Mit einer Zwangsräumung endete Anfang August für eine siebenköpfige Familie ein Mietverhältnis. Es war mit einer kaum zu überbietenden Dreistigkeit konstruiert worden. Die Familie wusste davon nichts, das ungute Ende kam überraschend.
Der Gebäudeteil Kochstraße 26 gehört zu dem mit öffentlichen Mitteln errichteten IBA-Komplex Kochstraße 16-25 und stand jahrelang leer. Er soll in ein paar Jahren abgerissen werden – jedenfalls wenn es nach dem Willen der Eigentümerin, der „Ruddat Grundbesitz GmbH & Co KG“, geht. Beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg weiß man nichts von diesen Plänen. Ein Abrissantrag läge nicht vor. Um in der Zwischenzeit Einnahmen zu erzielen, entschied sich 2021 die Eigentümerin, vertreten durch die „idema Hausverwaltung GmbH“, für ein lukratives Geschäftsmodell. Die drei maroden Wohneinheiten wurden als Gewerberaum an einen Zwischenmieter vermietet mit dem Zweck der befristeten Weitervermietung zu Wohnzwecken. Der Vorteil: Bei gewerblicher Vermietung gilt die Mietpreisbremse nicht. Um eine Zweckentfremdung handelt es sich auch nicht, wie das Bezirksamt bestätigt. Schließlich werde der Wohnraum zu Wohnzwecken genutzt. Der Zwischenmieter, Herr Y., schlug dann zu dem weit überhöhten Mietpreis von 12 Euro nettokalt pro Quadratmeter nochmal etwas drauf und verlangte von den Interessenten zudem „Provisionen“ von bis zu 10.000 Euro.
Dass es sich um eine Abrisswohnung in einem katastrophalen Zustand handelte – und das für eine Miete von fast 1500 Euro warm – nahm die aus Saudi-Arabien stammende Familie hin, die dort einzog. „Wir haben vier Jahre lang mit unseren fünf Kindern in einem Hostelzimmer gelebt, das war furchtbar“, erklärt die Mutter. Was die Familie nicht ahnen konnte: die Wohnung durfte von Herrn Y. eigentlich nur für drei Jahre vermietet werden. Doch er legte den Mietern einen „normalen“, unbefristeten Mietvertrag vor, den er offenbar gefälscht hatte. Das flog auf, als sich die Mieter im Winter 2021 wegen der nicht funktionierenden Heizung an die Hausverwaltung wandten. Diese stellte Strafanzeige gegen Herrn Y. Vor Gericht kam heraus, dass der noch in mindestens zwei weiteren Fällen Mietverträge gefälscht hatte.
Räumung vor Fristablauf
Die Eigentümerin reichte Räumungsklage ein, sowohl gegen den Zwischenmieter als auch die Familie. Das Landgericht gab der Klage statt. Es läge wegen der Fälschung kein wirksamer Mietvertrag vor (LG Berlin vom 14. März 3 O 229/22). Die Familie, vertreten durch Rechtsanwalt Frederic Ansin, legte Berufung ein. Doch völlig überraschend wurde sie fast einen Monat vor Ablauf der Räumungsfrist auf die Straße gesetzt.
Geschäftsführer Alexander Ruddat verweist in einer Stellungnahme auf Mietrückstände, weswegen vorzeitig vollstreckt werden durfte. Hier ist nicht ganz klar, was schief gelaufen ist. Es liegt eine Mietübernahmebewilligung des Jobcenters vor. Im übrigen weist Ruddat dem Zwischenmieter den Schwarzen Peter zu.
Rechtsanwalt Ansin ist darüber verärgert: „Es war doch abzusehen, dass der Zwischenmieter seine Kosten nur mit illegalen Mitteln wieder reinholen kann.“
Birgit Leiß
Wie kann man sich vor gefälschten Mietverträgen schützen?
Im Fall der Kochstraße 26 waren die Umstände des Vertragsabschlusses hochgradig dubios, wie Rechtsanwalt Ansin erklärt. Dass nicht ein Vertreter der Hausverwaltung beziehungsweise des Vermieters selbst den Vertrag übergibt, sondern ein nicht im Vertrag benannter Dritter, sei auf jeden Fall verdächtig. Sämtliche Alarmglocken sollten auch schrillen, wenn eine enorm hohe „Maklergebühr“ verlangt wird – zahlbar cash, ohne Quittung und womöglich in einer Kneipe. Eine Überprüfung in der Mieterberatung des BMV hätte zudem schnell erkannt, dass in diesem Vertrag die Seitenzahlen nicht stimmten und ähnliche Fehler. Doch welcher verzweifelte Wohnungssuchende, noch dazu mit geringen Deutschkenntnissen, wird das tun?
bl
02.09.2023