Die Mieter aus der Lehrter Straße 26 A waren fassungslos, als ihnen im Mai diesen Jahres fristlos die Wohnung gekündigt wurde. Begründung: ein Mietrückstand von 111,50 Euro.
Beim Vermieter handelt es sich ausgerechnet um die gemeinnützige „Gesellschaft für StadtEntwicklung“ (GSE). Als Treuhänder des Landes Berlin hat sie die Aufgabe, benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum zu versorgen. In dem Haus in der Lehrter Straße wohnen fast nur türkische Familien, die – so GSE-Geschäftsführer Dieter Ruhnke – oftmals Schwierigkeiten haben, die Miete zu zahlen. Für den Berliner Mieterverein (BMV) ist die ausgesprochene fristlose Kündigung dennoch völlig unverständlich. Zum einen, weil es sich um einen sehr geringen Betrag handelt – für eine Kündigung ist bekanntlich ein Mietrückstand von zwei Monatsmieten erforderlich – und zum anderen, weil es in diesem Fall gar keine Mietschulden sind, sondern reduzierte Zahlungen wegen einer strittigen Betriebskostenabrechnung. „Das ist von uns geprüft worden, und es gab dazu auch einem umfangreichen Schriftverkehr mit der GSE“, betont BMV-Rechtsberaterin Marlies Lau. Sie musste die geschockte türkische Familie erst einmal beruhigen. Auf ihre telefonische Beschwerde bei der GSE erhielt Marlies Lau die „schnippische“ Antwort einer Mitarbeiterin, dass manche Leute eben nicht auf normale Mahnungen reagierten. „Eine solche Haltung ist in höchstem Maße unseriös und zeugt von rechtlicher Unkenntnis und mangelnder Sensibilität im Umgang mit Mietern“, empört sich die Rechtsberaterin. Die GSE hat die Kündigung mittlerweile zurückgezogen. Geschäftsführer Dieter Ruhnke spricht von einem „klaren Sachbearbeiterfehler, für den wir uns in aller Form bei den Mietern entschuldigt haben.“
Ein Einzelfall scheint es nicht zu sein. Vor zwei Jahren erhielt im Nachbarhaus schon einmal eine türkische Familie von der GSE eine fristlose Kündigung wegen angeblichem Mietrückstand. Auch hier ging es um strittige Nebenkostenforderungen.
bl
MieterMagazin 8/05
Unseriös, unsensibel: die GSE im Umgang mit den Mietern der Lehrter Straße 26 A
Foto: Birgit Leiß
27.04.2013