Berlin hat fast doppelt so viele Ferienwohnungen wie bislang angenommen. Der größere Teil davon wird offenbar illegal angeboten. Mitte-Stadtrat Stephan von Dassel (Soziales/Bürgerdienste) will gegen die Betreiber jetzt härter vorgehen.
Von 12.000 Ferienwohnungen in Berlin sind Senat und Behörden bislang ausgegangen. Für gut die Hälfte davon gingen bis Ende 2014 Anträge auf Genehmigung einer Zweckentfremdung ein. Die andere Hälfte, so die Vermutung, wird größtenteils illegal auf dem Touristenmarkt angeboten.
Nun hat der für Zweckentfremdungen im Bezirk Mitte zuständige Stadtrat Stephan von Dassel eine Untersuchung bei dem IT-Beratungsunternehmen „Neofonie“ in Auftrag gegeben, das auf 17 Internetportalen 23.100 Ferienwohnungsangebote in der gesamten Stadt ermittelte. Damit würde sich die Zahl der offenbar illegal betriebenen Touristenherbergen auf 17.500 erhöhen. Allein im Bezirk Mitte fand „Neofonie“ 4900 Angebote, Meldungen liegen aber nur für 1557 Wohnungen vor.
Während von Dassel ankündigte, seine Daten bis September auch den anderen Bezirken zur Verfügung zu stellen, herrscht zwischen Stadtrat und der Datenschutzbehörde des Landes eine unterschiedliche Auffassung über die Zulässigkeit der vorgenommenen Datenerhebung (siehe auch MieterMagazin 7+8/2015, Seite 14: „Zweckfremdes Verbot“). Während der Datenschutz einen personenbezogenen „Anfangsverdacht“ fordert und ein generelles „Durchkämmen“ der Anbieter-Seiten im Internet untersagt, kommt ein von Mittes Stadtrat in Auftrag gegebenes Gutachten des Juristen Niko Härtig zu dem Schluss, dass der geforderte Anfangsverdacht auch vorliegen kann, ohne dass man einen Täter namentlich kennt.
Alexander Dix, Berlins Datenschutzbeauftragter ist wenig begeistert, dass ein Politiker die Auffassung eines externen Gutachters über die Einschätzung seiner Behörde stellt und hat von Dassel für seine Ermittlungsmethode eine Rüge angedroht. Doch von Dassel sagt, er sei gerne bereit, den Rüffel entgegenzunehmen, sieht er sich doch mit den vorhandenen Daten nunmehr in der Lage, die Zweckentfremder zu ermitteln und die Fremdnutzung belegen zu können.
Die sich bisher offenbar in Sicherheit wiegenden illegalen Anbieter laufen jetzt weitaus mehr Gefahr, mit beachtlichen Bußgeldern belegt zu werden. Von Dassel empfiehlt den illegalen Unterkunfts-Betreibern, ihre Wohnungen schleunigst regulär an Mieter zu vermieten und dies der Bezirksbehörde durch Verträge nachzuweisen.
Seine Äußerung, dass die Wiedervermietung sein oberstes Ziel ist und der dazu bereite Wohnungsinhaber mit Nachsicht bei der Bemessung eines Bußgeldes rechnen kann, darf man wohl als „letzten Warnschuss“ werten: Offenbar ist er mit seiner Datensammlung tatsächlich in der Lage, gegen illegale Anbieter eine härtere Gangart einzuschlagen. Bis zu 50.000 Euro Geldbuße sind ihnen angedroht. Demgegenüber waren von Dassels Ausgaben eher gering: Für die Datenuntersuchung und sein juristisches Gutachten hat er nur 12.000 auf den Tisch gelegt.
Udo Hildenstab
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
07.05.2016