Eine Abmahnung zu bekommen, ist ein Schock, und das ist auch so beabsichtigt. Es ist ein Warnschuss, um klar zu machen: Wenn es so weitergeht, kommt die Kündigung. Unsere 10 Fragen geben Tipps zum Umgang mit der „Gelben Karte“.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Was ist überhaupt eine Abmahnung?
- Aus welchen Gründen kann abgemahnt werden?
- Welche Formalien müssen eingehalten werden?
- Ich habe eine Abmahnung bekommen. Wie soll ich reagieren?
- Kann ich verlangen, dass eine ungerechtfertigte Abmahnung
aus meiner Mieterakte entfernt wird? - Ich habe gehört, dass man bei Mietrückständen immer zuerst
abgemahnt werden muss. Stimmt das? - Mir wurde wegen angeblicher Untervermietung gekündigt,
obwohl ich nie abgemahnt wurde. Ist das zulässig? - Kann eine Abmahnung „verjähren“?
- Unser Eigentümer hat gewechselt. Zufällig habe ich erfahren,
dass der neuen Hausverwaltung die Abmahnung bekannt ist,
die ich vor Jahren völlig zu Unrecht bekommen habe.
Muss ich das hinnehmen? - Kann auch der Vermieter oder die Vermieterin abgemahnt werden?
1. Was ist überhaupt eine Abmahnung?
Eine Abmahnung ist die Aufforderung, ein vertragswidriges Verhalten zu unterlassen. Die bloße Rüge genügt nicht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt hat. Vielmehr muss deutlich werden, dass die „weitere vertragliche Zusammenarbeit“ auf dem Spiel steht und man für den Fall weiterer Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss (BGH vom 12. Oktober 2011 – VIII ZR 3/11). In der Regel wird eine Frist gesetzt, innerhalb derer das beanstandete Verhalten abzustellen ist.
2. Aus welchen Gründen kann abgemahnt werden?
Bei vertragswidrigem Verhalten, etwa Zahlungsrückständen oder anderen Pflichtverletzungen aus dem Mietverhältnis.
Häufige Gründe sind:
- nicht genehmigte Untervermietung
- nächtliche Ruhestörung oder andere Verstöße gegen die Hausordnung (zum Beispiel Fahrrad im Treppenhaus abstellen, Hund auf der Gemeinschaftsfläche frei laufen lassen)
- Tierhaltung, ohne dass eine Erlaubnis vorliegt
- Mietrückstände oder unpünktliche Mietzahlung
- nicht genehmigte Einbauten in der Wohnung
- Behinderung von Modernisierungsarbeiten trotz Verpflichtung
3. Welche Formalien müssen eingehalten werden?
Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass die missbilligten Störungen nach Art, Ort und Zeitpunkt so greifbar beschrieben werden müssen, dass nachvollziehbar ist, welches Verhalten der Vermieter oder die Vermieterin als vertragswidrig ansieht. Der pauschale Hinweis auf Störungen der Nachtruhe reiche dazu nicht aus (LG Berlin vom 17. Oktober 2014 – 63 S 166/14).
Eine Abmahnung kann auch mündlich ausgesprochen werden, allerdings müsste dies dann im Streitfall nachgewiesen werden.
4. Ich habe eine Abmahnung bekommen. Wie soll ich reagieren?
Das sollte auf jeden Fall in der Rechtsberatung besprochen werden. Manchmal ist es taktisch klüger, die Füße still zu halten, um dem Vermieter oder der Vermieterin nicht die Möglichkeit zu geben, „nachzubessern“. Manche Abmahnungen erfüllen beispielsweise nicht die formalen Mindestanforderungen, etwa weil sie nicht an alle im Vertrag aufgeführten Mieter adressiert sind oder auch weil der Vorwurf zu ungenau beschrieben ist. Rechtfertigt man sich schriftlich, liefert man dem Vermieter möglicherweise unbeabsichtigt zusätzliche Informationen. Als Faustregel gilt: Je absurder die Vorwürfe sind, desto eher sollte man auf eine Richtigstellung verzichten. Vorsicht ist bei Abmahnungen wegen Zahlungsrückständen geboten. Hierzu sollte man sich in jedem Fall äußern und gegebenenfalls eine Kontoklärung mit der Hausverwaltung veranlassen.
5. Kann ich verlangen, dass eine ungerechtfertigte Abmahnung aus meiner Mieterakte entfernt wird?
Nein. Der Bundesgerichtshof hat 2008 klargestellt, dass man gegen den Vermieter keinen Anspruch auf Beseitigung einer unberechtigten Abmahnung hat (BGH vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 139/07). Ein Nachteil würde den Mieterinnen und Mietern nicht entstehen, denn wenn später unter Berufung auf die Abmahnung eine Kündigung ausgesprochen wird, muss der Vermieter oder die Vermieterin ohnehin den vollen Beweis liefern, dass die Vorwürfe zutreffend waren. Das ist im Arbeitsverhältnis übrigens anders. Dort hat man Anspruch auf Löschung einer ungerechtfertigten Abmahnung aus der Personalakte.
6. Ich habe gehört, dass man bei Mietrückständen immer zuerst abgemahnt werden muss. Stimmt das?
Nein. Bei Zahlungsverzug ist generell keine Abmahnung erforderlich. Sobald ein Mietrückstand von mehr als zwei Monatsmieten zusammengekommen ist, kann ohne „Warnschuss“ gekündigt werden. Lediglich die unpünktliche Mietzahlung bedarf in der Regel einer Abmahnung. So entschied das Landgericht Berlin, dass eine jahrelange unpünktliche und unvollständige Mietzahlung nur dann zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn eine vorherige Abmahnung nicht nur eine Zahlungsaufforderung enthielt, sondern zusätzlich Konsequenzen angedroht wurden (LG Berlin vom 6. Dezember 2011 – 63 S 178/11).
7. Mir wurde wegen angeblicher Untervermietung gekündigt, obwohl ich nie abgemahnt wurde. Ist das zulässig?
Meistens ist bei einer Kündigung wegen Vertragsverletzung eine vorherige Abmahnung mit Fristsetzung erforderlich. Schließlich soll der Mieterin oder dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, ihr oder sein Verhalten zu ändern. Nur wenn eine sehr schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt, ist eine Abmahnung entbehrlich. Wurden beispielsweise Topfpflanzen auf dem Balkon im dritten Stock ungesichert aufgestellt, so dass ein Blumentopf herabstürzt, ist erst nach einer fruchtlosen Abmahnung eine fristlose Kündigung gerechtfertigt (LG Berlin vom 26. November 2009 – 67 S 278/09). Das gleiche gilt bei Partylärm oder unerlaubter Tierhaltung.
Gewalttätigkeiten einer Mietpartei gegenüber dem Vermieter oder einer von ihm beauftragten Person (zum Beispiel dem Hauswart) rechtfertigen dagegen auch ohne Abmahnung eine außerordentliche fristlose Kündigung (LG Berlin vom 26. Juni 2008 – 67 S 337/07). Auch bei einer erheblichen Verwahrlosung der Wohnung kann die Abmahnung entbehrlich sein (LG Berlin vom 18. November 2014 – 67 S 360/14). Mehrere Gerichte halten auch die nicht angezeigte und ungenehmigte Überlassung der Wohnung an Touristen für einen so schwerwiegenden Verstoß, dass für die Kündigung keine Abmahnung erforderlich ist.
8. Kann eine Abmahnung „verjähren“?
Ja. Wurde vor Jahren schon mal wegen eines Vertragsverstoßes abgemahnt, muss erneut abgemahnt werden, um wirksam zu kündigen. So hat das Landgericht Berlin entschieden: Eine Abmahnung wegen unpünktlicher Mietzahlungen ist „verbraucht“, wenn nach der letzten Abmahnung ein längerer Zeitraum (hier: acht Monate) bis zu dem kündigungsauslösenden neuen Zahlungsverzug liegt. Der Vermieter kann erst nach erneuter fruchtloser Abmahnung kündigen (LG Berlin vom 27. März 2008 – 62 S 412/07).
9. Unser Eigentümer hat gewechselt. Zufällig habe ich erfahren, dass der neuen Hausverwaltung die Abmahnung bekannt ist, die ich vor Jahren völlig zu Unrecht bekommen habe. Muss ich das hinnehmen?
Ja. Üblicherweise werden sämtliche Unterlagen aus dem Mietverhältnis – und dazu gehören auch Abmahnungen – an den neuen Vermieter oder die neue Vermieterin übergeben. Persönliche Daten, die der Vertragspartner braucht, um den Vertrag zu erfüllen oder abzuwickeln, unterliegen nicht dem Datenschutz, solange sie in der Sphäre des Vertragspartners bleiben.
10. Kann auch der Vermieter oder die Vermieterin abgemahnt werden?
Ja, auch Mieterinnen und Mieter haben das Recht ihren Vermieter oder ihre Vermieterin abzumahnen, wenn vertragliche Pflichten verletzt werden. Das spielt vor allem eine Rolle für die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung. Bei gravierenden Wohnungsmängeln wie Schimmel oder einer defekten Heizung sollte man dem Vermieter eine Frist setzen und mit Konsequenzen wie Schadenersatz oder fristloser Kündigung drohen.
Birgit Leiß
03.09.2023