Im Juli sind sechs Berliner Wohnsiedlungen der Moderne in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen worden. Es ist das erste Mal, dass Denkmale der sozialen Wohnraumversorgung diesen Titel verliehen bekommen haben. Über 10.000 Mieter wohnen dort.
Über zehn Jahre, nachdem das Landesdenkmalamt die Initiative ergriffen hatte, zählen nun die Gartenstadt Falkenberg (Bohnsdorf, erbaut 1913 bis 1915), die Siedlung Schillerpark (Wedding, 1924 bis 1930), die Hufeisensiedlung (Britz, 1925 bis 1931), die Wohnstadt Carl Legien (Prenzlauer Berg, 1928 bis 1930), die Weiße Stadt (Reinickendorf, 1929 bis 1931) und die Großsiedlung Siemensstadt (1929 bis 1931) zum UNESCO-Welterbe. Sie füllen zwei Lücken in der Welterbeliste: Sie stehen einerseits für die Epoche der Moderne, andererseits für die Bauaufgabe sozialer Wohnraumversorgung.
Während man sich um den baulichen Zustand der Siedlungen wenig Sorgen machen muss – schließlich sind die Bauten zum großen Teil in den letzten Jahren denkmalgerecht saniert worden -, droht der soziale Charakter der neuen Welterbestätten verloren zu gehen. Keine der Siedlungen befindet sich noch in öffentlicher Hand. Die GSW, der die größeren Teile der Weißen Stadt und der Siemensstadt gehören, ist an sogenannte Heuschrecken verkauft worden, die ehemals landeseigene Gehag, Bauherrin der Hufeisensiedlung sowie teilweise der Weißen Stadt und der Siemensstadt, ist heute Teil der börsennotierten Deutsche Wohnen, die ehemals gewerkschaftliche BauBeCon ist mit der Wohnstadt Carl Legien in der ebenfalls an der Börse gehandelten „Pirelli RE“ aufgegangen. Dort werden bei Neuvermietungen Kaltmieten um 6,20 Euro pro Quadratmeter verlangt – Mieten, die weit über dem Mittelwert des Berliner Mietspiegels liegen. Nur die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892, der die Gartenstadt Falkenberg und die Siedlung Schillerpark gehören, ist noch dem ursprünglichen sozialen Gedanken verpflichtet.
Der Welterbe-Status bedeutet vor allem Prestige. Es gibt weder zusätzliche Gelder noch Restriktionen, die über den schon bestehenden Denkmalschutz hinausgehen. Befürchtungen, es könnte zum Beispiel das Betreten der Grünflächen verboten werden, sind allerdings nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/08
Um die Bausubstanz muss man sich nicht sorgen, aber um den sozialen Hintergrund: Welterbe-Siedlung (hier: Gebäude der Wohnstadt Carl Legien)
Foto: Christian Muhrbeck
10.07.2013