Berlin privatisiert immer noch landeseigene Wohnungen. Beim angestrebten Verkauf eines Zweifamilienhauses in Wannsee sollen den Mietenden keinerlei Mieterschutzklauseln eingeräumt werden. Dadurch sind sie einer Eigenbedarfskündigung hilflos ausgesetzt.
Grundsätzlich will Berlin keine landeseigenen Wohnungen verkaufen, doch die Berliner Immobilienmanagement (BIM) betreibt unbeirrt die Privatisierung des Hauses Stölpchenweg 41. Seitdem das ehemals den Berliner Forsten gehörende Haus im Jahr 2014 an den BIM-Vorgänger Liegenschaftsfonds übertragen wurde, fürchtet das Mieterehepaar Karin und Ralf Möller den Verkauf des Hauses und den Wohnungsverlust (MieterMagazin 8+9/2017, Seite 9).
Nun macht Berlin ernst: „Aufgrund der Mietkonditionen und des entstandenen Sanierungsstaus ist ein Halten des Grundstücks aus immobilienwirtschaftlicher Sicht für das Land Berlin nicht weiter tragfähig“, teilt die Senatsverwaltung für Finanzen den Möllers mit. Die Mieteinnahmen würden die Bewirtschaftungskosten des Hauses nicht decken. Das hat das Land Berlin allerdings selbst zu verantworten, denn die Miete wurde seit 19 Jahren nicht erhöht. Die Möllers hatten im Jahr 2021 sogar von sich aus eine Mieterhöhung um 15 Prozent angeboten. Die BIM hat auf das Angebot erst 2024 reagiert und lehnte es ab, denn es würde „nicht annähernd auf einen marktgerechten Mietzins“ abstellen.
Beim Verkauf soll der Mieterschutz sich lediglich „nach den geltenden gesetzlichen Regelungen“ richten. „Darüber hinausgehende Regelungen lehnen wir, wie bereits mehrfach mitgeteilt, ab“, schreibt die BIM den Möllers. Damit fällt Berlin zurück ins letzte Jahrtausend. Ein unbefristeter Schutz vor Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung ist nach den „Grundsätzen der Wohnraumprivatisierung“ aus dem Jahr 2000 eigentlich Standard – und wäre gerade hier extrem wichtig: Nach einem Verkauf ist eine Eigenbedarfskündigung wegen Selbstnutzungswünschen nahezu sicher. „Es ist eine Frechheit, wie das Land Berlin mit seinen Beschäftigten umgeht“, sagt Ralf Möller, der bei den Berliner Forsten und der BIM beschäftigt war und das Haus seit 1986 mit viel Eigenleistung in Schuss gehalten hat.
Die BIM hat den Start des dreimonatigen Bieterverfahrens für den 1. Juli angekündigt, ihn aber doch noch verschoben. Der öffentliche Druck durch den Berliner Mieterverein (BMV) und die Opposition im Abgeordnetenhaus haben offenbar ein Innehalten bewirkt. Auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger antwortete Finanzstaatssekretär Wolfgang Schyrocki am 3. Juli: „Im Auftrag der Senatsverwaltung für Finanzen prüft die BIM derzeit einen zusätzlichen Mieterschutz.“ Der Ausgang ist ungewiss. BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels findet das Verhalten des Senats „unbegreiflich, geradezu zynisch“.
Jens Sethmann
28.08.2024