Den Spuren der Hausbesetzerbewegung begegnet man in Berlin auf Schritt und Tritt. Ohne sie würden die Regenbogenfabrik, das Bethanien und auch zahlreiche mittlerweile schick sanierte Altbauten heute nicht mehr stehen. Doch was wollten die Aktivisten damals?
Das Geschwisterpaar Barbara und Kai Sichtermann lässt diejenigen erzählen, die damals an vorderster Front mit dabei waren. Aus ihrer Nähe zur Szene machen sie dabei keinen Hehl. Kai Sichtermann war Bassist der legendären Band „Ton, Steine, Scherben“, die in den wilden 1970er und 80er Jahren häufig auf Demos oder in besetzten Häusern spielte. Die Interviewpartner, darunter Daniel Cohn-Bendit, dürfen Anekdoten über ihr Leben zwischen Volxküche, Plenum und Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei zum Besten geben, halten aber auch selbstkritisch Rückschau. Es geht zurück in eine Zeit, als Häuser massenhaft leer standen – etwa 170 sollen es in West-Berlin Anfang der 1980er gewesen sein. Der Widerstand war aber nicht nur ein Protest gegen diese Wohnungspolitik. Für Künstler, Psychiatrie-Entlassene, Punks, Obdachlose und Heimkinder waren die besetzten Häuser Freiräume, die ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichten. Im Mittelpunkt des durch zahlreiche historische Fotos und Zeitungsartikel angereicherten Buches stehen die Besetzer-Hochburgen Berlin, Hamburg, Köln und Frankfurt/Main. Das Kapitel über die Besetzerszene in der DDR wartet mit einer hübschen Geschichte über Angela Merkel auf, die seinerzeit kurzerhand das Schloss einer leerstehenden Wohnung in Berlin-Mitte aufgebrochen hatte. „Schwarzwohnen“ nannte man dort diese weit verbreitete Inbesitznahme einer Wohnung.
bl
23.08.2017