Die Sommer werden heißer, die Niederschläge weniger. Wasser kann knapp werden. Berlin ist dank seiner Lage im Urstromtal gegenüber dem Umland privilegiert. Dennoch ist verschwenderischer Umgang mit Trinkwasser fahrlässig. Im Sommer kommt zu einem möglichen Mangel auch ein enormer Energieverbrauch, der mit der Wasserbewirtschaftung verbunden ist.
Rund 600.000 Kubikmeter verbrauchen die Berliner tagtäglich – eine Wassermenge, die das Olympiastadion bis an den Rand füllen würde. Zumindest von September bis Ende April. In den Sommermonaten liefe das Stadion über, da steigt der Bedarf auf 800.000 Kubikmeter – und mehr. Dass es vor allem der private Wasserverbrauch ist, der diese Menge verantwortet, beweist die Liste der „Großkunden“ der Berliner Wasserbetriebe: Wohnungsunternehmen zählen zu den größten Abnehmern, erst danach folgen etwa die Klinikbetriebe Vivantes und Charité.
Vorwiegend fürs Waschen, Duschen, die Toilettenspülung und in den Sommermonaten für das Bewässern von Balkonen, Höfen, Klein- oder Hausgärten flossen bereits 2019 pro Kopf 119,5 Liter am Tag – so die letzte Erhebung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg. Sie wird alle drei Jahre durchgeführt und weist eine Steigerung nach: Im Zeitraum von 2016 bis 2019 kamen 2,3 Liter hinzu. Derzeit sei das noch zu verkraften, findet Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe: „Berlin liegt im eiszeitlichen Urstromtal, markiert von der Spree und auf einem Untergrund aus Sanden, Kiesel und Tonschichten. Die können viel Wasser speichern.“
Im Unterschied zu vielen Kommunen in Brandenburg sei das eine privilegierte Situation. Sie gestattet es, das Trinkwasser naturnah aufzubereiten: Es kommt direkt aus sauerstofffreien Tiefen des Untergrunds, und lediglich die Eisenbestandteile müssen noch herausgefiltert werden. Versickernder Regen bringt im Winterhalbjahr etwa 30 Prozent Nachschub für dieses Grundwasser. Den übergroßen Anteil von 70 Prozent liefert die Uferfiltration über Tiefbrunnen der Wasserwerke aus den großen Berliner Seen sowie Spree und Havel.
Berlin ist gewässerreich und wasserarm
„Berlin ist zwar gewässerreich, aber zugleich auch wasserarm“, erklärt Stephan Natz die Situation. Das ist vor allem den nachlassenden Regenfällen geschuldet. Sie sollten in den Wintermonaten unser Grundwasserreservoir auffüllen. Aber dafür, so Natz, müsste es jährlich 580 Liter auf den Quadratmeter regnen – ein Wert, der zuletzt 2017 erreicht wurde, als Ende Juni sintflutartige Regenfälle auf die Stadt niedergingen. „Derzeit kommen wir kaum noch über 400 Liter – und der anfallende Regen ist immer ungleichmäßiger verteilt.“
Vor dem Hintergrund des Klimawandels, der die Verdunstung deutlich ansteigen lässt und auch angesichts des Bevölkerungswachstums in Berlin dürfe Wasser deshalb nicht mehr vergeudet werden. Dabei denkt Stephan Natz nicht in erster Linie an die Haushalte in den großen Mehrfamilienhäusern, die vielfach schon mit wassersparenden Haushaltsgeräten ausgestattet sind und wo mit einem Blick auf die Betriebskosten oft genau überlegt wird, wie lange der Hahn höchstens aufgedreht werden kann. Zu denken gibt Natz vielmehr die Sorglosigkeit und der fehlende Gemeinsinn in Einfamilienhausgebieten und auch manchen Gartensiedlungen. Dort werden Rasen und Beete ausgiebig und nicht selten in größter Mittagshitze gewässert. Die während der Corona-Zeit deutlich in ihrer Anzahl angestiegenen Pools müssen meistens jedes Jahr mindestens einmal mit vielen Kubikmetern Trinkwasser neu befüllt werden. Natz: „Auf diese Weise schnellt unser Wasserbedarf zu bestimmten Zeiten durchaus schon mal auf 900.000 Kubikmeter pro Tag hoch – und von da aus können wir unsere Grenzen sehen.“
Rückläufiger Wasserverbrauch nach Abwicklung von Ost-Betrieben
Dabei war nach dem Fall der Mauer der Wasserverbrauch in der wiedervereinigten Stadt erst einmal um 40 Prozent gesunken. Der Grund war die Abwicklung vieler Ost-Berliner Gewerbebetriebe. Sieben Wasserwerke wurden geschlossen, heute arbeiten noch neun rund um die Uhr, um das Wasser für die Metropole aufzubereiten. Auch wenn diese Wasserwerke mit modernster Technik ausgestattet sind – ihr Betrieb verbraucht eine Menge Energie.
„Das ist nicht zuletzt ein Punkt, der zu einem vernünftigen und sparsamen Umgang mit Wasser mahnt“, erklärt Pressesprecher Natz. „Denn die Sicherstellung des Berliner Wasserkreislaufs von der Grundwasserförderung bis zur Abwasserreinigung benötigt so viel Energie, wie notwendig ist, um 270.000 Einwohner mit Strom zu versorgen.“
Rosemarie Mieder
Masterplan Wasser
Das neue Planwerk, das derzeit vom Senat ausgearbeitet wird, wird voraussichtlich mehr als 30 Maßnahmen umfassen. Zu ihnen gehören:
- eine Ausweitung der dezentralen Regenwassernutzung. Durch eine konsequente Versickerung vor Ort sollen Niederschläge nicht mehr in die Kanalisation verschwinden, sondern dem Grundwasser zugute kommen.
- die Ausrüstung der Klärwerke mit weiteren Reinigungsstufen, um „Klarwasser“ künftig noch sauberer in die Flüsse einzuleiten.
- die Reaktivierung der einst stillgelegten Wasserwerke Jungfernheide und Johannisthal, um sie wieder als Trinkwasserlieferanten nutzen zu können.
- bewusstseinsbildende Maßnahmen für einen sparsamen Umgang mit Wasser, um „Verbrauchsspitzen“ an heißen Tagen zu glätten.
rm
Rationiertes Gut
Trockenheit zwingt Behörden immer öfter zu drastischen Maßnahmen: Bereits 2019 rationierte die Stadt Löhne in Nordrhein-Westfalen aufgrund fehlender Niederschläge das Trinkwasser. Feuerwehr und Polizei fuhren durch die Straßen und riefen die Anwohnerinnen und Anwohner über Lautsprecher zum Wassersparen auf. Seit Anfang Juni dieses Jahres herrscht im Landkreis Böblingen in Baden-Württemberg das strikte Verbot, Wasser aus Flüssen und Bächen zu entnehmen. Nicht mal eine Gießkanne zu füllen ist erlaubt.
In Brandenburg hat als erster der Wasserverband Strausberg-Erkner damit begonnen, Wasser für Privathaushalte zu rationieren. Der durchschnittliche Verbrauch liegt dort bei derzeit 175 Litern pro Person und Tag – und damit weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 126 Litern. Einen Grund dafür sieht die Verwaltung in den Berlinern, die in den heißen Sommermonaten den Rasen und die Beete ihrer außerhalb der Stadtgrenzen liegenden Kleingärten bewässern. Nun dürfen erst einmal Zuziehende, die einen neuen Wasseranschluss legen, nur noch 105 Liter Wasser pro Person und Tag verbrauchen. Ab 2025 soll die Regelung für alle Privathaushalte gelten.
rm
05.07.2022