Während die Eigentümerverbände unermüdlich über die laxe Zahlungsmoral ihrer Mieter jammern, belegen neuere Zahlen das Gegenteil: Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten ist die Zahl der Mietschuldner weiter rückläufig. Die allermeisten Mieter zahlen pünktlich und regelmäßig ihre Miete, auch wenn sie immer weniger Geld in der Tasche haben.
Um rund ein Drittel sind die Mietschulden bei den 144 Berliner Mitgliedsunternehmen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) seit 2005 gesunken. Zum 31. Dezember 2008 beliefen sich die Außenstände auf rund 98 Millionen Euro. Das waren 4,1 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der BBU, der über 40 Prozent aller Mietwohnungen in der Hauptstadt bewirtschaftet, führt dies auf den konsequenten Ausbau der Beratungsangebote zurück. „Davon profitieren sowohl die Mieter als auch die Vermieter“, sagt BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern. Den Unternehmen gehe es vor allem darum, Räumungen zu vermeiden, die Mieter zu halten und ihre Mietzahlungsfähigkeit langfristig zu sichern.
Auch bundesweit sind Mietschulden auf dem Rückmarsch. Nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sind sie bei seinen Unternehmen im Jahr 2008 um 31 Millionen Euro auf 551 Millionen Euro gesunken. Seit dem Höchststand mit 752 Millionen Euro im Jahr 2003 ist das ein Rückgang von 27 Prozent. „Die Vermieter versuchen zu helfen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“, so GdW-Präsident Lutz Freitag zur Begründung. Das sieht man beim Deutschen Mieterbund (DMB) ähnlich. „Eine gewisse Rolle spielt zwar auch, dass immer mehr Menschen die Miete vom Staat bekommen, aber Hauptursache für die rückläufigen Mietschulden ist die höhere Sensibilität der Vermieter beim Umgang mit säumigen Mietern“, meint DMB-Sprecher Ulrich Ropertz.
Die Degewo halbierte die Zahl der Zwangsräumungen
„Forderungsmanagement“ heißt das Zauberwort. Damit ist es der Wohnungsbaugesellschaft Degewo zwischen 2006 und 2008 gelungen, die Zahl der teuren Zwangsräumungen zu halbieren. Gleichzeitig konnten die offenen Forderungen aus Mietschulden und Räumungsverfahren um 8,9 Millionen Euro reduziert werden. Säumige Mieter werden zunächst schriftlich aufgefordert, sich binnen einer Woche mit ihrem Vermieter in Verbindung zu setzen. Wer sich nach Ablauf dieser Frist nicht meldet, bekommt Besuch vom Mietschuldenbearbeiter. Gemeinsam wird nach Lösungen gesucht, etwa der Umzug in eine günstigere Wohnung, Ratenzahlung oder die Beantragung der Mietschuldenübernahme beim Jobcenter. Die enge Zusammenarbeit mit den Jobcentern und den Sozialen Wohnhilfen der Bezirke gehört ebenfalls zum Konzept.
Auch das Wohnungsunternehmen Howoge hat gute Erfahrungen mit einer aufsuchenden Mietschuldnerberatung gemacht. Seit 2005 klingelt die Sozialarbeiterin Regina Henke an der Wohnungstür von Mietern, die mit der Miete im Rückstand sind. Die Scham ist bei vielen sehr groß und einige würden am liebsten den Kopf in den Sand stecken, weiß die Sozialarbeiterin. Bedrängt werde niemand. Der Schuldner müsse die Unterstützung selbst wollen, sonst funktioniere es nicht.
Die Ursachen für Mietschulden sind vielfältig. Manchmal ist die Wohnung nach dem Tod des Partners oder nach der Scheidung zu teuer geworden. Andere haben durch Kredite erhebliche Schulden aufgehäuft, so dass für die Miete nichts übrig bleibt. Regina Henke versucht zu helfen, indem sie Kontakt zu Ämtern herstellt, beim Ausfüllen von Formularen Unterstützung gibt oder gemeinsam mit den Betroffenen überlegt, ob die Schulden in Raten abgezahlt werden können. Oft kann so der Verlust der Wohnung abgewendet werden. „Zwangsräumungen sind aus sozialer und aus wirtschaftlicher Sicht schlecht und für uns das allerletzte Mittel“, betont die Sprecherin der Howoge, Angela Reute. Derzeit liegt die Mietrückstandsquote bei 0,5 Prozent – im Berliner Vergleich ist das ein hervorragender Wert.
Ein Hilfsangebot, das keiner braucht
Dass das „Forderungsmanagement“ mitunter übers Ziel hinausschießt, zeigt der folgende Fall. Ein Mitglied des Berliner Mietervereins (BMV), das lediglich von seinem Recht auf Mietminderung Gebrauch gemacht hat, bekam Post von einer Schuldnerberatung. Sein Vermieter, die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau, hatte diese beauftragt. Der Mieter war empört und verbat sich weitere „Hilfsangebote“: „Wir sind nicht hilfebedürftig und haben unsere Miete immer pünktlich gezahlt!“ Trotzdem wurde er kurze Zeit später noch einmal angeschrieben, diesmal wegen eines noch höheren angeblichen „Mietrückstands“. „Eine Frechheit“, meint dazu die Rechtsberaterin Marlis Lau vom Berliner Mieterverein, die den Mieter vertritt. Schließlich gebe es einen ausführlichen Schriftwechsel mit dem Vermieter wegen der Mietminderung.
Wenn eine Zahlungserinnerung unbegründet sei, könnten sich die Mieter ja melden, heißt es dazu bei der Gesobau. Ansonsten werde mit der ersten Mahnung automatisch die Adresse eines Mieters an die Schuldnerberatung weitergegeben, damit diese auf den Mieter einwirkt. Nach „Art der Mietschulden“, so räumt die Sprecherin Kirsten Huthmann ein, differenziere man dabei nicht.
Das ist kein Einzelfall, wie man beim Berliner Mieterverein weiß. Ein Minus auf dem Mietkonto ist in der Logik der meisten Vermieter eben ein Mietrückstand. Nach dem Grund wird nicht gefragt. Es ist daher schon fast die Regel, dass auch Mieter, die wegen Mängeln die Miete gekürzt haben oder sich im Widerspruch gegen eine Mieterhöhung befinden, als Mietschuldner eingestuft werden. Beim BMV erlebt man immer wieder, dass die Betroffenen völlig empört und verunsichert sind, wenn sie dann Mahnungen mit Kündigungsandrohungen bekommen. „Oft weiß die Mietbuchungsabteilung gar nichts von der Mietminderung, viele Vermieter versuchen damit aber auch, größtmöglichen Druck auszuüben“, erklärt Rechtsberater Dr. Michael Häberle. Leider mit Erfolg. Nicht selten geben Mieter entnervt auf, weil sie es leid sind, als Mietschuldner behandelt zu werden. „Das muss man wertfrei sehen, auch wenn’s schwer fällt“, empfiehlt Dr. Häberle. Sein Rat in solchen Fällen: ruhig Blut bewahren und die Mahnungen aussitzen.
Birgit Leiß
Wenn einem die Miete über den Kopf wächst
Zunächst einmal sollte man prüfen, ob ein Anspruch auf Wohngeld besteht. Diesen staatlichen Zuschuss zur Miete kann grundsätzlich jeder beantragen. Lediglich Empfänger von Arbeitslosengeld II sind davon ausgenommen, denn sie bekommen ohnehin die gesamte Miete erstattet. Zuständig sind die Wohnungsämter oder die Bürgerämter der Bezirke. Manchmal hilft der Umzug in eine billigere Wohnung. Vielleicht kann die Hausverwaltung eine kleinere oder einfacher ausgestattete Wohnung aus ihrem Bestand anbieten. Sind bereits Mietschulden aufgelaufen, gilt es, schnell zu handeln. In vielen Fällen gelingt es dem Mieterverein, für seine Mitglieder Ratenzahlungen mit dem Vermieter auszuhandeln. Wer bereits eine Räumungsklage wegen Mietrückstand bekommen hat, kann einen Antrag auf Mietschuldenübernahme stellen. In den meisten Bezirken muss man sich dazu an die Jobcenter oder Sozialämter wenden, das Geld wird in der Regel als Darlehen gewährt. Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich jeder, also auch Studenten, Selbstständige oder Rentner. Zahlreiche Beratungsstellen informieren kostenlos darüber, welche Ansprüche bestehen und wohin man sich wenden muss.
bl
MieterMagazin 10/09
Aufsuchende Mietschuldenberatung ist hilfreich – vorausgesetzt, sie schießt nicht über das Ziel hinaus
Foto: Christian Muhrbeck
Ob Mietschulden vom Amt übernommen werden, entscheidet die Sozialbehörde oder das Jobcenter
Foto: Christian Muhrbeck
Beratung bei Mietschulden:
Schuldnerberatung Berlin:
Beratungsstellen in fast allen Bezirken
Gebewo, Ambulante Dienste,
Grabbeallee 74, 13156 Berlin-Pankow
Tel. 48 09 81 91
Brückeladen der Gebewo
Spreestraße 2, 12439 Berlin (Schöneweide)
Tel. 63 22 45 81
brueckeladen@gebewo.de
www.gebewo.de
Wohngeldrechner im Internet:
www.stadtentwicklung.berlin.de/
wohnen/wohngeld/diwo.shtml
Rat und Tat
Wann droht die Kündigung?
Bei einem Mietrückstand von zwei Monatsmieten kann der Vermieter fristlos kündigen, ganz gleich, ob man zwei Monate hintereinander die Miete nicht gezahlt hat oder ob der Betrag über einen längeren Zeitraum aufgelaufen ist. Das Gefährliche: Der Vermieter muss vorher keine Mahnung schicken. Gerade wenn er den Mieter loswerden will, wird er in aller Ruhe abwarten, bis der Mieter ihm zwei Monatsmieten schuldet und dann eine fristlose Kündigung losschicken.
Wichtig: Der Mieter kann die Kündigung unwirksam machen, wenn er den gesamten Mietrückstand bezahlt oder wenn sich Sozialamt oder Jobcenter gegenüber dem Vermieter zur Zahlung verpflichten. Das muss alles spätestens zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage geschehen. Auf diese „Heilungsmöglichkeit“ kann man sich aber nicht berufen, wenn ein zweimonatiger Zahlungsrückstand innerhalb der letzten zwei Jahren schon einmal vorgekommen ist.
bl
30.01.2022