Wer Arzneimittel nimmt, scheidet deren Wirkstoffe auch teilweise wieder aus. Allein 100 Tonnen Schmerzmittel gelangen auf diese Art bundesweit Jahr für Jahr ins Abwasser. Tests haben ergeben, dass das daraus aufbereitete Trinkwasser stark mit Medikamentenrückständen belastet ist – auch in Berlin.
Prof. Dr. Walter Jäger, Leiter eines Instituts für Umweltanalytik in Tübingen, war „sprachlos angesichts der Höhe einzelner Werte von Medikamentenrückständen“, nachdem er für die Zeitschrift „Feinschmecker“ Trinkwasserproben aus elf deutschen Städten untersucht hatte. Im Berliner Trinkwasser fand er unter anderem Rückstände von Entzündungshemmern, Antiepileptika und Röntgenkontrastmitteln. Das Problem: Die Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 2001 legt keine Grenzwerte für Medikamentenrückstände fest. Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit definierte 2003 lediglich einen „pragmatischen gesundheitlichen Orientierungswert“, ab dem die Gesundheitsämter eine Gesundheitsgefährdung prüfen sollten. Dieser Wert – 100 Nanogramm pro Liter – wurde in Berlin zum Beispiel durch das Röntgenkontrastmittel Iopamidol weit übertroffen.
Noch ist nicht bekannt, wie gefährlich Pharmarückstände im Trinkwasser für den Menschen sind. Ethinylestradiol zum Beispiel, ein Mittel zur Schwangerschaftsverhütung, greift langfristig bereits in Konzentrationen unterhalb eines Nanogramms pro Liter in das Fortpflanzungssystem der Fische ein. Filtersysteme für den Hausgebrauch, wie sie die Industrie anbietet, sind ebenso wenig eine Lösung wie die Verwendung von Mineralwasser oder spezielle Toiletten und Abwässersysteme für Menschen, die Medikamente einnehmen. Experten des „Kompetenzzentrums Wasser Berlin“ und der Berliner Wasserbetriebe erproben derzeit in zwei Berliner Krankenhäusern Technologien zur Vermeidung beziehungsweise starken Verminderung von Pharmarückständen. Aber Hauptverursacher sind nicht die Krankenhäuser, sondern zu etwa 80 Prozent die privaten Haushalte.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 10/06
Pharmarückstände finden sich auch im Berliner Trinkwasser
Foto: Christian Muhrbeck
23.04.2013