Nicht nur die Auswirkungen der Corona-Krise machen dem Einzelhandel schwer zu schaffen. Besonders die Warenhäuser haben auch noch mit der Konkurrenz des Online-Handels und der Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu kämpfen. Der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof will etliche Berliner Filialen schließen, plant aber gleichzeitig einen riesigen Neubau am Hermannplatz.
Die Fernsehserie „Babylon Berlin“ spielte mit der Faszination für die angeblich goldenen 20er Jahre in der deutschen Hauptstadt. Auch René Benko, mit seinem Signa-Konzern Eigentümer der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, schien davon inspiriert, als er im März 2019 seinen Plan vorstellte, das Karstadt-Haus am Hermannplatz in den Formen von 1929 wiedererstehen zu lassen. Der beeindruckende Bau mit zwei hochstrebenden Türmen war seinerzeit weit größer und moderner als das KaDeWe am Wittenbergplatz. Gegen Kriegsende im April 1945 wurde er von deutschen Truppen allerdings gesprengt.
Würde man ihn in seiner monumentalen Form als Neubau wieder errichten, müsste man das jetzt bestehende Karstadt-Haus aus den 50er Jahren abreißen. Mehr Einzelhandelsfläche würde allerdings nicht entstehen. Stattdessen sind im neuen Hauptgebäude auch Gastronomie und Büros geplant.
Beim Berliner Senat stieß der Plan auf Wohlwollen, das zuständige Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg lehnte ihn jedoch schon im August 2019 ab. Das dortige Stadtentwicklungsamt kritisiert, das Vorhaben hätte den Charakter eines Shoppingcenters, bei dem das Warenhaus nicht mehr im Mittelpunkt stehe. „Die geplante Fassadenrekonstruktion ist nur noch eine Hülle für ansonsten austauschbare Nutzungen“, heißt es. Wegen der hohen Baukosten befürchtet der Bezirk zudem hohe Gewerbemieten und einen Verdrängungswettbewerb mit den umliegenden Läden.
Eine Verdrängung von Gewerbetreibenden und Mietern befürchtet auch die Initiative Hermannplatz, die das bestehende Karstadt-Haus erhalten will: „Bei Signas Plänen am Hermannplatz geht es vorrangig um das Immobiliengeschäft und nicht um das Kaufhaus.“
Die gigantischen Pläne am Hermannplatz scheinen tatsächlich nicht in die Zeit zu passen. Galeria Karstadt Kaufhof steckt in einer Krise und will 56 seiner 172 Warenhäuser in Deutschland schließen, darunter auch Standorte in Berlin. Rund 6000 Arbeitsplätze sind bundesweit gefährdet. Mit Corona allein lässt sich die Schieflage von Galeria Karstadt Kaufhof nicht erklären. Die Pandemie offenbare nur „das tatsächliche Ausmaß gnadenloser Misswirtschaft und Fehlmanagements“, so Orhan Akman von der Gewerkschaft ver.di.
Misswirtschaft und Fehlmanagement
Auch das für den Hermannplatz vorgesehene Prinzip der Shopping Mall stößt inzwischen an Grenzen. Es gibt in Berlin mittlerweile rund 70 solcher Einkaufszentren, die sich Kunden und Läden gegenseitig abwerben. In vielen Centern sind Leerstände unübersehbar. Im erst 2018 eröffneten „Schultheiss-Quartier“ in Moabit werden die unvermietbaren Ladenflächen im Obergeschoss jetzt in Büros umgebaut. Ähnliche Pläne gibt es im Forum Steglitz. Dennoch werden weiter Shopping Malls gebaut, zum Beispiel das Tegel-Center. Einer der Hauptmieter ist schon vor der Eröffnung abgesprungen: Galeria Karstadt Kaufhof.
Jens Sethmann
Kaufhaus-Idee in der Krise
Die klassischen Kaufhäuser sind als Ankerstandorte der Innenstädte seit Längerem in der Krise: So sah sich Karstadt schon 2004 gezwungen, 77 kleinere Häuser in Deutschland zu schließen. Der Konzern ging seither durch ein Insolvenzverfahren und die Hände mehrerer Eigner, die offensichtlich sehr an den Immobilien in Toplage, aber kaum am Einzelhandel interessiert waren. Beschäftigte verzichteten auf Gehalt, um ihre Arbeitsplätze zu retten, versprochene Investitionen blieben aber ebenso aus wie neue Geschäftskonzepte. „Galeria Karstadt Kaufhof“ entstand 2018 aus der Fusion der beiden letzten deutschen Warenhauskonzerne Karstadt und Galeria Kaufhof. Im Juni 2019 übernahm der bisherige Mehrheitseigner Signa Holding alle Geschäftsanteile. Hinter Signa steht der Österreicher René Benko, der mit Immobiliengeschäften zum Milliardär wurde.
js
Initiative Hermannplatz:
https://initiativehermannplatz.noblogs.org/
30.03.2024