Zur Stärkung von Einkaufsstraßen hat der Hamburger Senat die Einrichtung von „Business Improvement Districts“ (BIDs) ermöglicht. Kaufleute und Grundstückseigentümer werden verpflichtet, in einen Topf zur Verbesserung ihrer Einkaufsstraße einzuzahlen. Über die Verwendung der Gelder können die Anlieger selbst entscheiden – ohne dass ihnen dabei die Öffentlichkeit reinredet. Ein Modell für einen erfolgreichen Bürokratieabbau oder eine schleichende Entmachtung der öffentlichen Verwaltung? Auch die Berliner CDU hat einen BID-Gesetzentwurf vorgelegt.
Im Dezember 2004 hat die Hamburger Bürgerschaft das „Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren“ verabschiedet. Damit sind in Deutschland erstmals gesetzliche Grundlagen für die Einrichtung von Business Improvement Districts nach kanadischem Vorbild geschaffen worden. Die Schwierigkeiten, mit denen nordamerikanische Städte schon seit den 60er Jahren zu kämpfen haben, stellen spätestens seit den 90er Jahren auch die Zentren deutscher Städte vor neue Herausforderungen: Riesige Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese und neue Shopping-Malls ziehen immer mehr Kunden und Kaufkraft aus den Innenstädten ab, durch zunehmende Filialisierung und ein immer gleichförmigeres Angebot werden traditionelle Einkaufsstraßen unattraktiv, Ladenleerstände und Verwahrlosung schrecken Kunden ab.
Die Interessengemeinschaften, zu denen sich Geschäftsinhaber in einer Straße häufig zusammengeschlossen haben, funktionieren immer schlechter. Filialisten und Einzelhandelsketten sind meistens nicht bereit, sich an der Finanzierung einer Weihnachtsbeleuchtung oder anderer gemeinsamer Werbeaktionen zu beteiligen – obwohl sie letztlich auch davon profitieren. Machtlos sind solche Werbegemeinschaften auch, wenn es um den Zustand der Gebäude oder des Umfeldes geht, weil sich die Eigentümer dafür nur selten interessieren.
Mit dem BID sollen beide Probleme gelöst werden: Weil der Staat von jedem einen Beitrag mit der Steuer einzieht, kann es keine Trittbrettfahrer mehr geben, und auch die Eigentümer werden finanziell in die Pflicht genommen.
Am Neuen Wall, Hamburgs erstem BID, wird sogar die ganze Straße umgebaut. Der einst prächtige Boulevard zwischen Jungfernstieg und Rathaus hat seit den 80er Jahren durch viele neu entstandene Einkaufspassagen an Glanz verloren. Mit den Mitteln des BID werden nun die Gehwege verbreitert und die Straße mit einem hellen Belag versehen, der einen „glänzenden mediterranen Charme“ ausstrahlen soll.
Wohnen und Handel auf Konfliktkurs?
Ähnliche Ansätze gibt es in mehreren anderen Bundesländern. In Berlin hat die CDU-Fraktion den Entwurf eines „Standortgemeinschaftsgesetzes“ vorgelegt, das dem Hamburger Vorbild nahe steht. Demnach soll die Gründung einer „Standortgemeinschaft“ von mindestens zehn Prozent der örtlichen Gewerbetreibenden und Grundstückseigentümer ausgehen. Der zuständige Bezirk soll fünf Jahre lang die Sonderabgabe von den Eigentümern und Geschäftstreibenden des betreffenden Gebietes einziehen (Wohnungsmieter werden nicht behelligt) und an einen Aufgabenträger weiterleiten, der das mit den Teilnehmern abgesprochene Maßnahmen- und Finanzierungskonzept durchführt. Der CDU-Entwurf lässt dabei offen, welchen Inhalt ein solches Konzept haben kann und wie die Anlieger an dessen Aufstellung beteiligt werden. Darin liegt ein Konfliktpunkt: In Berlin gibt es im Gegensatz zu anderen Städten kaum reine Geschäftsstraßen, sie sind hier stark mit Wohnungen durchmischt. Anwohner hätten kaum Einflussmöglichkeiten, wenn die Straße vor ihrer Haustür nach den Bedürfnissen der Gewerbetreibenden umgestaltet wird. Stadtplanung nach Kaufmannsart dürfte oft nicht im Sinne der Wohnungsmieter sein.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/05
Deutschlands erster BID: der Neue Wall im Schatten des Rathauses in Hamburg
Foto: Jens Sethmann
Pionier Toronto
Der erste Business Improvement District wurde 1970 im kanadischen Toronto eingerichtet. Auf Initiative der Gewerbetreibenden erklärte die Stadtverwaltung einen genau abgegrenzten Bereich zum BID und zog von allen Hauseigentümern eine Sonderabgabe ein. Die so eingenommenen Mittel wurden ausschließlich für Aufwertungsmaßnahmen in diesem Viertel verwendet, um die Konkurrenzfähigkeit des Stadtteilzentrums zu steigern. Mittlerweile gibt es allein in Toronto 43 BIDs, in New York existieren zurzeit 45 BIDs, in den USA sind es insgesamt über 600.
js
02.08.2013