Wenn wir gehen, hinterlassen wir Spuren: Erinnerungen bei Menschen, die uns lieb waren und manchmal auch Werke und Organisationen, die uns überdauern. Es ist bemerkenswert, dass diese Zeilen in einer Vereinszeitschrift und -plattform erscheinen, die es ohne Hermann Behlau nicht gegeben hätte. Das Führungsteam, das den Berliner Mieterverein nach 1979 geleitet hat und sein politischer Kurs wären ohne Hermann Behlau nicht zustande gekommen. Er war anfänglich Vorsitzender des Berliner Mietervereins, Chefredakteur des MieterMagazins, später sein technischer Direktor und blieb bis zum Schluss Mieteraktivist.
Niemand wirkt allein. Das Projekt Berliner Mieterverein war eingebettet in einen umkämpften Generationenwechsel, der innerhalb der organisierten Mieterbewegung Deutschlands stattfand. Junge Menschen, die Wehrdienstverweigerung, kleinstädtischer Mief und Bildungshunger nach West-Berlin, die Mauerstadt getrieben hatten, lösten eine etablierte Vorstandsgruppe ab. In den Augen der jungen, bärtigen und langhaarigen „Revoluzzer“ – wie man sie in der Springer-Presse nannte – waren die Alten selbstgefällige und politisch unbewegliche Biedermänner. Kurz: An Sendungsbewusstsein mangelte es den Jungen nicht. Hermann und die Seinen gehörten zu der gut ausgebildeten geburtenstarken jungen Generation, der man nicht erklären musste, was mit Weltkrieg, Diktatur und einem beispiellosen Zivilisationsbruch in Deutschland vorangegangen war! Das MieterMagazin im neuen Kleid gehörte zu den damals zahlreichen gedruckten Symbolen des Widerstands gegen die allzu schnelle neuwestdeutsche Zufriedenheits- und Vergessenskultur. In Sprache, Aufmachung und Inhalt hob es sich zudem ab gegen die als ‚Bäckerblume‘ verspottete Verbandsschrift der Dachorganisation Deutscher Mieterbund. Das verletzte schon durch die separate Veröffentlichung einen Verbandskonsens, der einen bundeseinheitlichen Presseauftritt forderte.
Bei der folgenden Palastrevolte, die sogar der BILD-Zeitung (Foto Aushang BILD) eine Negativschlagzeile wert war, saß Hermann mit im Boot und steuerte. Dem vorausgesagten Untergang des gekaperten Schiffs folgte ein beispielloser Mitgliederzuwachs in einer nunmehr stark politisierten Organisation der Mieter:Innen. Ein inneres Band gegen den Abriss der billigen und baulich vernachlässigten Altbaubezirke hielt die Opposition zusammen. Es war aber vor allem der Protest gegen das staatlich verordnete „Aufräumen“ in den unordentlichen Ausländer- und Studentenwohnquartieren, was dem Verein die meisten Mitglieder bescherte. Seit‘ an Seit‘ mit Hausbesetzer:innen, die diesen amtlich beglaubigten und gewaltkritischen Verband argwöhnisch beäugten und manchmal auch bekämpften, ging es los. Mitten in den Häuserkämpfen, in einem aus heutiger Sicht unverständlichen Protest gegen Abriss- und Neubauwut, hatte Hermann Behlau im Zentrum der „neuen Unordnung“ in der Schlesischen Straße Quartier bezogen.
Zwischen Häuserkampf und Doppelkopf
Das Fabriketagendomizil wurde zum Mittelpunkt eines sozialen Netzwerks, in dem man sich rund um den Mieterverein traf, Doppelkopfturniere veranstaltete, Musik machte, tanzte und dem blauen Dunst frönte. Lächelnd mutmaßte Hartmut Lindenberg, ein langjähriger Kompagnon und Weggefährte Hermanns, dass „Rauchen so eine Art von Zugehörigkeitsvoraussetzung war.“
Die Zeiten haben sich geändert, nicht nur in Sachen blauer Dunst. Lieber Hermann, ich hoffe Du verzeihst mir, dass ich hier gegendert habe. An meiner großen Wertschätzung für Dich, mit dem ich viel über geschlechtergerechte Sprachregeln diskutieren musste, ändert das nichts.
Armin Hentschel
28.08.2024