Das Abgeordnetenhaus hat am 23. Juni gegen den heftigen Protest der betroffenen Sozialmieter, des Berliner Mietervereins (BMV) und der Opposition das Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin (kurz: Wohnraumgesetz) beschlossen. Damit verabschiedet sich der Senat aus dem Sozialen Wohnungsbau.
Mit dem neuen Gesetz werden von den 160.000 Sozialwohnungen Tausende von den sozialen Bindungen befreit. Der Senat bietet den Eigentümern einen Nachlass von 15 Prozent an, wenn sie die Förderdarlehen vorzeitig zurückzahlen. Die Hälfte der Wohnungen in den betreffenden Wohnanlagen stellt der Senat dann von der Belegungsbindung frei.
Bei den 28.000 Sozialwohnungen, für die keine Anschlussförderung mehr bewilligt wurde, gilt nach einem Eigentümerwechsel die ortsübliche Vergleichsmiete. Bisher galt hier die Kostenmiete, die wegen der exorbitant hohen Baukosten bei 13 bis 19 Euro pro Quadratmeter nettokalt liegt. Mehrere Eigentümer nutzten solche Mietforderungen, um die Sozialmieter loszuwerden. Die Mietspiegelwerte liegen jedoch auch nicht gerade im Bereich dessen, was ein Sozialmieter zahlen kann. In den zutreffenden Baualtersklassen hat ein Oberwert schon die 10-Euro-Schallmauer durchbrochen.
Die Initiative „sozialmieter.de“ hoffte, auf erheblich günstigere Mieten zu kommen, wenn statt Bemessung an der Vergleichsmiete bei einem Eigentümerwechsel die Kostenmiete neu berechnet würde. Schließlich haben die Neueigentümer, die die Häuser aus einer Insolvenz heraus erwerben, nicht mehr die hohen Kapitalkosten der ursprünglichen Bauherren zu tragen. „Die rot-rote Koalition schlägt sich endgültig auf die Seite von findigen Immobilienspekulanten, die auf Kosten von Mietern sowie zu Lasten des Landeshaushalts Sozialwohnungen zweckentfremden und exorbitante Renditen erwirtschaften“, erklärt „sozialmieter.de“-Sprecher Sebastian Jung.
Sozialmieter, die die Mieterhöhungen nicht tragen können, sollen nun nach Intervention des Abgeordneten Döring (Linke) länger Chancen auf Mietausgleich haben. Wenn sie sich zum Auszug entschließen, haben sie in Zukunft nicht mehr nur sechs Wochen, sondern sechs Monate Zeit zum Kofferpacken – „ein minimales Trostpflaster“, kommentiert der Berliner Mieterverein.
Dass für Tausende Sozialwohnungen keine Sozialbindungen mehr gelten werden, obwohl ihr Bau gerade zu diesem Zweck mit Milliardensummen von der öffentlichen Hand gefördert wurde, hält BMV-Geschäftsführer Reiner Wild für „skandalös“. Gerade bei der gegenwärtigen Anspannung des Marktes wären Wohnungen für weniger zahlungskräftige Mieter wichtig.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/11
Für die 28.000 Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung gilt
künftig nach einem Eigentümerwechsel der Mietspiegel (hier: Feilner-Höfe in Kreuzberg)
Foto: Sabine Münch
27.03.2013