In den Jahren 1928 bis 1930 nach Plänen von Walter Gropius und Hans Scharoun erbaut, ist die Siedlung Siemensstadt mit ihren 1370 Wohnungen ein Musterbeispiel für die Architektur des Neuen Bauens – und seit Juli 2008 Weltkulturerbe. Nahezu täglich besichtigen Touristen und Architekturstudenten aus aller Welt das Ensemble – das sich allerdings in einem desolaten Zustand befindet.
Zum 75. Geburtstag der Siedlung Siemensstadt vor fünf Jahren hat die „GSW Immobilien GmbH“ zehn Wegweiser mit Informationen zur denkmalgeschützten Großsiedlung Siemensstadt aufgestellt. Sie schmückt sich gern mit ihrem architektonischen Erbe.
Helmut Beyer wohnt seit Mitte der 80er Jahre in der Goebelstraße 122, einem Laubenganghaus, von Walter Gropius entworfen. Mieter, die seit Kriegsende in dem Haus wohnen, berichten, dass seitdem weder Treppenhäuser noch die Laubengänge reno-viert wurden. Die Schäden sind offensichtlich: abblätternde Farbe im Treppenhaus und an den Fenstern, rostende Entwässerungsrohre, Risse und Feuchteschäden in den Böden der Laubengänge. Helmut Beyer: „Eine Schande, wie altes Kulturgut vergammelt!“
Seit vier Jahren dringt er bei der GSW auf eine Beseitigung der Mängel. Aber weder Thomas Zinnöcker, Vorsitzender der GSW-Geschäftsführung, noch Ex-Senatorin Ingrid Stahmer, Ombudsfrau der GSW, würdigten seinem Anliegen eine Antwort. Im Oktober 2008 besichtigte und fotografierte ein GSW-Mitarbeiter die Schäden, versprach Hilfe – und ward nicht wieder gesehen. Lediglich ein Putzschaden und schadhafte Stellen im Belag des Treppenhauses wurden beseitigt. Auf seine Frage, wann denn die zahlreichen weiteren aufgezeigten Mängel repariert würden, erhielt Helmut Beyer bis heute keine Antwort. GSW-Sprecher Thomas Rücker verweist darauf, dass das Unternehmen seit seiner Privatisierung im Jahr 2004 300 Millionen Euro in die Instandhaltung, Modernisierung und Herrichtung existierender Gebäude investiert hat und die Sanierung der einzelnen Wohnanlagen nur Schritt für Schritt möglich sei.
„Sie stehen mitten in einem Denkmal!“, verkündet die GSW stolz auf ihren Informationstafeln. Ist ihr bewusst, dass mitten in diesem Denkmal auch Menschen wohnen?
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 9/09
„Sie stehen im Denkmal“: Treppenhaus in der Goebelstraße 122
Foto: Christian Muhrbeck
06.06.2013