Die Bundesregierung hat die Einführung der Wohngemeinnützigkeit beschlossen. Unternehmen, die sich zu dauerhaft günstigen Mieten verpflichten, können ab 2025 wieder als gemeinnützig anerkannt werden und deshalb Steuervorteile genießen. Die Lösung zielt aber nur auf einen kleinen Kreis ab. Mieterverbände sind enttäuscht.
„Die Wohngemeinnützigkeit ist wieder da!“, freut sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). „Damit schaffen wir neben dem Sozialen Wohnungsbau eine weitere starke Säule für mehr bezahlbaren Wohnraum in unserem Land.“ Die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ wird neu in die Abgabenordnung aufgenommen. Um als gemeinnützig anerkannt zu werden, muss ein Unternehmen die Mieten dauerhaft unterhalb der marktüblichen Miete halten und die Wohnungen an Menschen vergeben, deren Einkommen nicht mehr als das Fünffache der Grundsicherung beträgt. Darunter fallen rund 60 Prozent aller Haushalte in Deutschland. Die Bundesregierung rechnet mit Steuererleichterungen von 1000 bis 2000 Euro pro Wohnung und Jahr.
Die Zielgruppe ist zu klein
Die neue Regelung zielt auf sozial orientierte Unternehmen, karitative Vereine und Stiftungen ab. Das Bauministerium schätzt, dass von der Wohngemeinnützigkeit „zunächst etwa 100 Körperschaften“ und rund 105.000 Mieter:innen profitieren könnten.
Eine „Mini-Wohngemeinnützigkeit“ nennt das Lukas Siebenkotten. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes kritisiert vor allem, dass die Bundesregierung für die gemeinnützigen Unternehmen keine Investitionszulagen vorsieht: „Dies wird nach Ansicht von Fachleuten nur den Unternehmen helfen, die schon in anderen Bereichen den Status der Gemeinnützigkeit genießen, beispielsweise Stiftungen.“ Der überhitzte Wohnungsmarkt brauche „zusätzliche öffentliche und private Vermieter, die einen gemeinnützigen Wohnungssektor aufbauen, der seinen Namen verdient“, so Siebenkotten. „Auch die Übernahme von bezahlbaren Wohnungen in die Wohngemeinnützigkeit ist ohne Investitionszuschüsse kaum denkbar.“ Somit kann die Neue Wohngemeinnützigkeit nicht die Sozialwohnungen auffangen, deren Mietpreisbindungen nach 25 bis 30 Jahren auslaufen.
Kein Modell für Sozialwohnungen, die aus der Bindung fallen
Auch beim Wohnungswirtschaftsverband GdW hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die Wohngemeinnützigkeit könne „einen Teil-Beitrag bei der Bekämpfung des Wohnungsmangels leisten“, reiche aber bei Weitem nicht aus, so GdW-Präsident Axel Gedaschko. Der Verband hält ein „funktionierendes Fördersystem für bezahlbaren Wohnraum in deutlich größerer Zahl“ für notwendig.
Für die im Bund mitregierenden Grünen ist Geywitz’ Modell nur „ein erster Baustein“. „Das Versprechen, für die breite Bevölkerung bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird mit dieser Sparvariante nicht eingelöst“, erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden. „Wir brauchen eine Wohngemeinnützigkeit mit Wumms!“
Jens Sethmann
Sündenfall der Wohnungspolitik
Die Neue Wohngemeinnützigkeit hält dem Vergleich mit der bis 1989 geltenden Wohnungsgemeinnützigkeit nicht stand. Damals gab es in der alten Bundesrepublik etwa 1800 gemeinnützige Wohnungsunternehmen – nicht nur kleine Wohlfahrtsorganisationen, sondern auch staatliche Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, gewerkschaftliche, kirchliche und private Unternehmen, die zusammen rund vier Millionen Wohnungen hatten. „Die Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit vor 34 Jahren war ein Sündenfall der deutschen Wohnungspolitik“, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). Angesichts des rasant schmelzenden Bestandes an Sozialwohnungen sieht der BMV gerade in Berlin ein großes Potenzial für eine breit angelegte Neue Wohngemeinnützigkeit. Das „Schmalspur-Projekt“ sei jedoch ohne Zuschüsse nicht tragfähig, so Bartels.
js
27.06.2024