Nach massivem Druck der Öffentlichkeit wegen exorbitant steigender Sozialmieten hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nun einen Gesetzentwurf über den Sozialen Wohnungsbau, das „Wohnraumgesetz Berlin“, vorgelegt. Die Chance auf eine sozial gerechte, am Wohnwert orientierte Miet- und Belegungsbindung für alle Sozialwohnungen wird mit dem Gesetzesentwurf aber verfehlt – so der Berliner Mieterverein.
Nach dem Stopp der Anschlussförderung im Jahre 2003 erhöhten Vermieter zwecks Gewinnerhöhung in innerstädtischen Lagen die Sozialmieten kräftig – das Kostenmietprinzip machte es möglich. Bis zu 13 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche wurden nettokalt verlangt – zuviel für Mieter von Sozialwohnungen. Doch wer nun gehofft hat, der Berliner Senat würde das Problem in Angriff nehmen, den muss der jetzt vorliegende Gesetzentwurf enttäuschen. Für die 28.000 Wohnungen ohne Anschlussförderung soll es beim Kostenmietprinzip bleiben: Das ist das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung („unzulässige Einschränkung des Eigentums“) und angeblicher wirtschaftlicher Notwendigkeit. Statt Mietenbeschränkung kommt nun ein verbessertes Sonderkündigungsrecht.
„Der Senat lässt die Mieter im Stich und verhindert die Verdrängung nicht“, erklärte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild dazu. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden Betroffene nun statt vier sechs Wochen Zeit bekommen, um ihre Wohnung zu verlassen – ein wahrlich mageres Ergebnis, das auch dadurch nicht besser wird, dass der neue Eigentümer sich beispielsweise in einem Zwangsversteigerungsverfahren für drei Jahre nicht mehr auf die Kostenmiete berufen kann. „Wir halten die rechtliche Bewertung des Senats für vorgeschoben und nicht stichhaltig“, erklärte Wild.
Das Berliner Wohnraumgesetz kommt spät und heißt auch nicht Wohnraumfördergesetz wie in anderen Bundesländern, weil man beim Wohnungsbau nichts mehr fördern will. Schon seit vier Jahren hätte der Berliner Senat tätig werden können. Denn seit der Föderalismusreform 2006 sind die Bundesländer ermächtigt, eigene gesetzliche Regelungen zum Sozialen Wohnungsbau aufzulegen. In mehreren Bundesländern ist dies erfolgt. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wurde das Kostenmietprinzip zugunsten der Anwendung des Vergleichsmietensystems abgeschafft.
Auch in Berlin ist man sich darüber einig, dass das bisherige Fördersystem zu absurden Folgen führt. Doch was soll an seine Stelle treten? Bei rund 37 Prozent der noch verbliebenen 161.233 Sozialwohnungen liegt die Miete laut Senat bereits über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Würde man nun also auf die Vergleichsmiete umstellen, ergäbe sich dennoch für große Teile des Sozialwohnungsbestandes eine Miethöhe, die selbst dann für Sozialmieter nicht zu bezahlen wäre, wenn man einen 10- oder 15-prozentigen Abschlag vornehmen würde. Wegen der vielen Leerfelder im Mietspiegel und der Notwendigkeit einer Festlegung der Miete bei einem Neumietvertragsabschluss kommt nach Ansicht des BMV daher nur eine staatlich festgelegte Miete in Frage. Man setze sich für eine Mietentabelle nach Baualter, Lage und Ausstattung ein.
Keine Alternative zur staatlichen Begrenzung
Mit dem Wohnraumgesetz – so der BMV – sollten im Übrigen möglichst lange und möglichst viele Belegungsbindungen aufrecht erhalten werden. Das vom Senat vorgeschlagene Tauschgeschäft – Mieten runter bei 50 Prozent der Wohnungen und Befreiung von Mietpreis- und Belegungsbindungen bei den anderen 50 Prozent – sei problematisch.
Die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, erklärte zum Entwurf über das Wohnraumgesetz: „Meine Gesetzesinitiative verfolgt das Ziel, im Sozialen Wohnungsbau dauerhaft tragbare Mieten zu sichern.“ Der Mieterverein konterte: Wer dieses Ziel ernst meint, sollte auf Belegungsbindungen beharren. Denn Haushalte mit niedrigen Einkommen benötigen auch in Zukunft bezahlbare Mieten.
mm
MieterMagazin 9/10
Sonderkündigungsrecht statt Mietenbegrenzung: Von Erhöhungen auf die Kostenmiete betroffene Sozialmieter landen auf der Straße
Foto: Bernd Friedel
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Geschenke an die Vermieter
Der Gesetzentwurf sieht ein auf fünf Jahre befristetes Angebot zur Rückzahlung der auf den Sozialwohnungen lastenden Aufwendungsdarlehen für die Hauseigentümer vor. In dieser Zeit wird ein pauschaler Abschlag von 10 Prozent von dem durch die Investitionsbank Berlin ermittelten Darlehensbarwert gewährt. Noch einmal 10 Prozent werden abgezogen, wenn der Eigentümer verbindlich versichert, dass er die ortsübliche Vergleichsmiete unterschreitet.
mm
01.06.2013