Buchhandlungen haben auch in der Zeit der viel in Anspruch genommenen Internet-Versandriesen ihre treuen Liebhaber:innen, bieten sie doch neben guter Beratung auch ein sinnenfrohes Einkaufserlebnis. Es fragt sich allerdings: Wie lange noch?
Jeder Bücher-Fan hat sie: eine kleine Buchhandlung in der Nähe, deren Inhaber:in man schon seit Jahren kennt, mit einem Sortiment das man schätzt und einer Beratung und Empfehlungen, denen man vertraut. Doch in Zeiten explodierender Gewerbemieten sind auch diese Horte des Lesevergnügens bedroht. So musste die Reisebuchhandlung Schropp ihr Geschäft in der Hardenbergstraße in Charlottenburg schließen. Sie wurde im Jahr 1742 mit Erlaubnis von Friedrich dem Großen gegründet und ist somit eine der ältesten Buchhandlungen Berlins. Doch dann ist ihr vom Vermieter gekündigt worden, um einer Kunstgalerie zu weichen. Regine Kiepert, die Inhaberin der Berliner Traditionsbuchhandlung, erkannte: „Es ist an der Zeit, dass solide und gesunde Unternehmen vor den Unsicherheiten des Gewerbemietvertragsrechts geschützt werden müssen.“ Die Buchhändlerin und ihre Mitarbeiter hatten Glück im Unglück. Es konnten neue Räume in der Knesebeckstraße 20/21 im selben Bezirk gefunden werden, und man hofft nun, dass die Buchhandlung auch noch ihren 300. Geburtstag wird feiern können.
Das wünscht sich auch Johanna Hahn von der Geschäftsstelle des Börsenvereins Berlin-Brandenburg. Die derzeitige Situation des Bestandsbuchhandels sieht sie zwar nicht dramatisch gefährdet. Doch durch die Miethöhen werde insbesondere der Generationenwechsel für die Buchhändler erschwert.
Auch eine „Breitseite“ änderte nichts
Geradezu von epischem Ausmaß gestaltete sich der Kampf um den Erhalt der Buchhandlung „Kisch & Co.“ in der Oranienstraße in Kreuzberg. Als den Inhabern von den Käufern des Gebäudes, einem Luxemburger Immobilienfonds, gekündigt wurde, entschlossen sie sich, dies nicht widerstandslos hinzunehmen. Mit Hilfe und Unterstützung der Nachbarschaft aus dem Kiez, Kollegen, Autoren und Künstlern schloss man sich zur „Vollen Breitseite“ zusammen. Protestversammlungen fanden alle 14 Tage vor der Buchhandlung statt. Doch schließlich kam es wie üblich: Auf das entsprechende Urteil hin kündigte sich der Gerichtsvollzieher an. Die Inhaber hatten die Räume bereits leergeräumt, denn in letzter Sekunde fanden sich Ersatzräume nur eine Ecke weiter in der Oranienstraße 32.
Mit ganz anderen Problemen sieht sich derzeit eine Buchhändlerin in Adlershof konfrontiert. Sie hat das Geschäft vor zehn Jahren von ihrem damaligen Chef übernommen, der es vorher über 20 Jahre geführt hatte. Infolge Mieterhöhungen und dem Anstieg aller Kosten ließ sich das Geschäft nicht mehr betreiben. Schweren Herzens kündigte sie den Mietvertrag. Doch das dicke Ende kam erst noch: Wie sich herausstellte, war im 30 Jahre alten Mietvertrag eine Bestimmung enthalten, wonach der ursprüngliche Zustand des Ladens wieder hergestellt werden musste. Und das schließt neben den üblichen Malerarbeiten in diesem Fall auch die Neuverlegung des Linoleumbodens ein, mit dem die Räume seinerzeit ausgestattet wurden. Das bedeutet Kosten von Tausenden Euro, von denen die Mieterin nicht weiß, wie sie sie aufbringen soll. Derzeit befindet sie sich in Verhandlungen mit dem Vermieter, Ausgang ungewiss.
Stefan Klein
Alte Liebe
Der Buchhandel und Berlin – das ist eine sehr alte Liebe. Die Nicolaische Buchhandlung in der Rheinstraße 65 in Friedenau blickt auf eine 300-jährige Tradition zurück und gilt als die älteste bestehende Buchhandlung in Berlin. Bereits 1929 gab es allein in Berlin 524 Geschäfte – ein Fünftel aller deutschen damaligen Sortimentsbuchhandlungen. Heute (Stand 2022) gibt es noch 217 Buchhandlungen. Die deutsche Hauptstadt hat somit noch immer die größte Dichte an Buchhandlungen pro Kopf in Deutschland. Zwei Drittel der Berliner Frauen und die Hälfte der Männer sind laut einer Erhebung des Börsenvereins Buchhandelskundinnen und -kunden.
stk
28.08.2024