Enkel-Trick, falscher Polizist, angeblicher Handwerker – obwohl die Betrugsmaschen nicht neu sind, haben sie immer noch Erfolg – und haben in Zeiten der Corona-Pandemie zugenommen. Die Täter agieren überraschend und äußerst raffiniert, erklärt die Kriminalpolizei, und sie haben besonders die Ältesten im Visier.
Als die Straßen noch wie leergefegt, Cafés, Restaurants und Geschäfte geschlossen waren und sich viele Menschen nahezu den ganzen Tag zu Hause aufhielten, registrierte die Berliner Polizei erst einmal auch einen Rückgang bestimmter Straftaten. Es gab ja kaum Gelegenheiten für Ladendiebstähle, und die Dauerpräsenz in den eigenen vier Wänden machte es Einbrechern deutlich schwerer.
„Doch selbst wenn wir beispielsweise im April viel weniger Straftaten verzeichneten als im Februar – die Betrüger haben sich rasch und professionell auf die neue Lage eingestellt“, erklärt Robert Geißler, Kriminalhauptkommissar aus dem Berliner Landeskriminalamt (LKA).
So kamen schon bald Warnungen aus Nordrhein-Westfalen: Diebesbanden nutzten für ihre Beutezüge zunehmend die Verunsicherung der Menschen in der Pandemie-Situation aus. Sie gaben sich als Sanitäter oder Beamte des Gesundheitsamtes aus, die für angebliche Corona-Tests Vorkasse forderten – oder sich sogar für eine angeblich notwendige Desinfektion Zugang zu Wohnungen verschaffen wollten. Ein erster Fall wurde Ende Juli dann auch der Berliner Polizei angezeigt: Zwei Männer mit Mund-Nasen-Schutz und in rot-weißen Uniformen hatten sich als Arzt und Sanitäter ausgegeben und einem 79-Jährigen Spandauer erklärt, in seinem Haus sei ein Corona-Fall aufgetreten. Nun müssten sie seine Wohnung desinfizieren.
„Während einer der Täter mit einer Sprühdose durch die Wohnung zog, lenkte der andere den Senior ab, indem er bei ihm mehrfach Fieber maß und ihn aufforderte, sich im Bad die Hände zu waschen“, erklärte ein Sprecher der Polizei zu diesem Trickbetrugsfall. Nachdem die ungebetenen Besucher gegangen waren, fehlten Geldbörse und Haustürschlüssel.
Auch wenn diese Vorgehensweise für die zuständigen Ermittlern des Fachkommissariats Trickdiebstahl im Landeskriminalamt bisher neu war, so gibt es doch Parallelen zu früheren Maschen: Die Täter spekulieren auf die Angst der Menschen um ihre Gesundheit und um die ihrer Angehörigen und Freunde.
„So nutzen die Betrüger besonders gern den Enkel-Trick, in Corona-Zeiten allerdings in einer anderen Variante“, erklärt Robert Geißler. Etwa indem der Anrufer oder auch die Anruferin behaupten, sie seien Verwandte und lägen mit einer schweren Infektion im Krankenhaus. Es müsste für die schnelle Behandlung erst einmal sofort Geld für ein Medikament zur Verfügung gestellt werden. Verlangt werden dann oft Tausende von Euro oder wertvoller Schmuck. Ins Visier genommen werden Menschen um die 80 Jahre und älter.
Perfektes Schauspiel, großer Druck
„Man glaubt vielleicht, das könne doch gar nicht mehr funktionieren“, so Robert Geißler. „Aber das Vorgehen der Kriminellen sollte nicht unterschätzt werden.“ Sie würden psychologisch geschickt agieren, seien perfekte Schauspieler, bauten großen emotionalen Druck auf und meldeten sich immer wieder. Der Anrufer bleibe dann am Apparat, bis ein Komplize beim Angerufenen eintrifft, und Geld oder auch Schmuck abholt. Kriminalhauptkommissar Geißler: „Es kam schon vor, dass Angesprochene zur Geldübergabe in die Charité bestellt wurden.“ Der Begriff Trickbetrüger sei deshalb im Grunde eine Verniedlichung: „Wir sprechen von gewerbsmäßiger Bandenkriminalität.“
Für ihre Raubzüge schlüpfen die Kriminellen durchaus auch in Uniformen, nutzen die Autorität von Polizei und Feuerwehr – und die Chance zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, der ihre Wiedererkennung noch einmal deutlich erschwert.
Immer kommen sie damit allerdings nicht durch. In Wilmersdorf gerieten Täter an einen ebenso misstrauischen wie beherzten Rentner: Der 76-Jährige bekam am 29. Juni gegen 19 Uhr einen Anruf, der ihn stutzig machte. Ein Unbekannter am anderen Ende der Leitung gab sich als Polizist aus und warnte: Trickbetrüger hätten ihn ins Visier genommen und zu seinem eigenen Schutz sollte er sein Bargeld und seine Wertsachen zusammenpacken und erst einmal der Polizei zur Aufbewahrung übergeben. Ein „Polizist“ käme vorbei und würde alles abholen. Der Senior ging darauf ein – und informierte unmittelbar danach die richtige Polizei. Als der 43-Jährige mutmaßliche Täter wenig später an seiner Wohnungstür auftauchte, um die Beute abzuholen, wurde er schon von den Beamten mit Handschellen erwartet.
Die Tricks der Banden können von Region zu Region unterschiedlich sein: Vorgetäuschte Gesundheitskontrollen, angebliche Verwandte, die dringend Hilfe brauchen, ein plötzlich vor der Tür stehender Handwerker, der mal eben im Auftrag des Vermieters die Heizung kontrollieren oder wegen eines Havariefalls den Hauptwasserhahn zudrehen muss.
„Sie kommen auch immer wieder mit dem Zetteltrick“, ergänzt Robert Geißler. Dabei bitten Kriminelle um ein Stück Papier und einen Stift, weil sie abwesenden Nachbarn eine Nachricht hinterlassen wollen. Aber vor allem als Polizisten verkleidete Kriminelle seien ein Problem. Die klingeln beispielsweise an der Wohnungstür und verlangen Einlass, weil sie angeblich einen Vorgang aufzuklären hätten.
Am Telefon nicht über Geld sprechen
Echte Polizistinnen und Polizisten, unterstreicht Robert Geißler, kämen nie zu Privatpersonen nach Hause, um Geld- oder Wertgegenstände in Sicherheit zu bringen. Und wenn tatsächlich in der Nähe ein Corona-Fall auftreten sollte, kommt auch niemand einfach so vorbei, um die Wohnung zu desinfizieren.
„Aber die Täter passen auch Leute im Hausflur ab und gehen mit bis zur Wohnung, in die sie hineinwollen“, warnt der Kriminalhauptkommissar. Dabei setzen sie auf das Überraschungsmoment, eine ausgeklügelte Legende und die Unsicherheit vieler älterer Menschen, die sich in der Situation nicht zu helfen wissen.
Der beste Schutz, so der Polizist, sei zum einen das Prinzip, am Telefon mit niemandem über Geld zu sprechen und das auch deutlich zu sagen. „Zum anderen helfen hier gute Sozialkontakte und eine funktionierende Nachbarschaft.“ Wer nicht sicher ist, ob die Enkelin oder der Neffe in Not sind, sollte sofort zum Telefon greifen, sich persönlich vergewissern, wie es den Verwandten geht und von dem unheimlichen Anruf erzählen. Wer im Treppenhaus von Fremden angesprochen wird, klingelt am besten gleich bei den Nachbarn.
„Richtige Polizisten sind damit einverstanden, dass Vertrauenspersonen zu einem Gespräch hinzugezogen werden.“ Die Trickbetrüger dagegen wollen keinesfalls Fremde dabeihaben. Schon gar nicht aufmerksame junge Leute, die sich nicht so leicht einschüchtern lassen, kritisch nachfragen, den Ausweis verlangen, rasch ein Smartphone zum Fotografieren und für einen Anruf bei der 110 zur Hand haben.
Im Anschluss an solche Vorkommnisse sollte auf jeden Fall umgehend die Polizei verständigt werden – auch dann, wenn ein Diebstahl verhindert wurde. Denn wenn die Kriminellen erst einmal über alle Berge sind, wird es auch für die Polizei schwierig. Robert Geißler: „Die Banden durchstreifen einen Kiez systematisch, und auch mit Informationen über Betrugsversuche kommen wir ihnen schneller auf ihre Spur.“
Rosemarie Mieder
So geben Sie den Kriminellen keine Chance
- Lassen Sie keine Fremden in die Wohnung.
- Werfen Sie vor dem Öffnen der Wohnungstür einen Blick auf Besucher, etwa durch den Türspion oder durchs Fenster.
- Benutzen sie die Türsprechanlage.
- Die Wohnungseingangstür sollte immer nur mit vorgelegter Kette oder Sperrbügel geöffnet werden.
- Ziehen Sie Angehörige oder Nachbarn beim Besuch von Unbekannten hinzu. Bestellen Sie die Besucher dafür notfalls zu einem späteren Termin, wenn eine Vertrauensperson anwesend sein kann.
- Wehren Sie sich energisch und lautstark gegen Zudringlichkeiten.
- Bei angeblicher Notlage von Fremden an der Tür (Bitte um Schreibzeug oder ein Glas Wasser) überlegen Sie: Warum wenden sich die Besucher in ihrer Not nicht an eine Apotheke oder ein offenes Geschäft?
- Telefonieren Sie zur Not selbst nach Hilfe oder reichen Sie das Gewünschte aus der geöffneten aber auf jeden Fall gesicherten Wohnungseingangstür hinaus.
rm
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27.08.2020