Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen preiswerten Wohnraum schaffen. Im ersten Bauvorhaben des Wohnungsunternehmens Gesobau sind aber paradoxerweise nur wenige Wohnungen für den Durchschnitts-Verdiener bezahlbar. Um schnell Erfolge vorweisen zu können, greift das Unternehmen zudem auf ungeeignete Grundstücke zurück.
16. Juni 2014 an der Dietzgen-, Ecke Blankenburger Straße in Niederschönhausen: Die Gesobau feiert mit Stadtentwicklungssenator Michael Müller den ersten Spatenstich für die „Pankower Gärten“. 100 neue Wohnungen werden hier entstehen. Michael Müller freut sich, dass seine Neubauoffensive in Fahrt kommt, und hebt die wichtige Rolle der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hervor: „Wie jetzt die Gesobau bauen sie den dringend benötigten günstigen Wohnraum in allen Stadtteilen“, so Müller.
Doch mit „günstig“ ist das so eine Sache: Nur bei 35 der 100 Wohnungen sind Nettokaltmieten von 6,90 Euro pro Quadratmeter vorgesehen. Die übrigen Wohnungen kosten stolze 11,25 Euro, für die Townhouses mit Garten auf dem hinteren Grundstück zahlt man sogar 11,65 Euro.
Ähnliches plant die Gesobau auch im Weißenseer Komponistenviertel. Hinter dem Haus Gounodstraße 29-33 will sie – ergänzend zu einem Lückenschluss an der Straßenfront – sechs Townhouses in den kleinen Gartenhof bauen. Das Unternehmen kalkuliert hier mit einer Durchschnittsmiete von 9,50 Euro. Es ist also eine vergleichbare Preisspreizung zu erwarten wie in den „Pankower Gärten“. Für lediglich zehn Wohnungen, die im Hof entstünden, sollen 20 geschützte Bäume gefällt werden. Dagegen hat sich die Bürgerinitiative „Stop Gounod 25“ gebildet: „Wir sind nicht gegen Neubau in Berlin, aber hier stehen gewonnener Wohnraum und dafür verlorene Wohnqualität im Quartier in krassem Missverhältnis“, sagt Jörn Bungartz von der Initiative.
Die Anwohner haben einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, mit dem sogar mehr Wohnungen gebaut werden könnten: Wenn die Gesobau das Dachgeschoss ihres Bestandsgebäudes ausbaut und an dessen anderer Giebelseite ebenfalls in der Straßenflucht ein fünfgeschossiges Haus errichtet, könnte sie den Hof so grün lassen, wie er ist. Lars Holborn, Gesobau-Verantwortlicher für Pankow, zeigte sich dem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen und sagte zu, damit an den Bezirk heranzutreten: „Ich bin gespannt, ob da ein Weg hinführt.“
Der Bau von Townhouses mit Nettokaltmieten über 11 Euro ist jedenfalls kein Weg zur Entspannung des Wohnungsmarktes. Und ein kopfloses Bebauen zufällig verfügbarer Grundstücke hat nichts mit einer verantwortungsvollen Stadtplanung zu tun.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/14
Gewonnener Wohnraum und verlorene Wohnqualität sollten gegeneinander abgewogen werden: Nachverdichtungsareal in Weißensee
Foto: Nils Richter
05.11.2018