Als Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer auf der Festveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen der „Charlottenburger Baugenossenschaft“ deren Verdienste pries, erwähnte sie wohlweislich die nach wie vor umstrittene Wohnwertmiete nicht.
Bei der großen Geburtstagsparty in der Zitadelle Spandau im Juli unternahmen die Oberen der Genossenschaft alles, um Misstöne zu vermeiden. Die „Lustigen Preußen“ schmetterten fröhliche Weisen, der Genossenschaftschor sang gemütliche Altberliner Lieder und der „Ahorn Club“ swingte unbeschwert durch die 30er und 50er Jahre.
Die Genossenschaft hat in den letzten Jahren vier Mietertreffpunkte eingerichtet. Sechs Gästewohnungen stehen den Mietern zur Verfügung. Bei der Bestandssanierung setzt man auf Solarwärme, um die Betriebskosten zu senken. Um dem möglichen sozialen Abstieg ihrer Siedlungen in Hakenfelde und Falkenhagener Feld entgegenzuwirken, entwickelte das Unternehmen ein Bündel von Maßnahmen, um Mitbestimmung, Selbstverantwortung und Identifikation zu fördern und so die Wohnquartiere zu stabilisieren.
Etwas Sonnenschein hätte die „Charlotte“ also zumindest an diesem verregneten Tag in der Zitadelle schon verdient. Wenn da nicht die Wohnwertmiete wäre. Im Jahr 2000 eingeführt, sollte sie „eine gewisse Mietengerechtigkeit innerhalb gleichwertiger Wohnhausgruppen“ herstellen. Der dafür entwickelte Kriterienkatalog berücksichtigt den Standort, den baulichen Zustand, Lärmbelastungen und energetische Merkmale. Die Mieten reichen von 4,27 bis 4,81 Euro. Die Wohnwertmiete wird nur bei preisfreiem Wohnraum angewendet, im Sozialen Wohnungsbau oder bei mit anderen Fördermitteln errichtetem Wohnraum kann sie aus rechtlichen Gründen nicht angewendet werden. Auch wenn der Berliner Mietspiegel eine Obergrenze definiert – bis dort bietet diese „Unternehmensmiete“ viel Spielraum für Mieterhöhungen. Das „Geburtstagsgeschenk“ der Genossenschaft an ihre Mitglieder: Mit der nächsten Mieterhöhung für bestehende Mietverträge ist ab Oktober 2007 zu rechnen.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 9/07
Negative Schlagzeilen machte der Jubilar mit seiner ‚Wohnwertmiete‘
Foto: Christian Muhrbeck
Buchtipp
Amann, Renate; Neumann-Cosel, Barbara von: Die „Charlotte“ – Eine Hundertjährige mit Zukunft. Berlin 2007, 111 Seiten, 10 Euro
16.07.2013