Äußerst fantasiebegabt zeigte sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner jüngsten Entscheidung zur Kündigungsmöglichkeit „Sonstige Gründe“. Auch wenn nicht der Vermieter, sondern eine ihm nahestehende dritte Person eine Mietwohnung für Büros nutzen möchte, könne dies eine Kündigung rechtfertigen. Ein bundesweit bislang einmaliger Fall, der von Mieterschützern scharf kritisiert wird.
Mit der umstrittenen Entscheidung wurde der Räumungsklage der Evangelischen Kirche Düsseldorf stattgegeben (BGH vom 9. Mai 2012 – VIII ZR 238/11). Diese hatte ihrem Mieter mit der Begründung gekündigt, dass in der Wohnung eine Beratungsstelle der Diakonie eingerichtet werden soll. Obwohl diese beiden Organisationen wirtschaftlich unabhängig voneinander sind, erkannten die Karlsruher Richter ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses an. Begründung: Beide gehörten zum Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche und hätten gemeinsame diakonische Aufgaben zu erfüllen. Daher mache es juristisch keinen Unterschied, ob die geplante Beratungsstelle vom Kläger selbst oder einer ihm nahestehenden juristischen Person betrieben werde.
„Mit dieser Entscheidung werden die Kündigungsmöglichkeiten für Vermieter unangemessen erweitert“, kritisiert der Direktor des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten. Was viele Mieter gar nicht wissen: Neben den weitaus üblicheren Begründungen Eigenbedarf, Hinderung wirtschaftlicher Verwertung und Vertragsverletzung durch den Mieter kann der Vermieter auch unter Berufung auf „sonstige berechtigte Interessen“ kündigen. „Statt diese Gummiklausel enger zu fassen, werden die Kündigungsmöglichkeiten mit diesem BGH-Urteil noch ausgeweitet“, befürchtet Rechtsexperte Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein.
Birgit Leiß
MieterMagazin 9/12
Der Bundesgerichtshof hat ein umstrittenes Urteil zur Begründung einer Kündigung gefällt
Foto: Wikipedia
06.07.2017