In Köpenick sind viele Anwohner wütend über ein Nachverdichtungs-Vorhaben der kommunalen Wohnungsgesellschaft Degewo. Das MieterMagazin sprach mit Dr. Susanne Willems und Ralph Adam von der Bürgerinitiative Kietzer Feld über ihren Protest.
MieterMagazin: Ist es nicht egoistisch, sich gegen den Bau von 300, zum Teil öffentlich geförderten Wohnungen zu wehren?
Susanne Willems: Es gibt keinen Grund, ein Wohngebiet, das sich 60 Jahre lang bewährt hat, zu zerstören. Natürlich kann man nachverdichten, aber doch mit architektonischem Sachverstand und nicht durch serielles Bauen, mit dem das Gesicht des Viertels zerschnitten wird. Ökologisch wäre eher eine Aufstockung der Gebäude vertretbar – wenn es gut gemacht wird. Was wir brauchen ist ein Nachbarschaftstreff, ein Kino oder einen Pflegestützpunkt – und nicht mehr Wohnungen in klobigen Fremdkörpern.
Ralph Adam: Ich wohne hier seit 17 Jahren. Bevor die Bäume gefällt wurden und die Bagger anrückten, waren die Grünflächen unser Treffpunkt. Das waren gestaltete Parks, da hielt man sich gerne auf und redete mit den Nachbarn. Es war schön hier, ein richtiges Paradies. Alle sind empört und traurig, was hier passiert.
Susanne Willems: Die Grünanlagen sind ja nicht einfach Abstandsflächen, sondern haben eine ökologische Funktion für das Gebiet. Bisher ist jede Wohnung eine Wohnung im Grünen, nun werden den Leuten in geringem Abstand Neubauklötze vor die Nase gesetzt. Und aus den gemeinschaftlichen Grünflächen werden private Mieterterrassen. Fast 100 geschützte Bäume wurden gefällt. Und das Abholzen soll weitergehen. Wütend macht uns auch, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Planungsrechtliche Fragen sind Jahre zuvor amtsintern abgestimmt worden.
MieterMagazin: Die Degewo spricht von einer „umfassenden Beteiligung“ der Bewohnerschaft, räumt aber ein, dass es gemäß der Leitlinien des Senats nicht zur Diskussion stand, ob gebaut werde.
Susanne Willems: In den Beteiligungsworkshops konnten wir nur über Müllstandorte und Fahrradständer abstimmen. Das waren Alibi-Veranstaltungen. Sogar die Bezirksverordnetenversammlung wurde umgangen – die hat einstimmig gegen die Bebauung der Grünflächen votiert. Laut Bezirksamt ist kein Bebauungsplan nötig, weil sich die Neubauten in die Umgebung einfügen würden.
MieterMagazin: Wie geht es nun weiter? Die Bauarbeiten sind ja schon im vollen Gange.
Susanne Willems: Wir haben alles gemacht, was möglich war: Unterschriften gesammelt, Briefe geschrieben und Politiker zu Rundgängen eingeladen. Wir hatten Gespräche mit der ehemaligen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und ihrem Nachfolger Sebastian Scheel. Das lief auf ein Pingpong-Spiel zwischen Senat und Bezirk hinaus. Wir fordern ein Moratorium und setzen große Hoffnungen auf den Klimaschutz-Baustopp in Pankow. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir ein Testgebiet dafür sind, was man Nachbarschaften zumuten kann.
Interview: Birgit Leiß
300 neue Wohnungen im Kietzer Feld geplant
Die in den 1960er Jahren gebaute Siedlung Kietzer Feld in Köpenick ist geprägt durch viergeschossige Zeilenbauten, umgeben von großzügigen Grünflächen. 1000 der insgesamt rund 2500 Wohnungen gehören der Wohnungsbaugesellschaft Degewo, der Rest der Genossenschaft Wendenschloß. Die Degewo will in zwei Bauabschnitten 300 neue Wohnungen errichten. Neun der Fünfgeschosser werden auf den bisherigen Grün- und Freiflächen gebaut, weitere sechs auf Garagenhöfen. Auch eine Kita ist geplant.
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Homepage der Bürgerinitiative:
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Das MieterMagazin stellt an dieser Stelle in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
28.10.2024