Das Land Berlin möchte die privatisierten Anteile an den Berliner Wasserbetrieben (BWB) zurückkaufen. Nach dem Energiekonzern RWE hat sich im Juni auch der Mischkonzern Veolia bereit erklärt, seinen Anteil zu veräußern. Der Senat hat den Rückkauf des RWE-Anteils im Juli bereits beschlossen. Die Initiatoren des erfolgreichen Volksbegehrens zur Offenlegung der Wasserverträge lehnen einen Rückkauf hingegen ab, weil sie befürchten, dass die Verbraucher die Zeche in Form von anhaltend hohen Wasserpreisen zahlen müssen.
Den privaten Anteilseignern der BWB scheint die Freude am Geschäft mit dem Berliner Wasser abhanden gekommen zu sein. Schon mit den ersten Abmahnungen des Bundeskartellamtes, die Preise für das Berliner Wasser zu senken, hat RWE seine Anteile angeboten. Kurz nachdem die Kartellbehörde im Juni eine sofort umzusetzende Preissenkung um 18 Prozent endgültig verfügt hatte, erklärte auch der zweite private Anteilseigner Veolia seine Bereitschaft, die Anteile abzugeben. Die Rendite beim Wasser in Berlin scheint nicht mehr attraktiv zu sein.
Seit 1999 haben RWE und Veolia, aber auch das Land Berlin mit der Wasserversorgung ein gutes Geschäft gemacht. In zwölf Jahren konnten RWE und Veolia 1,518 Milliarden Euro als Gewinn verbuchen, während der Senat als Mehrheitseigner einen Gewinn von 923 Millionen Euro machte. Die Wasserpreise stiegen in dieser Zeit für die Verbraucher um fast 35 Prozent.
Im Juli hat der Senat beschlossen, die RWE-Anteile für rund 650 Millionen Euro zurückzukaufen. Wenn das Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause zustimmt, hat das Land Berlin rückwirkend zum 1. Januar 2012 seinen Anteil an den BWB auf 75,05 Prozent erhöht. Ein Erwerb der bei Veolia verbleibenden Anteile zu gleichen Konditionen ist im Gespräch.
„Die Finanzierung des Rückkaufs kann ohne Belastung des Haushalts aus den Berliner Wasserbetrieben heraus erfolgen“, versichert Finanzsenator Ulrich Nußbaum. „Die Refinanzierung ist auch im Falle einer Senkung der Wasserpreise gemäß Verfügung des Bundeskartellamts gesichert.“
„Die Behauptung von Senator Nußbaum, dass der Rückkauf keine Belastung für die Berliner Wasserkunden darstelle, ist ein Märchen“, erklärt der Berliner Wassertisch, der das Volksbegehren angestoßen hatte. Der Wassertisch und die abgespaltenen Berliner Wasserbürger lehnen einen Rückkauf ab. Thomas Rudek, Sprecher der Wasserbürger, hält den Rückkauf für einen Skandal: „Diese teure Rekommunalisierung muss gegenfinanziert werden, zu Lasten der Verbraucher. Statt die Anfechtung der Verträge abzuwarten und sich für eine kostengünstige Rekommunalisierung einzusetzen, werden wir zur Kasse gebeten.“
Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche sieht in dem Rückkauf „die konsequente Fortsetzung der Beutegemeinschaft“ und befürchtet, dass „den Berliner Wasserkunden weiterhin über 30 Jahre hohe und zukünftig steigende Wasserpreise“ ins Haus stehen. Auch Gerwald Claus-Brunner von der Piratenfraktion nennt Nußbaums Rückkauf-Pläne „inakzeptabel“. Die Parlamentsopposition und die Initiativen sind auch darüber empört, dass der Senat das Ergebnis des Sonderausschusses im Abgeordnetenhaus nicht abwartet.
Die Gutachter widersprechen sich
Im diesem Ausschuss stellen beide Seiten Rechtsgutachten gegeneinander. „Wir haben aufgezeigt, wie die Abgeordneten mit einer Organklage die Voraussetzungen schaffen können, um die Nichtigkeit der Wasserverträge durchzusetzen“, erklärt Sabine Finkenthei vom Arbeitskreis unabhängiger Juristen. Ein Gegengutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses kommt hingegen zu dem Schluss, ein gerichtliches Verfahren sei „als wenig erfolgversprechend anzusehen“. Die Wasserbürger fordern eine Volksabstimmung über den Rückkauf, deren Ergebnis Grundlage für eine Enteignung sein könnte.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/12
Wasserversorgung: Zahlt der Berliner erneut für eine politische Fehlentscheidung?
Foto: Sabine Münch
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Garantierte Rendite
Im Jahr 1999 verkaufte die damalige CDU-SPD-Koalition 49,9 Prozent der BWB zu gleichen Teilen an den Essener Energie-Riesen RWE und den französischen Mischkonzern Vivendi (heute Veolia). Den Investoren wurde bis zum Jahr 2028 eine feste Rendite garantiert. So steht es im Privatisierungsvertrag, dessen Offenlegung erst mit einem Volksbegehren im Jahr 2011 erzwungen wurde. Über Preiserhöhungen zahlen vor allem die Berliner Verbraucher die Zeche. Die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes wird von den Berliner Wasserbetrieben angefochten.
js
30.03.2013