Der deutsche Immobilienmarkt ist ein idealer Platz zum Versteckspiel für Geldwäscher und Steuerhinterzieher. Ein Transparenzregister soll das ändern. Doch dieses sorgt nicht für den nötigen Durchblick.
Als vor zwei Jahren die Neuköllner Kiezkneipe Syndikat von ihrem neuen Hauseigentümer gekündigt wurde, wollten die Betreiber und die Mieter der Weisestraße 56 wissen, wer sich hinter der anonymen Firma aus Luxemburg verbirgt. Nach einer systematischen Auswertung des Grundbuchs zusammen mit einem Rechercheprojekt des Tagesspiegels kam heraus, dass drei britische Brüder namens Pears über Umwege in Zypern und auf den britischen Jungferninseln knapp 50 Luxemburger Firmen besitzen, denen rund 6000 Wohnungen gehören. Die Pears-Brüder waren zuvor auf dem Berliner Immobilienmarkt unbekannt.
Anonyme Firmen drängen immer mehr auf den Berliner Immobilienmarkt. Undurchdringlich verschachtelte Unternehmen mit nichtssagenden Namen und Briefkasten-Firmensitzen in Steueroasen werden extra dazu geschaffen, um vor Steuerfahndern, Strafverfolgungsbehörden und Bürgern unerkannt zu bleiben.
Um Geldwäsche bekämpfen zu können, hat die EU ihren Mitgliedsstaaten auferlegt, ein Register der wirtschaftlich Berechtigten aufzubauen. Es soll auch bei komplizierten Firmenkonstrukten nachvollziehbar werden, welche Person letzten Endes den Gewinn einstreicht. In Deutschland wurde daraufhin 2017 das Transparenzregister eingerichtet. Das sorgt allerdings immer noch nicht für viel mehr Durchblick.
Jede dritte Firma verstößt gegen das Gesetz
Christoph Trautvetter und Markus Henn, beide im Netzwerk Steuergerechtigkeit engagiert, haben im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung untersucht, wie transparent der Berliner Immobilienmarkt ist. Sie haben 433 Gesellschaften, die in Berlin Immobilien besitzen, unter die Lupe genommen. In 135 Fällen konnten sie trotz intensiver Recherche in den verfügbaren Registern keine Person als Eigentümer ausfindig machen. Diese Gesellschaften bleiben also weiterhin anonym und verstoßen mutmaßlich gegen das Gesetz.
Die Meldepflicht zum Transparenzregister gilt für nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften, Stiftungen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) sowie für Gesellschaften mit Inhabern im Ausland. Firmen, die schon im Handelsregister stehen und nur wirtschaftlich Berechtigte aus dem Inland haben, müssen nicht im deutschen Register eingetragen sein. Diese Ausnahme gibt es nur in vier EU-Staaten. Man muss also fast immer das Grundbuch, das Handels- und das Transparenzregister durchsuchen. Diese Register sind oft nur mit einem „berechtigten Interesse“ und vor Ort einsehbar. Das Internetzeitalter ist hier noch nicht angekommen. In Großbritannien, Dänemark, Malta oder Luxemburg gelangt man hingegen ohne lange Umwege, Wartezeiten und umständliche Registrierung mit wenigen Klicks zum Ergebnis – und das auch noch kostenlos.
Hierzulande nutzen viele Unternehmen die Unübersichtlichkeit aus und unterlassen einfach eine vorgeschriebene Eintragung. Von 111 in Berlin tätigen Immobilienfirmen, die sich eindeutig ins Transparenzregister hätten eintragen müssen, haben dies nach mehr als zwei Jahren nur 29 Unternehmen getan. Dabei ist nur in sieben Fällen tatsächlich die Person dahinter erkenntlich.
„Das Transparenzregister hat seinen Namen (noch) nicht verdient“, folgern Trautvetter und Henn. Um die Anonymität effektiv zu bekämpfen, fordern sie, auf EU-Ebene die Meldeschwelle für wirtschaftliche Berechtigung zu senken oder ganz abzuschaffen. Der Bund müsste die Pflicht zum Eintrag im Transparenzregister durchsetzen und die technische Umsetzung und Überwachbarkeit des Registers verbessern. Das Land Berlin sollte außerdem eine systematische Auswertung des Grundbuchs ermöglichen.
Jens Sethmann
Wem zahle ich eigentlich meine Miete?
Ebenfalls für die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat Christoph Trautvetter zusammen mit dem Journalisten Adrian Garcia-Landa ein kleines Handbuch geschrieben, das Mietern zeigt, wie sie herausfinden können, wem ihre Wohnung gehört und wer an ihrer Miete verdient. Das ist der erste Schritt, um wahrzunehmen, wem die Stadt gehört, wie der Immobilienmarkt heutzutage funktioniert und was sich daran ändern muss.
js
Adrian Garcia-Landa/Christoph Trautvetter: Wem zahle ich eigentlich Miete? Berlin 2019 Bestellmöglichkeit und kostenloser Download:
www.rosalux.de/publikation/id/40038/
Christoph Trautvetter/Markus Henn: Keine Transparenz trotz Transparenzregister – Ein Recherchebericht zu Anonymität im Berliner Immobilienmarkt, Berlin 2020
Bestellmöglichkeit und kostenloser Download:
www.rosalux.de/publikation/id/42141/
27.08.2020