Die Wohnkosten für Hartz IV laufen aus dem Ruder. Ein Grund ist die wachsende Zahl von Bedarfsgemeinschaften. Weil man dahinter auch Lebensgemeinschaften vermutet, die nur pro forma auseinandergehen, sind künftig strengere Kontrollen geplant.
Seit 1. August muss nicht mehr wie bisher das Jobcenter belegen, dass bei einem Paar, das zusammenwohnt, eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, sondern die Beweislast liegt nunmehr bei den Betroffenen. Indizien für das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft sind für das Amt, wenn die Partner seit mindestens einem Jahr zusammenleben, über Einkommen und Vermögen des anderen verfügen können oder gemeinsame Kinder im Haushalt leben. Die Jobcenter haben bereits angekündigt, die Kontrollen zu verschärfen und Missbrauch härter zu bestrafen.
Hartz-IV-Empfänger sind gut beraten, nicht jede Entscheidung hinzunehmen. In vielen Fällen lohnt es sich, Widerspruch einzulegen. Das Berliner Sozialgericht hat es derzeit mit einer wahren Klageflut um Hartz IV zu tun. So verpflichtete das Gericht unlängst das Jobcenter, einer 18-Jährigen die Wohnkosten zu zahlen, obwohl seit dem 1. April der Auszug aus dem Elternhaus in der Regel nicht mehr finanziert wird. Lediglich bei schwerwiegenden sozialen Gründen oder wenn die Wohnung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist, werden bei unter 26-Jährigen, die noch zu Hause wohnen, die Kosten übernommen. Weil die 18-Jährige aber schwanger war und sich mit den Eltern zerstritten hatte, entschied das Gericht zu Gunsten der jungen Frau.
Eine andere Verschärfung wurde seit 1. August wieder rückgängig gemacht: Mit einer Änderung der Ausführungsvorschriften, die zum 1. April 2006 in Kraft getreten ist, wurden Mietschulden nur bei Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) sowie Sozialhilfeempfängern übernommen. Andere Mietschuldner, etwa Empfänger von ALG I oder Studenten, hatten grundsätzlich keinen Anspruch darauf. Nunmehr können auch diese wieder die Übernahme beantragen.
Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Soziales rund 6000 Hartz-IV-Empfänger aufgefordert worden, ihre Wohnkosten zu senken (Stand Ende Juli). Lediglich 103 Zwangsumzüge habe es bisher gegeben (bei insgesamt 337.000 Bedarfsgemeinschaften in Berlin).
Birgit Leiß
MieterMagazin 9/06
Die Kosten laufen aus dem Ruder, jetzt werden Hartz-IV-Bezieher schärfer kontrolliert
Foto: Kerstin Zillmer
Eine Sammlung der Entscheidungen des Berliner Sozialgerichts zu Hartz IV findet sich im Internet unter
www.berlin.de/sg
28.07.2013