Vor allem junge Männer wohnen immer länger bei ihren Eltern, in Deutschland mehr als jeder Dritte im Alter bis 25 Jahren, in Italien sogar 70 Prozent. Was sie daheim hält, sind lange Ausbildungszeiten und schlechte Zukunftsperspektiven. Aber auch Bequemlichkeit.
Die Konflikte mit den Eltern gering, die wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig – letztendlich ist es aber vor allem bequem: „Hotel Mama“ ist für viele junge Erwachsene die Wohnform Nummer eins. So stecken 38 Prozent der jungen Männer hierzulande mit 25 Jahren immer noch die Beine unter den elterlichen Tisch. Das besagen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Auch wenn die letzte Übersicht dazu den Stand des Jahres 2010 widerspiegelt: An der Situation dürfte sich auch 2011 und 2012 kaum etwas geändert haben. Denn die Tendenz hält seit 30 Jahren an: Wohnte 1980 im alten Bundesgebiet nur etwa ein Fünftel noch bei den Eltern, ist es heute ein Drittel aller 25-Jährigen.
Die Psychologin Christiane Papastefanou, die das Problem der „Nesthocker“ in einer Studie für die Uni Mannheim untersuchte, macht dafür unter anderem lange Ausbildungs- und Studienzeiten verantwortlich, die die Abhängigkeit von den Eltern verstärken. Und das hat dort umso größere Auswirkungen, wo es materielle Unterstützungen wie Wohngeld und BAföG nicht gibt und wo es nach einer Ausbildung auch schwierig ist, einen Arbeitsplatz zu finden: In Italien sollen 70 Prozent aller unverheirateten Männer über 30 noch bei den Eltern wohnen. „Mammismo“ wird das Problem dort genannt. Italien ist zwar der klare europäische Spitzenreiter, aber auch Spanien, Frankreich und England verzeichnen eine hohe Buchungsrate im Hotel Mama.
Auch wenn schwierige materielle Verhältnisse oft eine Rolle spielen – es gibt auch andere Gründe für eine späte Abnabelung: „Kinder müssen heute seltener aus autoritärer Erziehung flüchten“, urteilt Christiane Papastefanou. Aber warum sind es vor allem junge Männer, die sich gerne nah am mütterlichen Herd aufhalten? Junge Frauen ziehen weit eher daheim aus: 2010 wohnten nur noch 21 Prozent von ihnen im alten Kinderzimmer. Christiane Papastefanou: „Gerade für junge Männer ist das Elternhaus oftmals ein Servicebetrieb. Dazu kommt: Wenn einer von Mama verpflegt wird, kann er sich eben ein größeres Auto oder teurere Freizeitbeschäftigungen leisten.“
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 9/12
Angenehme Verhältnisse, gesicherte Grundversorgung – da besteht kein Anlass, das Nest zu verlassen
Foto: E. Schittenhelm/Fotolia
13.06.2018