Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Hartz-IV-Empfänger aufgefordert werden, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Dabei gibt es in der Hauptstadt eine klare Regelung, wonach bis Ende 2005 die tatsächlichen Wohnkosten ohne Prüfung übernommen werden müssen. Mit den chaotischen Zuständen in den Jobcentern allein lassen sich die rechtswidrigen Vorstöße nicht erklären.
Durch die Presse ging unlängst der Fall einer Arbeitslosen, die aus Verzweiflung wegen dem drohenden Zwangsumzug ihren Sohn mit einem Messer verletzte. Das Jobcenter Reinickendorf stützte sich in seinem Schreiben auf längst nicht mehr gültige Ausführungsvorschriften. Auch beim Berliner Mieterverein meldete sich ein Betroffener, der vom Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf aufgefordert worden war, seine Wohnkosten zu senken. Zwar waren zu diesem Zeitpunkt die Ausführungsvorschriften noch nicht in Kraft, doch die Behörde berief sich auf Wohnungsgrößen und Preisgrenzen, die schon lange nicht mehr maßgeblich sind. „Wenn uns solche Fälle bekannt werden, weisen wir die Jobcenter auf die Rechtslage hin“, betont Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales. Wie es zu solchen Fehlern kommt, kann sie sich nicht erklären. Die Richtlinien, die im Mai beschlossen wurden und zum 1.Juli in Kraft getreten sind, seien eindeutig, „daran hat sich jeder zu halten.“ Im Vergleich zu anderen Bundesländern, wo die Übergangsregelung bereits ausgelaufen ist und wo die Wohnungsgröße eine Rolle spielt, ist die Berliner Handhabung großzügig. „Der Fall der Reinickendorferin ist schon deswegen nicht nachvollziehbar, weil sie als allein Erziehende unter die Ausnahmeregelung fällt, außerdem handelte es sich nur um eine geringfügige Überschreitung“, so die Sprecherin der Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS). Derzeit werde ein Rundschreiben vorbereitet, dass die Jobcenter noch einmal auf die geltenden Richtlinien hinweist. Außerdem finden demnächst Schulungen der Mitarbeiter statt. Die Jobcenter sprechen dagegen von wenigen Einzelfällen und bedauerlichen Fehlern.
Aber auch in Detailfragen kommt es immer wieder zu fehlerhaften Entscheidungen. So musste die Mieterin einer ofenbeheizten Wohnung die Behörde mehrfach darauf hinweisen, dass ihr ein Zuschuss zum Kauf der Kohlen zusteht – schließlich werden grundsätzlich die Warmmieten übernommen. Weil Warmwasserkosten Bestandteil des Regelsatzes sind, wird ALG-II-Empfängern in der Regel ein Pauschalbetrag von der Mietkostenübernahme abgezogen. Ein ALG-II-Empfänger vermutet einen Irrtum und wendet sich an das Jobcenter. „Auf dem Amt muss man meist stundenlang warten und wird dann noch unfreundlich abgekanzelt, da überlegt man sich, wegen 9 Euro einen Aufstand zu machen“, sagt der Mieter.
Seit 1. Juli sind der Senatssozialverwaltung allerdings keine weiteren Aufforderungen zum Umzug mehr bekannt geworden. Dennoch könne man nicht ausschließen, dass es auch in Zukunft solche „Querschüsse“ gibt – nicht etwa aus Unkenntnis, sondern weil die Mitarbeiter oder Amtsleiter eine andere Haltung dazu haben.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/05
Hartz IV und Wohnungsbedarf: eindeutig falsche Entscheidungen in den Jobcentern
Foto: Kerstin Zillmer
02.08.2013