Aus den fehlenden Sozialwohnungen in der Europacity ist mittlerweile ein handfester Skandal geworden. Es liegt der Verdacht nahe, dass sich der Senat von den Investoren über den Tisch ziehen ließ. Genauso beunruhigend: Ins Rollen gebracht hat den skandalösen Vorgang erst die Zivilgesellschaft.
In einem 2016 abgeschlossenen Städtebaulichen Rahmenvertrag mit dem Senat hatte sich die damalige Eigentümerin, die Heidestraße Invest GmbH, dazu verpflichtet, 215 preis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen zu errichten und dafür Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Um so verblüffter waren Susanne Torka und Jürgen Schwenzel vom Betroffenenrat Lehrter Straße, als sie Ende Mai bei einem Fest in der Europacity von einer Eigentümervertreterin die Auskunft erhielten, dass es keine Sozialwohnungen geben werde. Begründung: Man habe keine Fördermittel in Anspruch genommen. „Wir hatten vielen Wohnungssuchenden gesagt, dass sie sich für diese Wohnungen online registrieren lassen sollen“, erklärt Torka, die daraufhin Presse und Senat informierte. Man kenne den Sachverhalt bisher nur aus den Schilderungen der Betroffenenvertretung, räumte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Anfang Juni gegenüber dem MieterMagazin ein.
Inzwischen steht fest: 2021 war das betreffende Grundstück in der Lisa-Fittko-Straße per Einbringungsvertrag an die QH Development 2 GmbH & Co. KG übertragen worden – ohne den Senat darüber zu unterrichten, wie es der Städtebauliche Vertrag vorschreibt. Der neue Eigentümer wiederum hat einen Großteil der Wohnungen an den Co-Living-Anbieter Habyt weitervermietet, der dort möblierte Mikroapartments offeriert.
Doch warum ist dem Senat über all die Jahre nicht aufgefallen, dass gar keine keine Fördermittel beantragt wurden? Dafür hat Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) keine plausible Erklärung. In einer Stellungnahme an das MieterMagazin heißt es lediglich, dass die Wohnungen laut vertraglicher Vereinbarung in jedem Fall der Sozialbindung unterliegen. Eine Klage wegen Schadensersatz ist in Vorbereitung. Nach Recherchen des „Tagesspiegels“ könnte es sich bei der Grundstücksübertragung an die QH Development 2 um ein Scheingeschäft gehandelt haben, eingefädelt mit dem Ziel, die Sozialwohnungen abzustoßen.
Von einem Betrugsfall im großen Stil spricht Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins: „Wie kann es sein, dass man einerseits Verträge macht, die andererseits nicht kontrolliert werden? Auch die Opposition im Abgeordnetenhaus fordert stärkere Kontrollen, um solche Tricksereien künftig zu verhindern.
Birgit Leiß
28.08.2024