kommission abspeisen lassen.“
„Wenn die Kommission ihre Aufgabe ernst nimmt, kann da was Gutes rauskommen“, sagt Isabella Rogner von der Initiative. Lisa Vollmer von der Bauhaus-Universität Weimar weist darauf hin, dass die Umsetzung weniger von der Expertenkommission als von politischen Entscheidungen abhängt. Unterstützung bekommt die Initiative von Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke). „Wir müssen in die Auseinandersetzung gehen“, so Kreck. „Was mich zuversichtlich macht, ist, dass die ganze Stadtgesellschaft beharrlich bleibt.“
Jens Sethmann
28.06.2022