Das Rad die enge Kellertreppe runtertragen? Dann lieber über die Schulter und oben im Flur oder auf dem Balkon abgestellt. Bequeme und sichere Radabstellplätze haben Berliner Vermieter noch nicht so recht im Fokus. Es beteiligte sich auch nur ein einziger von ihnen am bundesweiten Wettbewerb „Fahrradfreundliche Wohnungswirtschaft“.
Es gibt sie: Abgeschlossene Fahrradhäuser mit sicheren Stellplätzen, über Rampen bequem erreichbar und selbstverständlich mit Steckdosen für die Aufladung von E-Bikes ausgestattet. Dazu eine kleine Selbsthilfe-Werkstatt – und regelmäßig die Einladung zu einer gemeinsamen Fahrradtour. Mit solch bikerfreundlichen Angeboten konnten Vermieter aufwarten, die sich am Wettbewerb „Fahrradfreundliche Wohnungswirtschaft“ beteiligt hatten, ausgelobt vom „Bundesdeutschen Arbeitskreis für umweltbewusstes Management!“ (B.A.U.M.). Die ersten drei Preisträger kamen aus Hoyerswerda, der Gartenstadt Farmsen – einem Stadtteil von Hamburg – und aus Berlin. „Bike Living“ heißt das Konzept aus Berlin, in dem es um fahrradfreundliches Wohnen geht. Es war allerdings der einzige Wettbewerbsbeitrag aus der Hauptstadt.
Bei den großen hauptstädtischen Vermietern, so meint Philipp Poll, Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Berlin, sei das Thema fahrradfreundliche Stadt noch nicht so recht angekommen. „Aber davon kann man sich freikaufen“, kritisiert Poll. Oder man verbanne die Räder einfach in die hinterste dunkle Ecke einer Tiefgarage.
Dabei gibt es sowohl klare Vorgaben als auch praktische Empfehlungen, wie Abstellplätze für Räder aussehen müssen: Das Velo soll einen sicheren Stand an einem Metallbügel haben, mit ausreichend Platz zum Ein- und Ausparken und der Möglichkeit sowohl den Rahmen als auch Vorder- und Hinterrad anzuschließen.
„Die idealen Stellplatz-Bedingungen lassen sich in dicht bebauten Altbaubezirken nicht so einfach herstellen“, wendet Kirsten Huthmann ein, Pressesprecherin des Wohnungsunternehmens Gesobau. In Großsiedlungen wie dem Märkischen Viertel sei es dagegen sehr viel besser möglich, fahrradfreundliche Bedingungen zu schaffen. „Das haben wir bei Modernisierungen auch immer gleich mit in Angriff genommen“, so Kirsten Huthmann. „Müllstandorte, die nicht mehr gebraucht werden, haben wir in große Fahrradkäfige umgewandelt und Treppenhäuser und Freiflächen in den Häusern so gestaltet, dass abschließbare Räume unter anderem auch für Räder entstanden sind.“ An installierten Steckdosen können da auch gleich die E-Bikes aufgeladen werden. Huthmann: „Der Bedarf von solchen Unterstellflächen steigt ganz enorm an.“
Besonders groß ist der Bedarf schon immer beim Studentenwerk Berlin: „In unseren Anlagen muss für jeden Bewohner mindestens ein Fahrradstellplatz vorhanden sein“, sagt Ricarda Heubach, Abteilungsleiterin Studentisches Wohnen. Dabei könnten aber längst nicht überall Wünsche nach überdachten, abschließbaren oder auch kameraüberwachten Stellplätzen erfüllt werden. Die zu bauen sei im Übrigen auch nicht billig – bis zu 5 Euro im Monat kostet ein solches Angebot. „Da nehmen die meisten ihr Rad lieber mit aufs Zimmer.“ Was aber unschöne Folgeschäden haben kann: beschmutzte und beschädigte Wände in Treppenhaus und Wohnung.
Preisgekrönte Idee
Mit „Bike Living“ ist der Berliner Preisträger des Bundeswettbewerbs genau dieses Problem angegangen. Er nutzte die Gegebenheiten eines einstigen Hertie-Kaufhauses, in dessen oberen Etagen Wohnungen entstanden. Mit einem reaktivierten Lastenfahrstuhl können nun die oft teuren Räder bequem mit in die Wohnungen genommen und dort in extra geschaffenen Nischen in den Wohnungsfluren abgestellt werden. Und auch unten auf dem Innenhof installierte der private Vermieter zusätzlich viele Fahrradstellplätze – übrigens auf Wunsch vieler Anwohner ringsum, die im dicht besiedelten Moabit, direkt am U-Bahnhof Turmstraße, wenig Möglichkeiten haben, ihre Räder sicher anzuschließen.
Rosemarie Mieder
Vorbildlich: Bernau
Seit 2004 nennt sich Berlin Fahrradstadt. Der Anteil des Radverkehrs ist inzwischen um 50 Prozent gestiegen. Besonders für Pendler wird es nun immer enger an den Stellplätzen. Das brandenburgische Bernau ist da ein Vorbild: Hier öffnete bereits 2013 ein Fahrradparkhaus. 1,65 Millionen Euro investierte die Kommune. Auf drei Etagen entstanden 600 Stellplätze. Die können gratis genutzt werden. Abschließbare Boxen kosten 95 Euro pro Jahr.
rm
21.12.2016