Mit der innovativen Verknüpfung technischer Komponenten will das Wohnungsunternehmen Degewo ein Mietshaus in der Havensteinstraße 20/22 in Lankwitz zum ersten Eigenenergiehaus Deutschlands umbauen. Das bringt den Mietern einige Vorteile: Die Betriebskosten, die vom Bezug der Brennstoffe und deren Preisen bestimmt werden, bleiben stabil. Der Umbau führt aber auch zu höheren Mieten.
Neu ist vor allem die Kombination von Fotovoltaik, Solarthermie, Strom- und Wärmespeicherung, Wärmepumpen und hocheffizienter Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Die Gebäudehülle wird mit 20 Zentimeter Mineralwolle auf Passivhaus-Standard gedämmt und erhält die besten verfügbaren Dreifachverglasungen. Die Degewo investiert rund 4,8 Millionen Euro in den Umbau des Hauses. Das sind etwa 1300 Euro pro Quadratmeter – mehr als das Doppelte einer Standardmodernisierung.
Prof. Dr.-Ing. Friedrich Sick von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, bestätigt: „Das erarbeitete Konzept erfüllt die Aufgabe vollständig im Hinblick auf die Wärmeversorgung und die Stromversorgung für Haustechnik und Allgemeinstrom und einen Teil des Stromverbrauchs der Mieter.“
Die Mieter der 64 Zwei- und Dreizimmerwohnungen sollen bei Beginn der Umbauarbeiten im Jahr 2016 für mindestens 15 Monate das Haus verlassen. Im Juni 2014 gab es eine Mieterversammlung, an der etwa 40 der 64 Mietparteien teilnahmen. Elke Benkenstein, Leiterin des Degewo-Kundenzentrums City, versichert: „Wir machen allen Mietern ein Angebot für eine neue, bezahlbare Wohnung in der Nähe und übernehmen die Umzugskosten.“ Nach Ende der Baumaßnahmen können die Mieter zurückziehen. Unternehmenssprecher Lutz Ackermann: „Einige Mieter sehen diese Situation auch als Chance, den ohnehin geplanten Umzug jetzt anzugehen.“
Die Mehrheit der Mieter reagiert allerdings verärgert. Lukasz Schubert zum Beispiel, im Oktober 2012 eingezogen, hat viel Geld in seine Wohnung investiert. Er hat nichts gegen eine Umsetzwohnung, will aber seinen alten Mietvertrag behalten. Viele Mieter wohnen seit Jahrzehnten im Haus. Hier sind vom Wohnungsunternehmen noch Voraussetzungen für einen sozialverträglichen Umzug zu schaffen.
Auch wenn die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser, die zurzeit bei durchschnittlich 1,05 Euro pro Quadratmeter liegen, nach dem Umbau nur noch 0,29 Euro pro Quadratmeter betragen – die Miete, jetzt rund 6,50 Euro nettokalt, liegt dann bei 7,50 Euro pro Quadratmeter – oder sogar bei 9 bis 9,50 Euro, wie auf der Mieterversammlung angedeutet wurde. Die Degewo hofft, bei dem Projekt mit einer „schwarzen Null“ herauszukommen. Das Haus soll als „Trainingsobjekt“ für die anderen 1500 Wohnungen der Siedlung dienen. Auch deshalb sollten die Mieter besonders auf ihre Rechte achten.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 9/14
Dieses Lankwitzer Gebäude soll seinen Energiebedarf komplett selbst erzeugen
Foto: degewo/IBUS Architekten und Ingenieure
29.09.2014