Mit der Veröffentlichung der neuen Energieeinsparverordnung im Bundesgesetzblatt ist ein Schlussstrich unter die jahrelangen Streitigkeiten über den Energieausweis gezogen worden. Ob durch den Ausweis letztendlich energetische Sanierungen angestoßen werden, hängt nach dessen weitgehender Entwertung durch CDU und Vermieterverbände vor allem von der Hartnäckigkeit der Mieter bei der Anmietung von Wohnungen ab.
Seit mehr als drei Jahren wird in der Öffentlichkeit über einen Energieausweis gerungen, der ab 2006 den Erwerbern einer Wohnung und den Wohnungssuchenden bei der Anmietung gemäß EU-Recht vom Verkäufer einer Immobilie beziehungsweise dem Vermieter vorgelegt werden sollte. Im Vordergrund steht dabei, dass sich potenzielle Erwerber und Mieter einen geeigneten Überblick über den energetischen Zustand eines Wohngebäudes verschaffen und mit Hilfe von Vergleichsangaben eine Marktbewertung vornehmen können. Eine wohnungsweise Betrachtung des Energieverbrauchs oder gar der zukünftigen Energiekosten wird mit dem Energieausweis nicht ermöglicht, sie wäre auch wegen des unterschiedlichen Verbraucherverhaltens wenig sinnvoll. Ein Energieausweis mit einem Energiekennwert im grünen Bereich des Farbbandtachos bedeutet also nicht zwingend für den einzelnen Mieter einen niedrigen Verbrauch und damit gar niedrige Wärmekosten in seiner Wohnung. Denn die Verbrauchsdaten einzelner Wohnungen differieren stark in Abhängigkeit vom jeweiligen Nutzerverhalten und von der Lage der Wohnung im Gebäude.
Der Energieausweis soll Aussagen über den energetischen Zustand eines Gebäudes treffen. Es ist ein Formular, in dem nähere Angaben zu dem betreffenden Gebäude und Energiekennwerte dargestellt sind. Es gibt Formulare für Wohngebäude, Nichtwohngebäude (zum Beispiel Gewerbebauten) und öffentliche Gebäude (zum Beispiel Schulen). An dieser Stelle soll nur der Energieausweis für Wohngebäude näher betrachtet werden.
Der Energieausweis soll einen Vergleich ermöglichen. Dazu wird als Maßstab für den energetischen Zustand ein für das betreffende Wohngebäude ermittelter Energiekennwert angegeben. Der Kennwert wird auf einem Bandtacho dargestellt. Dieser kann mit üblicherweise ermittelten Kennwerten dieser Gebäudeart im Ausweis verglichen werden. Dabei gilt generell: Je niedriger der Energiekennwert, desto besser. Mietrechtliche Ansprüche ergeben sich aus den Inhalten des Energieausweises nicht, es sei denn, der Ausweis wird im Mietvertrag ausdrücklich als Beschreibung der Solleigenschaft vereinbart. Energieausweise müssen bundesweit mit Inkrafttreten der neuen Verordnung zum 1. Oktober 2007 nach Inhalt und Aufbau dem Muster aus der Verordnung entsprechen.
Bei der Neuerrichtung von Wohngebäuden sind vom Bauherrn bereits seit geraumer Zeit Energieausweise zu erstellen und dem Eigentümer auszuhändigen. Diese Ausweise haben jedoch für Mieter zunächst keine Bedeutung. Wenn Wohnungen oder Wohngebäude verkauft oder vermietet werden sollen, müssen Energieausweise gemäß der neuen Energieeinsparverordnung
- ab 1. Juli 2008 für Wohngebäude der Baufertigstellungsjahre bis 1965
- ab 1. Januar 2009 für Wohngebäude, die nach 1965 errichtet wurden
den potenziellen Käufern oder Mietern zugänglich gemacht werden. Diese langen Übergangsfristen sind ein Geschenk der Regierung an die Vermieter.
Bis zum 30. September 2008 wird den Verkäufern die vollständige Wahlfreiheit über die Art des Energieausweises überlassen. Damit sind auch Energieausweise zulässig, die im Grunde keinen Aussagewert haben. So darf sogar bei Verkauf oder Vermietung eines Einfamilienhauses ein Verbrauchsausweis erstellt werden, obwohl hierbei das Nutzerverhalten einen vorwiegenden Einfluss hat und die Gebäudeeigenschaften nahezu vernachlässigbar sind.
Vorschrift verwässert
Gemäß der EU-Richtlinie sind Energieausweise potenziellen Erwerbern oder Mietern vorzulegen. Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrates in der Energieeinsparverordnung daraus die Vorschrift gemacht, dass bei Kauf oder Anmietung der Energieausweis lediglich „zugänglich“ gemacht werden muss. Dies bedeutet, dass der Vermieter zum Beispiel bei einer Wohnungsbesichtigung das Recht hat, auf einen in seinen Büroräumen befindlichen Energieausweis zu verweisen. Wäre die Bundesregierung an einer störungsfreien und unkomplizierten Verwendung von Energieausweisen interessiert, so hätte sie die Vorlagepflicht aus der EU-Richtlinie exakt übernommen.
Der Energieausweis ist laut Verordnung und auch laut EU-Richtlinie nur potenziellen Mietern oder Käufern zugänglich zu machen. Dass die Wohnungswirtschaft auch bei dieser Formulierung versucht hat, den Empfängerkreis von Ausweisen klein zu halten, zeigt, dass die Verbände der Vermieter den Energieausweis und damit Transparenz im Prinzip nicht wünschen. Nach den Vorstellungen der Wohnungswirtschaft ist ein Mietinteressent nur dann ein „potenzieller“ Mieter, wenn er ernsthaftes Interesse zeigt und ein Objekt besichtigt. Wer sich also vorab – zum Beispiel telefonisch – über Zimmerzahl, Lage und Ausstattung informiert, ist zwar nach Auffassung der Vermieterverbände ein Mietinteressent, soll aber keinen Anspruch auf Informationen über den energetischen Zustand des Wohngebäudes haben. Der Bundesrat, ganz auf Linie der Wohnungswirtschaft, hat folgerichtig auch den Anspruch des Mieters auf eine Kopie des Ausweises, wie ihn die Bundesregierung überraschend in ihren Verordnungsentwurf eingeführt hatte, herausgestrichen.
Die neue Energieeinsparverordnung ermöglicht Verkäufern und Vermietern grundsätzlich die Wahl zwischen zwei verschiedenen Ausweisen. Beim einen handelt es sich um einen Bedarfsausweis, der einen Energiebedarfskennwert aufführt. Der Energiebedarf wird auf Grundlage der Bauunterlagen beziehungsweise gebäudebezogener Daten unter standardisierten Randbedingungen ermittelt. Die energetische Qualität lässt sich so unabhängig vom Nutzerverhalten berechnen. Erlaubt sind unter speziellen Bedingungen aber auch Energieverbrauchsausweise. Das Musterausweisformular der Bundesregierung sieht beide Versionen vor. Dem Verbrauchsausweis liegt der Energieverbrauch gemäß der letzten drei Abrechnungsjahre für Heiz- und Warmwasserkosten zugrunde. Diese Version wird von der Wohnungswirt-schaft favorisiert, weil die Ausweise erheblich billiger sind und von den Heizkostenabrechnungsfirmen quasi als Nebengeschäft für circa 30 bis 50 Euro pro Stück miterstellt werden können.
Energieausweis in zwei Varianten
Das Wahlrecht zwischen den beiden Ausweisarten besteht grundsätzlich für Wohngebäude ab fünf Wohnungen. Für Eigentümer besteht eine Pflicht zur Erstellung eines Bedarfsausweises nur dann, wenn ab dem 1. Oktober 2008 ein Energieausweis für ein Wohngebäude mit weniger als fünf Wohnungen erstellt wird, dessen Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt worden war oder das nicht mindestens – zum Beispiel durch Modernisierung – die Anforderungen der ersten Wärmeschutzverordnung erreicht.
Im Grundsatz kann der Mieter bei der Wohnungssuche die Kennwerte von Bedarfs- und Verbrauchsweisen miteinander vergleichen. Bedarfsausweise auf Basis eines vereinfachten Verfahrens, was die Regel sein wird, haben keine höhere Qualität als Verbrauchsausweise zentral beheizter Wohngebäude mit mehr als sieben bewohnten Wohneinheiten. Vorsicht ist nach Auffassung des Berliner Mietervereins aber bei Verbrauchsausweisen geboten, die für Wohngebäude mit weniger als sieben Wohneinheiten erstellt werden oder die einen umfangreichen und stetig wechselnden Leerstand haben. Deren Aussagekraft ist beschränkt wegen des deutlichen Einflusses des Nutzerverhaltens.
Bedauerlicherweise erschwert die Bundesregierung im doppelten Sinne eine ehrliche Bewertung. Dies geschieht zum einen durch Zugrundelegung eines Multiplikationsfaktors (1,2) für die Ermittlung einer Gebäudenutzfläche statt der (beheizten) Wohnfläche. Auf diese Weise werden viele Verbrauchsausweise im „grünen“ Bereich liegen, die sonst deutlich anders bewertet werden würden. Zum anderen lassen die im Ausweis von der Bundesregierung dargelegten völlig überhöhten Durchschnittsvergleichswerte die tatsächlich ermittelten Kennwerte fast immer gut aussehen. Damit wird grundsätzlich ein Bild erzeugt, das den tatsächlichen energetischen Zustand von Wohngebäuden beschönigt und energetische Sanierungen nur im Ausnahmenfall notwendig erscheinen lässt.
Reiner Wild
MieterMagazin 10/07
Über den energetischen Zustand eines Gebäudes sollen künftig Energieausweise Auskunft geben
Foto: Rolf Schulten
Thermografische Aufnahme der Fassade eines mehrstöckigen Wohngebäudes
Thermografie: Sunbeam GmbH
Beispielhafter Energieausweis
Illustration: dena
Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV), vom 24. Juli 2007, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt 2007, Seite 1519
Geltungsdauer und Ausstellung
Energieausweise gelten vom Tag ihrer Erstellung an zehn Jahre. Dies gilt auch für in der Vergangenheit erstellte und weiter geltende Ausweise. Berechtigt zur Ausstellung von Energieausweisen sind Personen (Firmen) mit einer bestimmten Erstausbildung, die auch ein weiteres Zusatzkriterium (zum Beispiel Berufserfahrung, Ausbildungsschwerpunkt, Fortbildung) erfüllen.
25.11.2016