Eigentlich sollte es bei diesem Milliardendeal nur Gewinner geben. Das dachte zumindest das Land Berlin, als es die Wohnungsbaugesellschaft GSW im vergangenen Jahr an amerikanische Investoren verkaufte. 405 Millionen Euro strich die öffentliche Hand ein, die neuen Eigentümer übernahmen außerdem 1,6 Milliarden Euro Schulden. Den Mietern wurde eine faire Verwaltungspolitik versprochen. Auf den ersten Blick eine Erfolgsstory. Auf den zweiten Blick eine fatale Fehlentscheidung des Berliner Senats.
Die US-Fondsgesellschaft Cerberus hat ein gutes Geschäft gemacht, als sie im vergangenen Jahr die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin (GSW) gekauft hat. Der Handel mit Berliner Wohnungen floriert. Von den rund 65.000 GSW-Wohnungen veräußerte Cerberus schon vier Monate nach Abwicklung des Deals wieder rund 1500, weitere 2000 werden zurzeit vermarktet, zusätzliche 9500 sollen bis Jahresende verkauft sein. Zum Vergleich: Die GSW hatte es innerhalb des gesamten Geschäftsjahres 2003 nur auf rund 400 Wohnungsverkäufe gebracht. Und Cerberus scheint optimistisch. Jüngst erwarb der Fonds 1100 Wohnungen in Spandau und signalisierte starkes Kaufinteresse an 5100 Wohnungen der Berliner Verkehrsbetriebe.
Was aber haben ausländische Fonds wie Cerberus traditionellen Wohnungsbaugesellschaften wie der GSW voraus? Zunächst steigert Cerberus durch Sanierung der erworbenen Objekte die Attraktivität der Wohnungen. Dafür muss Geld investiert werden – Geld, das das Land Berlin in seiner Finanzmisere nicht erübrigen konnte.
Hinzu kommt der eingeschränkte Handlungsspielraum der öffentlichen Verwaltung. Der Handel mit Wohnraum und entsprechende Marketingkonzepte sind ein für die öffentliche Hand schwer zu stemmender Wandel.
Trotz dieser Hindernisse hat das Land Berlin durch den Verkauf der GSW eine Chance verschenkt: die Chance, das Unternehmen aus sich selbst heraus finanziell zu sanieren. Schließlich investieren ausländische Fonds nicht grundlos am deutschen Immobilienmarkt. Von sämtlichen Industrienationen sind die Preise für Wohnimmobilien in den vergangenen drei Jahren nur in Deutschland und Japan gefallen. Dagegen gab es im selben Zeitraum massive Wertsteigerungen in allen anderen Ländern. So zum Beispiel in Frankreich mit plus 48 Prozent, Australien mit plus 56 Prozent und Spanien mit plus 63 Prozent. Parallel dazu gestaltet sich der Markt für Eigentumswohnungen gerade in Berlin besonders interessant, denn Berlin hat bundesweit eine der niedrigsten Eigentumsquoten. „Nur 12,7 Prozent der Berliner leben in ihren eigenen vier Wänden. In Stuttgart liegt die Eigentumsquote beispielsweise bei 26,4 Prozent, in Bremen bei 35 Prozent“, erklärte Germano Tullio, Leiter des Geschäftsfeldes Wohnungsmärkte beim deutschen Marktforschungsunternehmen „BulwienGesa“, auf Nachfrage des MieterMagazin.
Sprung auf den fahrenden Zug
Die Hauptstadt verspricht also ein hohes Käuferpotenzial für sanierte Eigentumswohnungen – noch dazu unter der Prognose steigender Mieten. „Dieses verlockende Geschäft wollen sich kaufkräftige ausländische Investoren nicht entgehen lassen. Seit einiger Zeit haben wir viele Anfragen aus dem Ausland bezüglich Standortanalysen zum Berliner Immobilienmarkt. Nicht wenige dieser Investoren wollen noch schnell auf den fahrenden Zug aufspringen, bevor die Preise auch hier steigen“, sagt Tullio. Mit Weitblick investieren die Fonds bei Tiefstpreisen in deutsche Immobilien.
„Auf diese Weise wird unser Immobilienmarkt künstlich angeheizt. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, vor allem, weil die Fonds im Gegensatz zu den städtischen Wohnungsbaugesellschaften keiner politischen Kontrolle unterliegen“, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.
Das ist ein Trend, den auch das Land Berlin hätte erkennen können. Statt Eigentum mit hohem Renditepotenzial weit unter Marktwert an private Investoren abzugeben, wäre es dem Land möglich gewesen, eigene Optionen zu wahren – nicht zuletzt, um bei Preisexplosionen am Wohnungsmarkt im Sinne der Berliner Mieter regulativ eingreifen zu können.
Sandra Klose
MieterMagazin 10/05
Das Karussell der Wohnungskäufe und -verkäufe dreht sich weiter: Beispiel GSW
Foto: Kerstin Zillmer
02.08.2013