Die Großstadt Berlin war um 1900 der Nährboden für Reformer, Aussteiger, Wanderprediger und Utopisten, die ins nahe Brandenburg ausschwärmten. Jenseits der Zwänge der modernen Massengesellschaft wollten sie sich selbst verwirklichen. Nicht zuletzt wollte man so zur Rettung der Welt beitragen.
Sie schufen im Berliner Umland Nacktbadeoasen, gründeten Gartenstädte und probierten sich in biodynamischer Landwirtschaft und Naturheilkunde aus. Das kürzlich erschienene Buch „Einfach.Natürlich.Leben. Lebensreform in Brandenburg 1890-1939“ gewährt einen interessanten Einblick in diese vielfältige Experimentierszene. Vorgestellt werden unter anderem der Motzener See als Zentrum der Berliner Freikörperkulturbewegung, die Obstbausiedlung Eden in Oranienburg, die genossenschaftlich organisierte Kunsthandwerker-Siedlung Gildenhall bei Neuruppin und auch Adolf Reichweins reformpädagogisches Schulmodell in Tiefensee. Nichts weniger als Arbeiten, Wohnen, Essen, Kleiden, Heilen, Wirtschaften, Erziehen und Zusammenleben auf eine andere, naturnahe Weise zu gestalten, hatten sich die Lebensreformer auf ihre Fahne geschrieben. Überraschende Erkenntnis: Öko, Bio und Wellness sind keine Wohlstandserfindungen des 21. Jahrhunderts.
js
Christiane Barz (Hg.): Einfach.Natürlich.Leben. Lebensreform in Brandenburg 1890-1939, vbb-Verlag, Berlin 2015, 24,99 Euro (im Museumsshop 19 Euro)
Gleichnamige Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, Potsdam, bis 22. November, geöffnet Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag und an Feiertagen 10 bis 18 Uhr, Tel. 0331 620 85 50
27.08.2015