Vermieter blasen zum Sturm auf den Berliner Mietspiegel. Vor den Gerichten versuchen sie, ihm die Rechtskraft abzusprechen, um stärkere Mieterhöhungen durchsetzen zu können und die Mietpreisbremse ins Leere laufen zu lassen. Auch wenn die Vermieter damit in einzelnen Fällen Erfolg haben – vor den Gerichten wird der Mietspiegel ganz überwiegend bestätigt.
Großes Aufsehen hat ein Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. Mai 2015 erregt. Die Berichterstattung über dieses nicht rechtskräftige Urteil erweckte den Eindruck, der Berliner Mietspiegel sei ab sofort ungültig. Das ist falsch. Das Urteil ist auch nicht rechtskräftig, da die betroffenen Mieter mit Hilfe des Berliner Mietervereins (BMV) Berufung eingelegt haben.
Keinen geringen Anteil an der Verunsicherung hatte die Justiz-Pressestelle, die über dieses Urteil eine Pressemitteilung verfasste und dem Fall damit eine höhere Bedeutung zuschrieb als vielen anderen Gerichtsentscheidungen, die den Mietspiegel bestätigt hatten. So ergingen allein vom Amtsgericht Charlottenburg in den vorangegangenen zwölf Monaten fünf Urteile zu Gunsten der Wirksamkeit des Mietspiegels und auch die 18. Kammer des Landgerichts Berlin hat als Berufungsinstanz am 20. April 2015 den Mietspiegel gebilligt – ohne dass die Pressestelle darüber ein Wort verloren hatte.
„Die Berliner Justiz hat damit deutschlandweit massiv zur Verunsicherung von Mietern wie Vermietern beigetragen“, beschwert sich Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Die 67. Kammer des Landgerichts bestätigte im Juli den Mietspiegel 2013 ebenfalls, auch wenn das Gericht sich nicht festgelegt hat, ob er als qualifiziert gelten kann. Auf jeden Fall sei der Mietspiegel eine geeignete Schätzgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete, so das Gericht. „Mit dem Urteil werden teure Gutachterkosten vermieden, die in der Regel am Ende vom Mieter zu bezahlen sind“, sagt Reiner Wild. „Ungeachtet dessen ist nach unserer Auffassung der Berliner Mietspiegel 2013 ein qualifizierter Mietspiegel.“
Zu einem anderen Urteil kam jedoch im Juli die 63. Kammer des Landgerichts. Die Richterin stützte sich dabei auf ein Gutachten des Dortmunder Statistik-Professors Walter Krämer, das besagt, dass unter anderem die Datengrundlage nicht repräsentativ, die Extremwertbereinigung falsch und der Mietspiegel 2009 deshalb nicht qualifiziert sei. Auch die Wohnlageneinordnung wurde kritisiert.
Den Angreifern geht es nicht darum, einen besseren Mietspiegel zu schaffen, sondern um eine Deregulierung von Mieterhöhungen. Seitdem die Mietpreisbremse gilt, werden die Mieten auch bei der Wiedervermietung durch die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt. „Der Berliner Mietspiegel zählt deutschlandweit wegen seiner anwenderfreundlichen Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu den besten seiner Art“, erklärt Reiner Wild. Damit die Angriffe auf den Mietspiegel aufhören, fordert der BMV vom Bundesjustizminister eine Rechtsverordnung über verbindliche Standards zur Erstellung von Mietspiegeln.
Jens Sethmann
Landgericht Berlin
18 S 411/13 vom 20. April 2015 (zum Mietspiegel 2013),
67 S 120/15 vom 16. Juli 2015 (zum Mietspiegel 2013),
63 S 220/11 vom 17. Juli 2015 (zum Mietspiegel 2009)
31.08.2015