Townhouses, Stadtvillen, Lofts, Penthousewohnungen – seit Jahren sorgt sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung um die ganz spezifischen Wohnbedürfnisse der High-Society, um sie in der Stadt zu halten. An den Problemen Berlins geht das völlig vorbei. Was in den vom Senatsbaudirektor veranstalteten „Architekturgesprächen“ über luxuriöses Wohnen diskutiert wird, dürfte in den Ohren von Hartz-IV-Betroffenen, die um ihre Wohnung bangen müssen, wie blanker Zynismus klingen.
Nichts weniger als eine „neue Ära“ im Berliner Wohnungsbau hat Senatsbaudirektor Hans Stimmann ausgerufen. In der Innenstadt werden zurzeit mehrere Grundstücke für den Bau von Townhouses und Stadtvillen erschlossen. Ende Juni hat die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer feierlich den Grundstein für das erste Townhouse auf dem Friedrichswerder gelegt. Bis 2007 sollen hier, direkt neben dem Bundesaußenministerium, insgesamt 47 solcher individuellen Einfamilienreihenhäuser gebaut werden. Die Häuser werden von den betuchten Eigentümern und Bauherren selbst bewohnt. „Die Tatsache, dass mitten in einer Metropole, direkt im Regierungsviertel, der Bau privater Wohnhäuser möglich ist, dürfte in Europa einmalig sein“, sagte Junge-Reyer bei der Grundsteinlegung. Berlin habe „für jede gewünschte Wohnform das Passende zu bieten“.
An der Wirklichkeit vorbei
Schon Anfang April vollzog Stimmann den ersten Spatenstich für das Townhouse-Projekt „Prenzlauer Gärten“. Auf dem verwilderten Grundstück des ehemaligen Vergnügungsparks „Schweizer Garten“, vis-à-vis des Volksparks Friedrichshain, baut ein Investor eine geschlossene Wohnanlage mit 60 Reihenhäusern und 49 Wohnungen, die zum Preis von durchschnittlich 2400 Euro pro Quadratmeter erworben werden können. „Paradiesisch wohnen – mitten in Berlin“ versprechen die Werbetafeln. Zum Auftakt pflanzte Stimmann auf dem Grundstück ein Bäumchen – das gleich darauf wieder rausgerissen wurde, genau wie der alte Baumbestand. Das „Paradies“ wurde Opfer der Kettensäge.
Mit der „neuen Ära“ meint Stimmann, dass im Stadtzentrum wieder Wohnungen gebaut werden. Mit dem „Planwerk Innenstadt“ versucht er seit neun Jahren, zentral gelegene Wohnungsbauflächen zu mobilisieren, um guten Steuerzahlern das Wohnen in Berlin schmackhaft zu machen. Zu Zeiten der New-Economy-Blase hat Stimmann die „Urbaniten“ als Zielgruppe ausgemacht: moderne, dynamische, kommerziell erfolgreiche Menschen, die mit Laptop und Handy durchs Leben gehen und sich bewusst für das Wohnen mitten in der Stadt entscheiden – selbstverständlich nicht als Mieter, sondern als Eigentümer. Mit dem Platzen der Blase ist diese Klientel verschwunden. Die Senatsverwaltung tut aber immer noch so, als gäbe es in Berlin massenhaft Leute, die sich Baugrundstücke und Wohnungen in Mitte zu Höchstpreisen leisten können.
Seit fünf Jahren diskutiert Senatsbaudirektor Stimmann in einer Gesprächsreihe über luxuriöse Wohnprojekte. Es begann im November 2000 mit einem „Architekturgespräch“ unter dem Titel „Städtisches Wohnen – Wohnen jenseits des Zweiten Förderweges“, als Stimmann postulierte: „Wir beschäftigen uns nicht mehr mit Wohnungsbau für sozial Schwache, sondern für sozial Starke. Es geht nicht mehr um Leute, die die Wohnung zugewiesen bekommen, sondern um die, die ihr sauer verdientes Geld in Wohnen anlegen.“ Dass es keinen Sozialen Wohnungsbau mehr gibt, stellt Stimmann auch heute noch immer wieder erfreut fest.
In der Folge widmeten sich die „Architekturgespräche“ immer wieder dem gehobenen Wohnen, zuletzt ging es im November 2004 um „Townhouses – Friedrichswerder und Prenzlauer Gärten“ und im Juni 2005 um „Wohnen in der Stadtvilla“. Diskutiert wurde dabei über ein städtebauliches Konzept für einen „Diplomatenpark“ an der Tiergartenstraße: Für ein landeseigenes Grundstück zwischen der japanischen Botschaft und dem Canisius-Kolleg hat der Architekt Klaus Theo Brenner ein Ensemble von zwölf Stadtvillen entworfen. Auf jeder der je vier Etagen soll eine Familie wohnen. Stimmann beteuerte, man habe keine bestimmte Klientel im Auge, doch mit den Grundrechenarten lässt sich mit dem Verkehrswert des Grundstücks und der vorgesehenen Bebauungsdichte leicht der Quadratmeterpreis ausrechnen. „Was erwarten Reiche vom Wohnen?“ war denn auch folgerichtig die Frage, die Stimmann mit den geladenen Experten im Architekturgespräch erörterte, um herauszufinden, ob solche Stadtvillen am Markt überhaupt eine Chance haben.
Wohnungen wie Hotelsuiten
Margit J. Mayer, Chefredakteurin der Zeitschrift AD (Architectural Digest), ging mehr ins Detail: Für reiche Menschen sei der am meisten stilprägende Faktor die Architektur von Nobelhotels. Wohnungen müssten wie Suiten organisiert sein, Service sei „ganz wichtig“. Eine Wohnung brauche einen Raum, in dem man die Koffer unterbringen kann, und Wände, die hoch genug sind, um großformatige Kunst aufzuhängen. „Reiche Menschen wollen immer das Gefühl haben, dass sie allein sind auf der Welt“, so Mayer. Schließlich müsse noch eine „Poesie des Wohnens“ entstehen.
Unter Architekten kann man solche Fragen sicherlich diskutieren. Aber sich in Zeiten, in denen sich Zehntausende von Hartz-IV-Betroffenen fragen müssen, ob sie demnächst noch ihre Wohnung halten können, ausgiebig mit den Luxusproblemen der oberen Tausend zu beschäftigen, ist schon ziemlich zynisch. Die öffentliche Verwaltung sollte Wichtigeres zu tun haben als sich um das Wohlergehen von Leuten zu sorgen, die eine solche Hilfe nun wirklich nicht brauchen.
Der „Mittelstand“, den Stimmann in der Stadt halten will, sind keineswegs nur die Spitzenverdiener, die sich ein Townhouse oder eine Stadtvilla in Mitte leisten können. Die Leute, die Berlin eine negative Bevölkerungsstatistik bescheren, sind Menschen mit Durchschnittseinkommen, die ihr Erspartes zusammenkratzen, die Oma anpumpen, einen Bausparvertrag abschließen und dann ein kleines Einfamilienhaus auf einem billigen Baugrundstück in Brieselang, Birkenwerder oder Teltow bauen. Für die große Mehrheit der Menschen, die Abwanderungsgedanken hegen, sind Stimmanns Vorstellungen unerreichbare Träume. Diese Leute in der Stadt zu halten, müsste aber Ziel der Senatspolitik sein.
Anlass zur Flucht aus Berlin gibt es genug: Lärm, Dreck, Abgase, Unfallgefahren, wenig Grün, schlechte Schulen, steigende Mieten. Man fühlt sich als Bürger von der Senatspolitik nicht mehr ernst genommen. Zudem spaltet sich Berlin immer mehr in Gewinner- und Verliererstadtteile, ganze Stadtviertel drohen abzurutschen. Diesen Problemen begegnet die Senatsverwaltung nur sehr halbherzig. Das in einigen Gebieten eingerichtete Quartiersmanagement schafft oft nur symbolische und kosmetische Verbesserungen, Grünanlagen verkommen, weil es zu wenig Geld für die Pflege gibt und an Verkehrsbeschränkungen traut sich der Senat überhaupt nicht heran.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/05
„… nicht für Leute, denen die Wohnung zugewiesen wird“: Luxuswohnanlage Tiergartendreieck
Fotos: Rolf Schulten
„Jenseits des Zweiten Förderweges“: Luxuswohnanlage „Townhouse Friedrichswerder“
„… mit einem Raum, in dem man die Koffer unterbringen kann“: Luxuswohnanlage „Prenzlauer Gärten“
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Reiche drängen in die Innenstädte
Das Wohnen in der Innenstadt ist unter den Leuten, für die die Kostenfrage nachrangig ist, seit einiger Zeit wieder im Trend. So stehen im Münchner Nobelvorort Grünwald immer mehr Villen zum Verkauf, weil die Besitzer doch lieber in Bogenhausen oder Schwabing wohnen wollen. Auch in anderen Städten ist eine solche Tendenz zu beobachten. Wie eine Studie des Maklerunternehmens „DB Immobilien“ ergab, sind Stadtvillen und Altbauwohnungen in einem attraktiven Ambiente besonders begehrt. Auch die Berliner Townhouse-Projekte werden gut nachgefragt. Allerdings dürfte das Potenzial für weitere solcher Projekte begrenzt sein: Die Millionärsdichte ist in Berlin nicht annähernd so hoch wie in München oder Hamburg.
js
02.08.2013